Gigantismus in Göttingen

Was erwartet Zuschauer bei der Faust-II-Inszenierung auf dem Campus?

Professor, Sänger und bald auch Schauspieler: Sascha Münnich sucht nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Professor, Sänger und bald auch Schauspieler: Sascha Münnich sucht nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Göttingen. Wer das Goethe-Stück „Faust, der Tragödie zweiter Teil“ verstehen will, muss unglaublich viel wissen. Denn wer kennt schon Anachoreten? Ist vertraut mit dem Höllenglauben der Protestanten? Oder weiß im Detail, wie ein Staatswesen funktioniert und wie es durch Geld stabilisiert oder destabilisiert werden kann? Aber warum zurückschrecken vor dieser Herausforderung: Es gibt doch schließlich die Universität Göttingen und gleich um die Ecke das Deutsche Theater. Diese Symbiose ist der Garant für den Durchbruch in das Innere dieser Tragödie, die mit einer Staatspleite beginnt, weil der Kaiser alles Geld ausgegeben hat.

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So okkult wie das Stück für viele erscheinen mag ist auch die Ankündigung für seine Inszenierung auf dem Göttinger Campus. Und soll es sein. Und muss es sein. Etwas Nebulöses hängt darüber und kann sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht lösen. Denn Theater ist auch Dramaturgie, ist Erstaunen, ist Wendung hin zum nicht Erwarteten. Wer sich das Stück ansieht, das am Donnerstag, 25. April, Premiere hat, wird die ein oder andere Überraschung erleben. Die Dinge sind nicht ganz so, wie sie zuerst scheinen. Das wiederum ist durchaus goethisch: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird’s Ereignis“.

Inszenierung im größten Hörsaal der Uni

Er ist da

Er ist da. Keine Sorge. Mephisto. Gespielt von Nikolaus Kühn.

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Doch einiges kann schon jetzt unverklärt gesagt werden: Wer die Inszenierung besucht, wird sich im größten Hörsaal der Göttinger Georg-August-Universität, nämlich im Zentralen Hörsaalgebäude, wiederfinden. Die Leere des Raumes wird auch das Publikum nicht ausfüllen können, dafür ist gesorgt. Alles hat etwas mit Gigantismus zu tun. Es soll schließlich eine der größten Faust-II-Vorstellungen aller Zeiten werden. Das dabei etwas schief läuft, etwas platzt wie eine Spekulationsblase, ist vielleicht schon zuviel verraten. Aber so wird das Szenario angeschoben. Dafür wollen Dr. Faust (gespielt von dem echten Göttinger Professor für Soziologie Sascha Münnich) und Mephisto (gespielt von dem echten Schauspieler des Deutschen Theaters Nikolaus Kühn) sorgen.

Der Titel der Aufführung lautet „Science and Fiction (Faust II)“. Faust und Mephisto beleuchten die Kapitalismuskritik, künstliche Intelligenz, die globale Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen, die Theorie vom endlosen Wachstum, Werte und Werteverlust. Nein, eine Operette werde es nicht, verdeutlicht Sascha Münnich im Gespräch mit dem Tageblatt. „Aber es wird auch keine wissenschaftliche Vorlesung“, beruhigt er. Sein interessanter Ansatz: „Die Finanzkrise ist jetzt zehn Jahre her. Mit dem Faust II lässt sich dieses Problem sehr gut begreifen.“

Zwei Verständnisdurchbrüche auf einmal

Wer also den Faust II und die Turbulenzen der Geldwirtschaft mit einem Schlag verstehen lernen möchte, ist bei dem Stück an der richtigen Adresse. Die Faust-Lektüre erleichtert das Verstehen der Finanzkrise – und umgekehrt. Das Skript stammt von Münnich und Jan Philipp Stange, der Regie führt. Die Proben laufen seit Mitte März, angeleitet auch von Jakob Engel und Jascha Fendel. Münnich, der als Sänger überregional bekannt ist, setzt sich mit dem Stück erstmalig als Schauspieler in Szene.

Weitere Aufführungen sind am 3., 4., 5., 8. 24., 25. und 26. Mai, jeweils ab 20 Uhr. Weitere Infos und Tickets gibt es online. Karten gibt es auch an allen bekannten Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse.

Von Ulrich Meinhard

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