Händel-Festspiele: Chorkonzert in Duderstadt
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Glanzvolles Debüt: Coro e Orchestra Ghislieri in der Basilika St. Cyriakus in Duderstadt.
© Quelle: Schäfer
Duderstadt. Besuch aus Italien: Am Sonnabend haben Coro e Orchestra Ghislieri in der ausverkauften Duderstädter Basilika St. Cyriakus Begeisterungsstürme ausgelöst. Geistliche Musik von Niccolò Jommelli und Georg Friedrich Händel stand auf dem Programm.
Antonio Michele Ghislieri ist der Geburtsname von Papst Pius V., der 1567 in Pavia ein Studenteninternat einrichtete, das Collegio Ghislieri. Dort sind bis heute Studierende der Universität Pavia untergebracht, einer der ältesten Universitäten Europas. Zugleich ist dieses Collegio für seine kulturellen Aktivitäten bekannt. 2003 gründete dort der Dirigent Giulio Prandi Coro e Orchestra Ghislieri, ein hoch qualifiziertes Ensemble für Alte Musik, spezialisiert auf das geistliche Repertoire des 18. Jahrhunderts. Sein Auftritt bei den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen 2019 war ein Triumph.
Koloraturen auf den Vokal „o“
Dabei hatte das Eröffnungswerk, die Psalmvertonung „Beatus vir“ von Niccolò Jommeli, nicht unbedingt das Zeug, die Zuhörer mitzureißen. Der Komponist, eine Generation jünger als Händel, möchte gern mit artifiziellem Zierrat beeindrucken. Da kann es schon mal geschehen, dass der Chor vier Zeilen lang Koloraturen auf den Vokal „o“ singt – und man am Ende kaum noch weiß, zu welchem Wort dieser Vokal eigentlich gehörte. Zwar konnte der 22-köpfige Chor seine vokale Perfektion staunenswert demonstrieren, ebenso die Solosopranistin Rachel Redmond mit ihren federleichten Höhen und die Instrumentalisten mit ihrer außergewöhnlich expressiven dynamischen Differenzierung, die bis in ein fast nicht mehr hörbares Pianissimo reicht. Doch mit dieser eher manierierten Musik konnte man nicht so recht warm werden.
Das änderte sich schlagartig mit der Musik Händels. Schon in der solistisch besetzten Marien-Hymne „Salve Regina“ war die enge Korrespondenz zwischen Text und Musik überwältigend, die Größe und Tiefe des Ausdrucks bezwingend, woran Paola Valentina Molinari mit ihrem wunderbar klar konturierten, substanzreichen Sopran einen großen Anteil hatte, aber ebenso auch die virtuosen Instrumentalisten mit ihrem flexiblen, nuancenreichen Spiel.
Händel zum krönenden Abschluss
Krönender Abschluss des Abends war Händels Psalmvertonung „Dixit dominus“. Hier entfaltete sich ein unglaublich dynamischer Chorklang. Mit diesen 22 Stimmen lässt sich ein majestätisch strahlendes Fortissimo ebenso darstellen wie ein hauchzartes Pianissimo. Das Zerschmettern der Heiden hat Händel geradezu furchterregend musikalisch ausgemalt. Auch wenn sich Dirigent Giulio Prandi mit dem Tempo des finalen Jubels im „Gloria Patri“ bis an die Grenzen des stimmlich Machbaren heranwagte, blieb der polyfone Wirbel der Vokalisten doch stets rasiermesserscharf präzise.
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Die Solopartien hatte Prandi mit ausgewählten Choristen besetzt. Unter ihnen bewältigen die beiden Sopranistinnen Caterina Iora und Marta Redaelli ihre besonders umfangreichen Aufgaben glänzend, in einer Arie bezauberte Marta Fumagalli mit ihrem vollen, weichen Alt.
Spannendes Stück
Am Ende gab es Standing Ovations und Bravorufe. Und eine Zugabe: den Beginn des „Dixit Dominus“ in der Vertonung des Opera-buffa-Spezialisten Baldassare Galuppi, ebenfalls ein ausgesprochen spannendes Stück. Wer das Konzert verpasst hat, kann im Internet bei Youtube eine Aufnahme von Händels „Dixit Dominus“ mit Coro e Orchestra Ghislieri finden. Die neun Sätze sind einzeln gespeichert, die Sucheingabe Ghislieri HWV 232 führt schnell zum Ziel.
Von Michael Schäfer