Die Geschichte eines Internet-Memes: „Sandstorm“ von Darude wird 20
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Der finnische DJ Darude bei einer Neunzigerjahreveranstaltung.
© Quelle: picture alliance / Photoshot
Helsinki. Die Neunzigerjahre haben viele Kulthits hervorgebracht. Aber kaum einer von ihnen kann auf eine solche Erfolgsgeschichte zurückblicken wie „Sandstorm“ von Darude. Der Danceklassiker des finnischen DJs und Produzenten hat nämlich gleich mehrere Generationen erreicht – und das völlig unabhängig voneinander.
Nach seinem Erfolg Ende der Neunzigerjahre legte der Instrumentalhit mit der markanten „Dödödö“-Melodie in den 2010er Jahren noch mal ein spektakuläres Comeback hin – und zwar als weltberühmtes Internet-Meme. Jetzt feiert der Klassiker sein 20-jähriges Veröffentlichungsjubiläum.
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Song vergammelte auf der Festplatte
Wann genau die Ursprungsidee zu „Sandstorm“ enstand, weiß Ville Virtanen alias Darude selbst nicht mehr so genau. Irgendwann 1997 oder 1998 muss das gewesen sein, erzählte er vor einigen Jahren mal dem Musikmagazin „New Music Express“. An die Entstehungsgeschichte allerdings erinnert sich Virtanen noch ganz genau.
Er habe einen Song von „Sash!“ gehört – ein deutsches Dancemusicprojekt von Sascha Lappenssen, das in den Neunzigerjahren große Erfolge mit Hits wie „Ecuador“ oder „Mysterious Times“ gefeiert hatte, vor allem in Großbritannien. Davon habe er sich inspirieren lassen und versucht, einen ganz bestimmten Sound in seinem eigenen Stil mithilfe eines Synthesizers umzusetzen. Besonders erfolgreich war das offenbar nicht: Die Demo von „Sandstorm“ blieb mehrere Jahre unangetastet auf der Festplatte des Produzenten liegen. Bis zum August 1999.
Da habe Virtanen den Song durch Zufall wieder auf meiner Festplatte gefunden. Und dann habe er etwas ausprobiert: „Ich habe den Lead-Sound verzerrt. Und plötzlich kam das raus, was heute alle als die markante ‚Sandstorm‘-Melodie kennen.“
Vom Club- zum Charthit
Später habe er den Track einem bekannten finnischen Produzenten gezeigt. Er war begeistert. Jaakko Salovaara alias JS16 half Darude bei der Produktion des fertigen „Sandstorm“-Songs – und zwar auf einem Atari-Computer mit Schwarzweißbildschirm und der Musiksoftware „Cubase“. Salovaara veröffentlichte „Sandstorm“ auf seinem eigenen Plattenplabel – zunächst als Testpressung. Etwa 200 Kopien wurden an finnische DJs verteilt.
Das war der Startschuss des Erfolges: „Sandstorm“ entwickelte sich Ende 1999 zu einem echten Clubhit – und Anfang 2000 zum Charthit in mehreren europäischen Ländern. Die deutsche Maxi-CD wurde etwa ein Jahr nach der Testpressung am 21. August 2000 bei Universal Music veröffentlicht. Da war der Song schon in vielen anderen Ländern ein Hit. Auf der CD klebt ein Sticker mit der Aufschrift „Europas Dancetrack des Jahres“.
In Deutschland erreichte „Sandstorm“ im Herbst 2000 Platz 6 der Singlecharts und blieb rund 17 Wochen in der Hitliste. In Darudes Heimatland Finnland blieb „Sandstorm“ 42 Wochen in den Singlecharts. In der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Schweden knackte der Song die Top Ten, in Norwegen sogar Platz 1.
„Sandstorm“ wird Running Gag im Netz
An dieser Stelle könnte die Geschichte von „Sandstorm“ eigentlich zu Ende sein. Die allermeisten Dancehits der Neunziger haben diese Zeit nicht nachhaltig überlebt. Bei „Sandstorm“ war das anders. Und das hat auch etwas mit der Gamingszene zu tun.
Es ist das Jahr 2013, als sich „Sandstorm“ plötzlich wie wild im Netz verbreitet. Ganze 14 Jahre nach seiner Veröffentlichung – und das auch außerhalb Europas, wo der Song bislang zum Teil völlig unbekannt war. Warum das so ist, dazu gibt es verschiedene Theorien. Die bekannteste geht so: Der bekannte Gamer Brian Wyllie alias „TheOddOne“ soll das Lied während eines Twitch-Streams im Hintergrund abgespielt haben. Nutzer fragten ihn daraufhin immer wieder in den Kommentaren nach dem Namen des Songs.
Daraus entwickelte sich laut der Plattform „Know your Meme“ schnell ein Running Gag: Wann immer Nutzer im Netz nach einem Songtitel fragten, posteten andere Scherzkekse „Darude – Sandstorm“ als Antwort. Der Witz ist vergleichbar mit dem „Rickroll“-Meme: Dabei führten Nutzer in Internetforen andere mit falschen Links immer wieder zum Musikvideo „Never Gonna Give You Up“ von Rick Astley.
„Plötzlich kamen Bookinganfragen aus aller Welt“
Der Hype erreichte seinen Höhepunkt, als sich YouTube selbst am 1. April einen Scherz mit seinen Nutzern erlaubte. Wer 2015 über die Suchleiste gezielt nach Titeln suchte, bekam immer auch den Vorschlag „Meintest du: Darude – Sandstorm?“.
Der Gag führte dazu, dass sich die Klicks auf das Musikvideo von „Sandstorm“ innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelten. Heute hat das Video auf Youtube satte 165 Millionen Aufrufe.
Virtanen ist sich durchaus bewusst, dass der erneute Erfolg seines Songs vor allem dadurch begründet ist, dass sich Leute über seinen Neunzigerjahrehit lustig machten. „Aber das interessiert mich nicht“, sagte Virtanen vor einigen Jahren dem Magazin „Vice“. „Es ist 2016 und die Leute sprechen immer noch über meinen Track.“ Genau das habe er auch für sich genutzt: „Nach dem Netzhype bekam ich plötzlich Bookinganfragen aus aller Welt.“
Ville Virtanen macht bis heute Musik. Auch seinem Künstlernamen Darude ist er treu geblieben. Erst im Mai trat er zusammen mit Sänger Sebastian Rejmann beim ESC für sein Heimatland Finnland an, schied jedoch im Halbfinale aus.