Geständnisse in schwindelerregender Höhe
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/UD2VZGQGCPWYQ6XMJPV6EUM36U.jpg)
Zu denen da drinnen werden wir nie gehören: Isaac (Gregor Schleuning) und Benjamin (Marius Ahrendt).
© Quelle: Winarsch
Göttingen. Die israelische Autorin Yasur hat mit ihrem Stück "In der Schwebe" (Diamond Stars) 2010 den ersten Preis beim Dramatikerwettbewerb des International Theatre Institute und der Unesco gewonnen. Die Inszenierung von Weiss am DT ist die deutsche Erstaufführung (Deutscher Text von Kristina Wydra und Jennifer Whigham).
Im Zentrum des DT-Kellers steht ein Quader aus schmalen Stahlstreben, eingeteilt in viele kleine Quadrate simulieren sie Häuserwände. Ein kleines Radio baumelt in einer Ecke, ein Wassereimer aus Zink an einer anderen Wand. Innerhalb dieser vier Wände spielt sich das Drama zwischen Isaac (Gregor Schleuning) und Benjamin (Marius Ahrendt) ab.
Gespräche über die Heimat
Isaac ist vor vier Jahren aus einem Bürgerkriegsland geflohen, inzwischen hat er sich eine kleine Firma aufgebaut. Er reinigt die Fenster an Hochhäusern. Seine neue Aushilfe ist überraschenderweise ein Freund aus der Heimat – Benjamin. Gemeinsam putzen sie die Fenster des Bürohauses, schauen hinein in die Räume.
Ganz harmlos beginnen ihre Gespräche. Dass dem klugen Benjamin sein Mathestudium hier in dem neuen demokratischen Land nicht viel nutzen wird, sagt Isaac. „Zu denen da drinnen werden wir nie gehören!“ Über die Heimat möchte Isaac nicht reden, auch nicht über sein Gespräch mit dem Beamten, der über seinen Status als Flüchtling entscheiden musste. Benjamin aber fängt immer wieder mit diesen Themen an. Bald wird klar, warum.
Das Treffen der beiden hier hoch oben an der Hauswand ist alles andere als ein Zufall. Benjamin hat nach Isaac gesucht, nach seinem Freund aus Kindertagen, der sich im Bürgerkrieg den Rebellen angeschlossen hat. Er will wissen, was damals in einer Nacht im Nebel vor vier Jahren wirklich passiert ist. Warum seine Schwester seit dieser Nacht nicht mehr spricht.
Ohne Schuld
Als ihm Isaac schließlich nicht mehr ausweichen kann, erzählt er seine Geschichte und die Geschichte dieser Nacht. Und die zeigt zum einen, wie Kategorien wie gut und böse verschwimmen können. Wie schwer es ist, im Bürgerkrieg aufrecht, ohne Schuld durchzukommen. So ganz anders als sich das Menschen vorstellen, die fern solcher Geschehen seit Jahrzehnten im Frieden leben. Eine falsche Entscheidung und ein fataler Mechanismus kommt in Gang. Aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Isaac hat es versucht.
Seine Geschichte dieser Nacht macht zum anderen deutlich, wie sexuelle Gewalt gegen Frauen zur Kriegswaffe gemacht wird. Wie nicht nur die Frauen erniedrigt werden, sondern auch die Männer, die ihre Frauen nicht beschützen können. Und wie in kämpfenden Gruppen Vergewaltigungen zur Festigung des Männlichkeitsbildes benutzt werden.
Mit großer Eindringlichkeit
Schleuning und Ahrendt spielen dieses Zwei-Personenstück mit großer Eindringlichkeit, überzeugend lassen sie ihre Figuren schwanken zwischen Wut, Unsicherheit, Verzweiflung, Trauer und einem Rest Hoffnung. Weiss Inszenierung ist dicht und präzise. 80 intensive Minuten, die den Theaterbesuch lohnen.
Weitere Vorstellungen
Nächste Vorstellungen: Freitag, 2. November, und Mittwoch, 14. November, jeweils um 20 Uhr. Karten unter der Telefonnummer 0551 / 4969300 oder unter theaterkasse@dt-goettingen.de
Von Christiane Böhm
GT/ET