Rosenstolz-Komponisten über ihr „Romeo und Julia“-Musical

„Julia war ein Punk“ – ein Shakespeare-Singspiel für Berlin

Die größte Liebesgeschichte aller Zeiten: Yasmina Hempel und Paul Csitkovics spielen die Titelrollen im Shakespeare-Musical „Romeo und Julia – Liebe ist alles“, das am 19. März in Berlin Premiere hat.

Die größte Liebesgeschichte aller Zeiten: Yasmina Hempel und Paul Csitkovics spielen die Titelrollen im Shakespeare-Musical „Romeo und Julia – Liebe ist alles“, das am 19. März in Berlin Premiere hat.

„Alles ist wunderbar bunt“, zeigen sich Ulf Leo Sommer und Peter Plate beeindruckt von den ersten Kostümproben zu ihrem Musical „Romeo und Julia – Liebe ist alles“. Es sind noch anderthalb Wochen bis zur Premiere, Tausende Dinge sind gleichzeitig zu erledigen, man ist gespannt und nervös. Etwas atemlos erscheinen die beiden Komponisten („Ku‘damm 56“) zum Zoom-Interview drei Stockwerke über der Bühne des Berliner Theaters des Westens.

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Herr Plate, Herr Sommer, 426 Jahre nach seiner Uraufführung ist Shakespeares „Romeo und Julia“ immer noch die Lovestory aller Lovestorys. Sie hat sich zigfach in Literatur, Film und Popmusik niedergeschlagen, Sie haben jetzt das Musical „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ daraus gemacht. Was hat uns die leicht und sommerlich beginnende, tragisch endende Geschichte von einem unglücklichen Doppelselbstmord zweier sich auf den ersten Blick verliebt habender Menschen heute noch zu sagen?

Sommer: Die Liebesgeschichte und der ganze Humor sind ein trojanisches Pferd. Das ist großartig, deswegen geht man ins Theater, aber eigentlich geht es ja um Streit. Es geht um zwei Familien, die – keiner weiß mehr warum – zerstritten sind. Und am Ende gibt es Tote, alle haben zugeguckt und sind entsetzt. Wir glauben, dieser Zweiklang ist das Relevante, warum das Stück Jahrhunderte überlebt hat: Diese große Liebesgeschichte von zwei Teenagern – und im Hintergrund wütet die Welt und macht sich kaputt.

Plate: Eigentlich müsste der Untertitel „Hormone“ lauten. Romeo und Julia wollen miteinander zärtlich werden, die Amme ist in den Wechseljahren und unser Mercutio hat ein Auge auf Romeo geworfen.

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Für Sie beide ist es nach 2014 bereits das zweite „Romeo und Julia“-Musical. Ist die neue Version ein Update der Kieler Version?

Plate: Es ist etwas vollkommen anderes. Damals war „Romeo und Julia“ unsere erste Theatererfahrung, und wir haben in Kiel eher die Musik zu einer Theateraufführung beigesteuert. Das war kein richtiges Musical im Sinne des neuen Stücks. Überlebt hat aus dieser Zeit nur das Lied „Dann fall ich“, ein Duett von Romeo und Julia. Das war unschlagbar. (lacht)

Sommer: Wir sind damals ganz naiv rangegangen, unwissend. Allerdings haben wir uns damit in das Theater und das Genre Musical so richtig verliebt. Das war der Anfang für alles weitere.

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Was hat das Genre Musical, was es für Sie beide so besonders macht?

Plate: Ich fand es schon als Kind völlig aufregend, mir sonntags immer diese Musicalfilme im Fernsehen anzuschauen. Die habe ich in mich aufgesogen. Und ich fand das völlig verrückt, wenn Menschen, die eben noch miteinander gesprochen hatten, plötzlich anfingen, zu singen. Detlev Buck, mit dem wir ja viele „Bibi & Tina“-Filme gemacht haben und der gar kein Musicalliebhaber ist, hat das auf den Punkt gebracht. Er sagte: „Immer wenn das Gefühl zu groß wird, fängt man an zu singen.“

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Sommer: Für uns als Künstler ist die Gattung Musical so toll, weil man damit die Welt der Fantasie noch mal maßlos erweitern kann. Und wenn Musik da ist, schaltet mein Kopf aus und es geht direkt ins Herz. Es werden nicht mehr viele Worte gebraucht, denn die Musik leitet einen zum Gefühl. Man fühlt nur noch, fragt nicht mehr, wie intelligent das jetzt alles ist oder wie raffiniert. Und das liebe ich so sehr.

„Leute, die sich gar nicht streiten, machen mir Angst“

Sie beide arbeiten jetzt seit 1990 zusammen – zwölf Rosenstolz-Alben, viele Songs für andere Künstlerinnen und Künstler, Filmmusiken. Nie war von Streit oder Zerwürfnis zu hören. Sind Sie ein ideales Team?

Plate: (lacht) Wir nennen das lieber Reibung, die gehört total dazu. Heute, knapp zwei Wochen vor der Premiere, liegen die Nerven total blank und ich könnte mich schon wegen eines Salzstreuers, der auf dem Tisch fehlt, streiten. Weil ich so durch bin mit allem. Und gleichzeitig ist es auch wunderschön. Das versteht man auch nur, wenn man diesen komischen Beruf machen darf.

Sommer: (lacht) Kurz vor unserem Gespräch haben wir gestritten – über den Ton, der zu laut war. Ich sage mal ganz ehrlich, wir streiten uns die ganze Zeit. Aber jeder, der mit uns arbeitet, ist gewohnt, dass sich das superschnell wieder einlotet. Ich kenne Peter schon so lange und weiß: Alles, was er jetzt sagt, meint er nicht so. Umgekehrt ist das genauso. Deswegen kann man einander schnell verzeihen. Und: Leute, die sich gar nicht streiten, machen mir Angst. Weil das dann irgendwann explodiert.

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Eigentlich hätte man gedacht, Sie beide „ku’dammen“ erst mal weiter, dass auf Ihr Musical „Ku’damm 56“ analog zur TV-Serie die Singspiele „Ku’damm 59“ und „Ku’damm 63“ folgen. Gibt es da Pläne, die Wirtschaftswundersaga der Berliner Tanzschule Schöllack musikalisch weiterzuerzählen? Oder war’s das?

Plate: Also wir dürfen diesbezüglich nur durch die Blume reden, aber lassen uns als Künstler auch nicht den Mund verbieten: Ja, wir machen danach „Ku­damm 59“ und freuen uns darüber wie Bolle, haben aber ganz bewusst „Romeo und Julia“ dazwischengelegt. „Ku­damm 56“ lief mega und hat eine Riesen-Fanbase. Aber die Fortsetzung wäre zu vorhersehbar gewesen – eine Nummer sicher.

Sommer: Wir wollen Neues lernen. Das Risiko macht mir wahnsinnige Angst, spornt mich aber auch total an, die Extrameile zu gehen. Ich glaube, Peter geht es auch so. Theater muss sexy sein, überraschen, einen packen.

Das kann „Romeo und Julia“?

Sommer: O ja! Obwohl wir beide im Moment nur auf Fehler achten – falsche Töne, Licht nicht richtig, Aufgang nicht richtig, Kostüm sitzt nicht –, musste ich gestern in der ersten Hälfte des Stücks plötzlich losheulen. Nach dem Ball, als Romeo und Julia sich kennengelernt haben, schwingt sich das Lied „Das Schönste“ so hoch und die beiden sind so herzzerreißend und das ist so anmutig choreografiert. Als ich mich im Theater umsah, ging es allen wie mir.

„Die Jungs waren toll, die Mädchen haben nur heiß gebadet“

Der Tag unseres Interviews, der 8. März, ist der Internationale Tag der Frauen. Bietet die Figur der Julia – verliebt, Selbstmord aus Liebe – noch Identifikations­potenzial für heutige junge Frauen. Was hat ihnen die Julia, die 1597 erstmals auf der Bühne an der Liebe starb, 2023 noch zu sagen?

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Plate: Die Julia ist bei uns sehr, sehr selbstbewusst. Es gibt ja diesen berühmten ersten Kuss auf dem Ball. Er will sie küssen, sie hält ihn fest und dann küsst sie ihn. Er klettert bei uns auch nicht auf den berühmten Balkon, sondern sie kommt zu ihm runter. (lacht)

Sommer: Geschrieben wurde das Stück ja in einer Zeit, da durften Frauen noch nicht mal Frauenrollen spielen. Da wurden die – so schrecklich das war – von Männern gespielt. Es ist heute unser Job, Shakespeares Julia anders zu beleuchten. Man erinnere sich: Sie macht das mit dem Gift zur Vorspiegelung ihres Scheintods selbst klar. Julia war für damalige Verhältnisse emanzipiert, eine Pippi Langstrumpf, ein Punk. Normalerweis waren Frauen in der damaligen Literatur auf ihrem Zimmer und haben gewartet, dass ihnen etwas widerfährt. Alle Goethe-Frauen haben gewartet …

Plate: Na ja, nicht alle.

Sommer: Oder die Luise in Schillers „Kabale und Liebe“. Wie langweilig das war. Die Jungs in diesen Stücken waren toll, die Mädchen haben nur heiß gebadet. Die Julia aber ist aktiv, heiratet heimlich, hintergeht ihre Eltern. Eigentlich ist sie von Shakespeare schon sehr revolutionär geschrieben worden. Wir als Zuschauer antizipieren natürlich die Tragödie. Aber Romeo und Julia wissen ja noch nicht, was auf sie zukommt. Sie wissen nicht, dass sie sterben, ihr Plan ist bis zum Schluss, nach Sizilien oder Florenz auszuwandern. Das kann man wild, frech und sehr heutig gestalten.

Plate: Und unser sehr junger Cast macht das. Es ist für uns alte Hasen ganz toll zu sehen, wenn diese jungen Schauspielerinnen und Schauspieler spielen – und dann plötzlich loslassen und zu dem werden, was sie spielen. Diesen Moment des Loslassens zu bemerken, davon bekommt man Tränen in den Augen.

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War für Sie Leonard Bernsteins „Romeo und Julia“-Adaption „West Side Story“ wichtig oder Baz Luhrmanns „Romeo + Julia“-Film?

Sommer: Also als Musikliebhaber ist natürlich „West Side Story“ unschlagbar. Und der Luhrmann-Film, der war in unseren Zwanzigerjahren, den haben wir natürlich auch vergöttert. Den jungen Leuten von heute ist das nicht mehr präsent. Deswegen ist es wichtig, das immer wieder neu zu machen, neu auszuleuchten. Und dann irgendwann alles Vorherige auszublenden – sonst kann man da nur scheitern und vor Ehrfurcht sterben. Wir haben einem Freund in England von unserem Vorhaben erzählt, und der sagte: „Shakespeare ist eine freie Seele. Ihr könnt alles machen. Shakespeare ist Pop und Rock und Soul.“

Plate: Unsere Mission ist ja auch, junges Publikum ins Theater zu kriegen. Unsere Neffen und Nichten waren schon bei den Proben und es gefiel ihnen. Lustig ist, dass die junge Generation von Theatergängern ein ganz anderes Verhältnis zum Musical hat. Die sind viel offener als unsere Generation, die ja diesbezüglich immer so ein bisschen zu ist und immer den Unterschied zwischen E- und U‑Kultur macht. Die haben andere Filme und Serien geguckt, in denen Musikeinlagen vorkommen.

„Romeo und Julia in Berlin fände ich geradezu anstrengend“

„Romeo und Julia“ heutig zu machen hätte auch bedeuten können, das Stück wie Bernstein in die Gegenwart und ins eigene Land zu verlegen.

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Plate: Die alte Zeit und die Originalübersetzung von August Wilhelm Schlegel geben dem Publikum die Möglichkeit, sich erst mal ein bisschen wegzuträumen. Das ist ganz wichtig. Die Geschichte nach Berlin-Kreuzberg zu legen fände ich dagegen geradezu anstrengend. Bis es im letzten Lied heißt „Der Krieg ist aus“, war man in Fabel, Märchen und Metaphern eingetaucht, war man zwei Stunden lang weg.

Sommer: Wir haben einen Twist, der hängt auch mit „Der Krieg ist aus“ zusammen, aber den wollen wir natürlich vor den Previews nicht verraten. Man wird verstehen, warum das Stück in einer alten Zeit und damit eigentlich in einer Blase passiert. Es ist so viel stärker, als wenn man es völlig heutig machen würde – dann wäre es in zwei Jahren wieder gestrig. Das Moderne ist dann in den Choreografien und der Musik.

Ein Wandel ist zu beobachten. Queere Charaktere in der Popkultur sind längst nicht mehr nur der schrille Exot oder die tragische Verstoßene wie das Mädchen Anybody aus der „West Side Story“, das als Transperson interpretierbar wäre. Figuren wie das schwule Elternpaar Cam und Mitch aus der Comedyserie „Modern Family“ oder der von Timothée Chalamet gespielte Junge, der im Film „Call Me By Your Name“ sein Coming-out hat, machen schwul zu normal. Der Mercutio, Romeos bester Freund, die dritte Hauptfigur, schlägt in Ihrem Stück in dieselbe Kerbe. Er ist von Romeo verzaubert, vielleicht verliebt.

Plate: Als wir sagten, wir machen „Romeo und Julia“, kamen Sätze wie „Ja, aber ihr seid doch schwul“ und blablabla. Irgendwann war man genervt und dachte: „Wir müssen ja nicht, nur um unser eigenes Klischee zu erfüllen, irgendetwas machen, was wir gar nicht fühlen.“ Und dann kam dieser Film „Call Me By Your Name“, der mich erwischt hat wie kaum ein anderer Film. Gleichzeitig wurde ich 50 und reflektierte. Als ich jung war und mein Coming-out hatte, waren Schwule im Film immer so ein Klischee. Der Schwule war immer lustig und trug eine Handtasche. Und das wollten wir auf keinen Fall für das Stück. Wir haben uns also an unser eigenes Coming-out erinnert und uns vorgestellt, wie das ist, wenn man für seinen besten Freund schwärmt. Das haben wir für Mercutio reduziert. Es gab ja zu jener Zeit noch nicht mal das Wort schwul. Also reflektiert Mercutio im Song „Kopf sei still“ eigentlich nur seine Gefühle: „Warum fühle ich mich eigentlich nur dann vollkommen, wenn Romeo in meiner Nähe ist?“ Das finden wir eigentlich viel zärtlicher, nicht so haudraufmäßig. Er ist eifersüchtig. Und ich habe auch das Gefühl, er rennt in jeden Kampf rein, weil er uneins mit sich ist und sich vielleicht auch wegen seiner homosexuellen Gefühle als nicht so wertig empfindet. Wir haben die Rolle mit Nico Went, einem schwulen Darsteller, und einem heterosexuellen Regisseur entwickelt. Wir zeigen mal einen Schwulen, wie wir ihn sehen. Wir hoffen, dass uns die Figur gelungen ist.

Sommer: Mercutio würde nie sagen „Ich bin verliebt“ sondern „Irgendetwas ist sonderbar“. Es gibt im Stück nur kleine Hints, bis er durch Romeos Verschulden den tödlichen Stich erhält und in Romeos Armen stirbt. Ich weiß gar nicht, was trauriger ist – Mercutios Tod oder das Ende von Romeo und Julia? (lacht)

Das Motiv von Plattencover und Musicalposter zu „Romeo und Julia – Liebe ist alles“.

Das Motiv von Plattencover und Musicalposter zu „Romeo und Julia – Liebe ist alles“.

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Musikalisch ist auf dem zum Stück gehörigen Album viel Melancholie enthalten – Balladen und hymnischer Pop, Kirchenorgel und Barock, ein Marschbeat wie bei The Clash, viele Spurenelemente von ELO und Abba, der elysische Countertenor von Nils Wanderer als Todesengel. Gab es keine Grenzen?

Sommer: Es musste alles echt sein – echtes Schlagzeug, echte Streicher. Zum Countertenor: Wir sind Riesenfans von Klaus Nomi, da haben wir kräftig gewildert, um ihm ein Denkmal zu setzen. Als Klaus Nomi damals im Fernsehen in „Na sowas!“ bei Gottschalk auftrat, hatte ich mein Coming-out noch gar nicht, war aber völlig geflasht. Ich dachte: Was ist das denn?

Plate: Und eigentlich ist die Musik zu „Romeo und Julia“ auch ein „Zurück zu Rosenstolz“. Da hatten wir uns ja auch von allen Seiten bedient – also von Chanson bis Pop. Toll, dass Sie Electric Light Orchestra erwähnen. Wir hab beim Mixen ganz viel ELO gehört – weil das so perfekt abgemischt wurde.

Sommer: Wir machen Shakespeare auch deswegen, weil man bei ihm ganz problemlos sagen kann: „Da würde jetzt ein Abba-Tune reinpassen.“ Pst! Wir sind die größten Abba-Fans. Wenn Abba geht, dann muss es bei uns auch passieren.

Abba haben Melancholie noch im euphorischsten Song. Mit „Liebe ist alles“ haben Sie auch ein Stück aus Ihrem Rosenstolz-Oeuvre übernommen. Brauchten Sie die Verlässlichkeit eines Klassikers?

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Sommer: Wir haben uns bei der Entwicklung des Stücks immer gesagt, dass wir für die Eröffnung der zweiten Musicalhälfte so was wie „Liebe ist alles“ brauchen. Das wurde bei uns zum Running Gag, bis wir sagten, wir probieren das mal für einen Workshop. Und dann hat das so toll funktioniert, dass es drinblieb. Wieso einen Song schreiben, wenn er schon geschrieben wurde?

Plate: Es ist für mich das ultimative Rosenstolz-Lied. Ich bin stolz darauf. Nach der Pause die zweite Hälfte eines Theaterabends zu eröffnen ist immer ganz schwierig. Am Ende der ersten Halbzeit ist Mercutio gestorben, es geht sehr dramatisch weiter und der Song emotionalisiert das Publikum gut. Problem ist, dass die Leute denken könnten, das Musical ist um den Rosenstolz-Hit herumgeschrieben.

„Alles ist möglich mit Rosenstolz, das Ende ist offen“

Apropos, Sie waren vor Kurzem alle mal wieder Rosenstolz – und haben mit Anna R. den „Ku’damm 56“-Song „Ich tanz allein“ aufgenommen. Wie war das nach zehn Jahren Pause?

Plate: Im Studio war es aufregend und gleichzeitig auch ganz normal. Also es war wie so ein Familientreffen. Es war das erste Mal seit Jahren, dass Anna einen Song gesungen hat, den Ulf und ich geschrieben haben. Das war schon sehr schön. Ich habe das schon sehr genossen.

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Rosenstolz wird ja breit vermisst. Ist die Band jetzt eigentlich aufgelöst oder tatsächlich noch in der damals verkündeten Pause? Könnte es also sein, dass irgendwann ein 13. Album oder eine Tour kommen. Oder dass in 20 Jahren à la Abba irgendwo Rosenstolz-Avatare musizieren?

Plate: Ich glaube, das kann man, je näher man dran ist, umso weniger beantworten. Ich wage zu behaupten, ohne dass ich Abba persönlich kenne, dass die das auch nicht wussten, dass das Comeback auf die zugekommen ist. Anna und ich, wir haben eigentlich alles zu Ende erzählt. Und gleichzeitig ist in mir immer dieser Gedanke, irgendwann, wenn ich alt bin, noch mal zwölf Songs über die Liebe im Alter zu machen. Das finde ich ganz, ganz spannend. Aber momentan zumindest gibt es diese Band nicht.

Sommer: Ich liebe Annas Stimme. Diese Liebe geht nie weg und ist etwas Schönes. Das Tolle am Älterwerden ist, dass man diese Vergangenheit auf einmal so umarmt. Alles ist möglich mit Rosenstolz, das Ende ist offen: Es kann ganz schnell etwas passieren, aber auch gar nichts.

Das Ende von „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ ist auch offen. Zwei Zeilen im letzten Song „Der Krieg ist aus“ verweisen unterschiedlich auf die Zukunft der bislang verfeindeten Familien von Romeo und Julia und auch auf die Gegenwart: das fatalistische „nach dem Krieg ist vor dem Krieg“ und das hoffnungsvollere „ein neuer Morgen, ein neuer Tag kommt“.

Sommer: Wir entlassen das Publikum tatsächlich mit dem Song und einem Fragezeichen. Ohne hier etwas von der Inszenierung zu verraten: Der letzte Song macht das ganze Stück noch mal anders, sodass man als Zuschauerin und Zuschauer am Ende wirklich im Heute sitzt im Wissen, dass sich seit jener Zeit nichts geändert hat. Natürlich liegen sich bei so einem Begräbnis alle im Arm. Dann hat man Tante Emma auch mal ganz gern. Und am nächsten Tag sagt man wieder, wie schlimm ihr Zwiebelkuchen geschmeckt hat. Und alles geht wieder von vorn los.

Im Kleinen wie im Großen – im letzten Song heißt es auch „irgendwann singt die Welt ihr letztes Lied“. Ist das 2023 Ihrer Meinung nach schon so weit?

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Plate: Ich versuche, Optimist zu sein. Aber ich habe tierische Angst. Ich glaube, so wie Millionen andere Leute auch. Ich habe wirklich tierische Angst.

Sommer: Es ist ja nicht nur der Ukraine-Krieg oder die Klimakrise. Dazu kommt, dass die ganzen Werte, für die wir in den Neunzigerjahren gekämpft hatten, von denen man dachte, sie würden uns nicht mehr weggenommen, an allen Ecken und Enden bröckeln. Ich muss mich derzeit oft zusammenreißen, um nicht in schlechte Laune zu verfallen, weil die Nachrichten gerade alle anstrengend sind. Allerdings bin ich als Atheist auch darauf aus, dieses eine Leben, das ich habe, zu genießen. Eigentlich ist Optimismus mein Leitfaden. Ich will meinen Optimismus behalten und weiter an das gute Ende glauben.

Bräuchte das Publikum unserer Zeit dann nicht besser Komödien als Tragödien?

Plate: Deshalb doch der allerletzte Satz mit dem „neuen Tag“. Es ist mit unserem Musical wie mit den Abba-Songs. Die waren nie depressiv, sondern melancholisch – und das ist ein Riesenunterschied. Keiner wird aus unserem Stück depressiv hinausgehen – allenfalls melancholisch und voller Wärme. Das ist unser Ziel.

Kreativduo seit mehr als 30 Jahren: Ulf Leo Sommer (links) und Peter Plate schrieben mit Rosenstolz deutsche Popgeschichte – jetzt bringen sie nach „Ku’damm 56“ (2021) schon ihr zweites Musical ins Berliner Stage-Theater des Westens. Am 19. März hat dort ihr „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ Premiere. Das zugehörige Album erscheint bereits am 10. März.

Kreativduo seit mehr als 30 Jahren: Ulf Leo Sommer (links) und Peter Plate schrieben mit Rosenstolz deutsche Popgeschichte – jetzt bringen sie nach „Ku’damm 56“ (2021) schon ihr zweites Musical ins Berliner Stage-Theater des Westens. Am 19. März hat dort ihr „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ Premiere. Das zugehörige Album erscheint bereits am 10. März.

Peter Plate (55) ist Sänger, Produzent und Komponist. Dem Genre Musical ist er schon seit seiner Jugend zugetan. 1991 traf er die Sängerin Andrea Rosenbaum alias Anna R. Unter dem Bandnamen Rosenstolz nahmen sie zwischen 1992 und 2012 ein Dutzend Alben auf. Seit nunmehr elf Jahren pausieren Rosenstolz, Plate schrieb mit Ulf Leo Sommer an Songs für andere Künstler (unter anderem Sarah Connor, Helene Fischer, Max Raabe und Barbara Schöneberger), Filmmusiken („Bibi & Tina“-Filme) und Musicals. Basierend auf der TV-Serie hatte das Musical „Ku’damm 56“ über eine Tanzschule in der geteilten Stadt in der Wirtschaftswunderzeit am 28. November 2021 im Berliner Stage-Theater des Westens Premiere. Dort wird am 19. März auch „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ uraufgeführt. Plate engagiert sich für den Kampf gegen Aids und für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen in Russland.

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Ulf Leo Sommer (52) ist Produzent und Komponist. Er traf Peter Plate 1990 in Braunschweig. Versuche der beiden, sich als Duo zu etablieren, scheiterten. Bei Rosenstolz hielt Sommer sich als Texter und Komponist im Hintergrund. Auch nach der verkündeten Pause der Band arbeiteten Sommer und Plate weiterhin als festes Team zusammen – für andere Künstlerinnen, Künstler und Bands, sowie an Filmmusiken und Musicals („Bibi & Tina – die große Show“, „Ku’damm 56“).

Das Album „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ (BMG) erscheint am 10. März.

Das Musical „Romeo und Julia – Liebe ist alles“ von Peter Plate und Ulf Leo Sommer hat am 19. März im Berliner Theater des Westens Premiere. In den Hauptrollen sind Yasmina Hempel (Julia), Paul Csitkovics (Romeo) und Nico Went (Mercutio) zu sehen. Hier geht es zur Website.



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