„Keine Macht für niemand“

Ton Steine Scherben in der Zentralmensa in Göttingen

Die Ur-Scherben Kai Sichtermann (Bassist seit 1970) und Funky K. Götzner (Schlagzeuger seit 1974, jetzt Cajón) mit Sänger Gymmick.

Die Ur-Scherben Kai Sichtermann (Bassist seit 1970) und Funky K. Götzner (Schlagzeuger seit 1974, jetzt Cajón) mit Sänger Gymmick.

Göttingen. Die Slogans der Scherben, die einst Rio Reiser in die Welt schrie, funktionieren immer noch. Auch wenn sie in der Göttinger Zentralmensa nicht vom Scherben-Frontmann, sondern Nürnberger Liedermacher Gymmick kommen.

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Erinnerungen an die 80er machen die Runde

„Keine Macht für niemand“, „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Wir sind geboren, um frei zu sein. Wir sind zwei von Millionen, wir sind nicht allein“ aus „Wir müssen hier raus“ oder „Das ist unser Haus“ aus dem „Rausch-Haus-Song“ – das Publikum ist textsicher. Ein Großteil unter ihnen wird die Songs bereits in den 70ern und 80ern begierig aufgesogen haben. Sie haben es sich in den Stuhlreihen bequem gemacht, singen leise mit, schunkeln. Erinnerungen an ein Ton-Steine-Scherben-Konzert in der damals zu Beginn der 80er-Jahre ungenutzten Göttinger Lokhalle machen die Runde.

Die Ur-Scherben Kai Sichtermann (Bassist seit 1970) und Funky K

Die Ur-Scherben Kai Sichtermann (Bassist seit 1970) und Funky K. Götzner (Schlagzeuger seit 1974, jetzt Cajón) mit Sänger Gymmick.

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Greatest-Hits-Show mit bitterem Unterton

Studenten von heute sind im Publikum. Schüler, die stolz ihr „Keine macht für niemand“-T-Shirt präsentieren und zwischen Bühne und Stuhlreihen tanzen.

Ist der erste Teil des Konzertes eher verhalten, ist es vor allem die zweite Hälfte, die zur Greatest-Hits-Show wird. Mit bitterem Unterton.

„Menschenfressermenschen heißen Erdogan und Trump“

„Viele Scherben-Songs sind zeitlos“, sagt Gymmick. „Leider“, schiebt er nach. „Die Situation ist blöd.“ Das Trio spielt den Reiser-Song, der von „alternativen Fakten“ handelt: „Alles Lüge.“ Den nachfolgenden Song „Menschenfresser“ ergänzt Gymmick um die Textzeile „Menschenfressermenschen heißen Erdogan und Trump“.

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Vor knapp 50 Jahren textete Reiser in „Mein Name ist Mensch“: „Ich habe viele Väter. Ich habe viele Mütter, und ich habe viele Schwestern, und ich habe viele Brüder. Meine Väter sind schwarz und meine Mütter sind gelb und meine Brüder sind rot und meine Schwestern sind hell. Ich bin über zehntausend Jahre alt, und mein Name ist Mensch!“ 2019, vor dem Hintergrund von wieder erstarkendem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, in der Einfachheit seiner Botschaft wichtiger denn je.

Von der Garage in die Charts

Das Trio, das sich 2014 zusammengefunden hat, spielt sich durch die Scherben-Geschichte: von "Macht kaputt, was Euch kaputt macht", die Jugendzentrum-Evergreens wie "Keine Macht für niemand", "Die letzte Schlacht gewinnen wir", die Hausbesetzter-Hymne "Rauch Haus Song" und "Der Traum ist aus" bis hin zu "Lass uns ein Wunder sein" oder dem "König von Deutschland" von Rio Reiser. Vom Garagenrock der frühen Jahre Anfang der 70er Jahre bis hin zu den Balladen und den großen poppigen Chart-Erfolgen Reisers reicht die Bandbreite. Von den anarchistischen Texten der Frühphase bis zu den Zuversicht und Optimismus in schwerer Zeit ausstrahlenden und mutmachenden Songs der späteren Bandphase.

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Sparsame Besetzung

Dass die Songs dabei nicht die Wucht, den Groove und die Rotzigkeit des Originals heranreichen, ist der sparsamen halbakustischen Besetzung geschuldet. Funky K. Götzner, Scherben-Schlagzeuger seit 1974 spielt Kistentrommel (Cajón), Scherben-Gründungsmitglied Kai Sichtermann spielt E-Bass. Gymmick schrabbelt mit Energie auf seiner Akustik-Gitarre und wechselt ab und an ans Keyboard. Gesanglich schafft er es, mit seiner Rio-Interpretation nicht nur einmal wunderbar nah an dasVorbild Rio Reiser zu kommen. Bei der Scherben-Rhythmusgruppe blitzt immer wieder durch, warum sich etwa „Die Sterne“ auf ihren frühen LPs an Ton Steine Scherben orientiert haben.

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Bye, bye

Das gut zweistündige, begeisternde Konzert, das der Verein Kreuzberg on Kultour gemeinsam mit dem Kulturbüro des Studentenwerkes veranstaltet hat, endet nach 26 Songs wie es enden muss: "Junimond". Mit "Es ist vorbei, bye, bye Junimond. Es ist vorbei. Es ist vorbei, bye, bye" entlässt das Trio das Publikum in die laue Frühlingsnacht. Lauthals singt es mit.

Von Michael Brakemeier

GT/ET

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