61. Gandersheimer Domfestspiele eröffnet

Ovationen für die Dietrich und die Piaf vor dem Dom

„Spatz und Engel“: Miriam Schwan und Sylvia Heckendorn spielen die Dietrich und die Piaf

„Spatz und Engel“: Miriam Schwan und Sylvia Heckendorn spielen die Dietrich und die Piaf

Bad Gandersheim. Mit dem musikalischen Theaterstück "Spatz und Engel" sind am Freitag die 61. Gandersheimer Domfestspiele offiziell eröffnet worden. Am Ende gab es auf der nahezu ausverkauften Zuschauertribüne Standing Ovations.

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Es geht um zwei Gesangsstars des 20. Jahrhunderts, um Marlene Dietrich und Edith Piaf. Die beiden ungleichen Künstlerinnen waren jahrzehntelang miteinander befreundet. Stückautor Thomas Kahry hat zusammen mit dem Schauspieler und Autor Daniel Große Boymann über diese Beziehung viel recherchiert, hat Zeitzeugen befragt und die anrührende Geschichte dieser Freundschaft zu einem Theaterstück mit Musik gemacht: „Spatz und Engel“.

Musik und Theater, aber kein Musiktheater

Nicht zu einem Musical: Es ist kein lautes Stück. Zwei Musiker begleiten die Sängerinnen in Gandersheim, der musikalische Leiter Ferdinand von Seebach am E-Piano, das in eine Flügel-Attrappe eingebaut ist, und sein Kollege Vassily Dück am Akkordeon. Die beiden machen ausgesprochen kultiviert Musik, einfühlsam, passen sich sensibel den Linien der Sängerinnen an.

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1942 geht Edith Piaf erstmals in den USA auf Tournee, nachdem sie in Europa schon etliche Erfolge gefeiert hat. Doch die Amerikaner verstehen nicht, was die Piaf singt. Sie ist verzweifelt, schließt sich auf einer Toilette ein und heult. Trost kommt aus dem Nachbar-WC: „Wissen Sie nicht, dass das amerikanische Publikum zu 50 Prozent aus Kindern besteht? Den restlichen 50 Prozent wurde das Gehirn von diesen abscheulichen Klimaanlagen vereist.“

Damit setzt das Stück ein, Spatz Edith Piaf und Engel Marlene Dietrich lernen sich kennen und lieben. Edith: klein, dunkelhaarig, etwas gebeugt, schmuddelig, gern ein bisschen ordinär, sie schneuzt sich nicht, sondern zieht hoch, schnarcht, trinkt gern zu viel, macht aus ihren Gefühlen nie einen Hehl. Marlene: hochgewachsen, die blonden Locken immer perfekt onduliert, hochelegant, eine Schönheit, beherrscht, zurückhaltend, vernünftig, eine Dame. Das scheint nicht zusammenzupassen, kann aber die Zuneigung der beiden Frauen zueinander nicht trüben.

Die Freundschaft muss manche Anfechtung aushalten, ja, es kommt sogar zum Bruch: In Las Vegas sagt sich Marlene von Edith los, nachdem diese ihr volltrunken ein paar ausgesprochen unangenehme Wahrheiten gesagt hat. Doch als es Anfang der 1960er-Jahre mit der Piaf zu Ende geht, kehrt die Dietrich zu ihr zurück. „Marlene, vergiss nie, dass ich dich liebe“, hatte ihr die Piaf zu Beginn ihrer Beziehung auf einen rosa Zettel geschrieben.

Alle Stimmfarben der Piaf

Selbstverständlich wird hier nicht nur die Geschichte einer Freundschaft mit all ihren Höhen und Tiefen erzählt, mal fröhlich, mal traurig, manchmal auch mit einer (angenehmen) Portion Sentimentalität, sondern vor allem viel gesungen. Das Stück steht und fällt mit der Qualität der Sängerinnen. Was Sylvia Heckendorn als Edith Piaf in dieser Hinsicht leistet, ist schlichtweg großartig. Sie kennt alle Stimmfarben der Piaf, ihre Mimik und Gestik, gibt ihrer Stimme – eigentlich ist sie ausgebildete Sopranistin, singt hier aber ausschließlich mit Bruststimme – genau jenen Hochdruck, für den die Piaf berühmt ist, rollt natürlich auch das R prononciert im Rachen. Es ist ein Genuss, von Sylvia Heckendorn „Padam, padam“ zu hören, „La vie en rose“, „Milord“ oder „Je ne regrette rien“, um nur die populärsten Titel zu nennen. Allein dafür lohnt die Fahrt nach Bad Gandersheim.

Nicht minder musikalisch ist Miriam Schwan in der Rolle der Dietrich. Sie singt schön, wirkt freilich neben Heckendorn immer ein wenig blass, was man ihr angesichts der musikalischen und schauspielerischen Dominanz der Kollegin nicht übelnehmen mag. Regisseurin Sandra Wissmann sorgt für glatte Abläufe, für das richtige Timing, für den auflockernden Einsatz der drei fröhlichen Komparsen. Ausstatterin Britta Tönne hat bei den Kostümen genau auf historische Treue geachtet. Die imposante, in der untergehenden Sonne warm gelb leuchtende Kulisse der Stiftskirche hat freilich überhaupt nichts mit „Spatz und Engel“ zu tun, aber das ist rasch vergessen. Der Premierenbeifall wollte kaum ein Ende nehmen.

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Weitere Termine und Tickets

23. und 29. Juni, 10., 14., 18., 20. und 28. Juli, 2. und 7. August um 20 Uhr, 7. und 27. Juli, 4. und 10. August um 15 Uhr. Karten online unter domfestspiele-gandersheim.de, Kartentelefon 05382/73777.

Von Michael Schäfer

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