Abschluss der DDR-Triologie

Albern geht die DDR zugrunde: Leander Haußmanns Kinofilm „Stasikomödie“

Henry Hübchen (Stasi-Oberstleutnant Siemens, l.) und David Kross (Ludger Fuchs) in Leander Haußmanns Film „Stasikomödie".

Dienstgespräch: Stasi-Oberstleutnant Siemens (Henry Hübchen, links) und Ludger Fuchs (David Kross) in Leander Haußmanns Film „Stasikomödie“.

Die alternative Künstlerszene am Prenzlauer Berg muss der DDR-Führung schwer zugesetzt haben: Punks, Freaks und Andersdenkende waren hier in einer Parallelwelt abgetaucht und fühlten sich pudelwohl. Man verstand sich als widerständig und solidarisch. Der offizielle Staatssozialismus fand dem eigenen Empfinden nach wohl auf einem anderen Planeten statt.

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Allerdings: Wer an diese Bohème-Welt in zerbröckelnden, düsteren, aber von Kerzenflackern erleuchteten Wohnungen denkt, dem kommt unweigerlich auch der Prenzlauer-Berg-Bewohner Sascha Anderson in den Sinn. Anderson begriff sich nicht nur als Musensohn, er stand auch in Diensten der Staatssicherheit. Nach seiner Übersiedlung in den Westen 1986 wurde er erst hofiert und auch gepriesen, dann Anfang der Neunzigerjahre von Wolf Biermann als IM und „Sascha Arschloch“ enttarnt.

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Nun läuft ein fiktiver Musensohn namens Ludger durch den Prenzlauer Berg, in jungen Jahren gespielt von David Kross und in älteren lange nach der Wende von Jörg Schüttauf. Der ältere Ludger trägt eine Tüte in der Hand. Darin befindet sich seine Stasi-Akte, seine Opferakte wohlgemerkt. Es gab auch eine Täterakte. Diese zweite Akte hat er aber längst vernichtet.

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Beim Film-Ludger verlief der Weg offenkundig umgekehrt als bei Sascha Anderson: Ludger wurde in den Achtzigern als hauptamtlicher Stasi-Spitzel in die oppositionelle Szene eingeschleust und entwickelte sich dann zum Dichter, der seinen Auftrag sträflich vernachlässigte. Seine Berichte an die Stasi würden sich wie Poesie lesen, bemerkt hier der verblüffte Stasi-Minister Erich Mielke (Bernd Stegemann) höchstpersönlich, dem wir bei einem Kostümfest putzig verkleidet als August dem Starken begegnen.

Tragödie? Aber nicht doch

Was für eine Tragödie könnte in diesem Stoff liegen. Aber die interessiert Leander Haußmann in seinem Kinofilm „Stasikomödie“ keinen Deut, wie schon der Filmtitel eindeutig vermerkt. Hier wird niemand ans Messer der Staatsmacht geliefert wie in Florian Henckel von Donnersmarcks immer noch stilprägendem Stasi-Film und Oscarsieger „Das Leben der Anderen“ (2006). Hier werden weder Freundschaften noch Ehen durch gegenseitiges Misstrauen zerrieben. Hier geht es eher um Privates, um die Liebe und die notwendigerweise damit verbundenen Enttäuschungen.

Das muss akzeptieren, wer im Kino Freude an dieser abgedrehten „Stasikomödie“ haben will, die zwischendurch eher als Farce daherkommt. Überraschend ist diese filmische Interpretation aber nicht.

Für Regisseur Haußmann handelt es sich nach „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2005) um den Abschluss seiner DDR-Trilogie. Haußmann, geboren 1959 im ostdeutschen Quedlinburg und wie auch sein Schauspielervater Ezard einst selbst bespitzelt, betreibt Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit komischen Mitteln. Seine Filme sind immer auch ostalgisch wirkende Märchenstunden.

Tierliebe Stasi

Als hätten sie ein Märchenbuch vor sich, gruppiert sich denn auch Ludgers Familie um Akte und Wohnzimmertisch und blättert in dem Konvolut. Ein blasser Fachhistoriker (gespielt von Tom Schilling) sitzt dabei, um die Akte einer Stiftung und somit der Zeitgeschichte zuzuführen. Ludger ist schließlich ein berühmter Schriftsteller.

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Die Lektüre lässt sich possierlich an: Sogar Ludgers Katze haben die Spitzel fotografiert („Da waren wohl viele Tierfreunde in der Stasi“). Sie haben seine Wohnung vermessen und einen maßstabsgerechten Plan gezeichnet. Und sie haben Ludger, wie auch immer, beim Sex mit Gattin Corinna (Margarita Broich) fotografiert.

Doch dann findet sich ein handgeschriebener und zerrissener Brief in der Akte, von eifrigen Stasi-Männern in Feinarbeit wieder zusammengeklebt. Darin gesteht eine Frau Ludger ihre Liebe. Leider heißt sie Natalie (Deleila Piasko) und nicht Corinna. Und nun taucht Ludger ab in seine Vergangenheit, in der irgendwann auch Poppoet Allen Ginsberg auf der Gitarre klimpert und Detlev Buck als überambitionierter Verkehrspolizist Dienst tut.

Es finden sich absurd-komische Szenen, eine der schönsten gleich zu Beginn: Da wird Ludgers Staats- und Ordnungstreue zwecks Rekrutierungsabsicht von der Stasi überprüft. Minutenlang verharrt Ludger vor einer manipulierten roten Ampel an einer menschenleeren Kreuzung, bis der kettenrauchende Oberstleutnant Siemens (Henry Hübchen) ihn in seiner verqualmten Kommandozentrale erlöst und die Ampel auf Grün schaltet.

Diesen Stasi-Offizier gibt Henry Hübchen als echte Knallcharge mit Überbiss, so wie hier fast alle schnell mal in Richtung Kasperletheater abdriften. Albern geht diese DDR zugrunde. Ähnlichkeiten mit dem furchteinflößenden Verfolgerstaat sind kaum zu erkennen.

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Witz entfaltet die Geschichte aber schon. Und dass die Poesie jemanden zum besseren Menschen macht, lässt die Geschichte von Sascha Anderson nur umso bitterer erscheinen.

„Stasikomödie“, Regie: Leander Haußmann, mit David Kross, Jörg Schüttauf, Deleila Piasko, Margarita Broich, Henry Hübchen, 116 Minuten, FSK 12

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