Kolumne „Auf der Couch“

„Tatsächlich … Liebe“: Darf ich das noch gucken?

Manche Serien sind zwar schlecht gealtert, das Schauen macht aber immer noch Spaß.

Manche Serien sind zwar schlecht gealtert, das Schauen macht aber immer noch Spaß.

Na, haben Sie Weihnachten wieder gesehen, wie Hugh Grant als Premierminister durch das Haus in der Downing Street Nr. 10 tanzt – und haben sie dabei auch direkt „Jump (For My Love)“ der Pointer Sisters im Ohr gehabt? Ach, was für ein schöner und romantischer Weihnachtsfilm, oder? Wenn man genauer hinguckt, ist er leider nicht gut gealtert. Den Bechdel-Wallace-Test besteht er jedenfalls nur knapp.

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Dieser Test fragt danach, ob ein Film oder eine Serie mindestens zwei weibliche Charaktere zeigt, die einen Namen haben und miteinander sprechen – über etwas anderes als einen Mann. Klingt simpel? Dann gehen Sie Ihre Lieblingsfilme und ‑serien mal durch. Vor allem ältere Werke dürften durchfallen.

Alte Rollenklischees auch weiterhin omnipräsent

Es gibt zahlreiche weitere Tests in der Medienwissenschaft, die verschiedene Diversitätsebenen in Film, Fernsehen und Literatur analysieren. Der Kent-Test beispielsweise beschäftigt sich mit der Darstellung und Repräsentation von weiblichen People of Color. Der Disrep-Test, auch Tyrion-Test (nach der Rolle von Peter Dinklage in „Game of Thrones“) zeigt die Repräsentation von Menschen mit Behinderungen. Der Vito-Russo-Test wiederum prüft die Darstellung von homosexuellen und queeren Charakteren.

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Wir wollen doch eigentlich nur gemütlich alte Lieblingsfilme schauen. Was ist falsch an „Tatsächlich … Liebe“? Der Film besteht gerade so den Bechdel-Wallace-Test, also die Frage nach den zwei weiblichen Charakteren, die miteinander über etwas anderes als einen Mann sprechen. Warum? Weil zu Beginn des Films Tochter Daisy mit ihrer Mutter über ihre Rolle als Hummer im Weihnachtsstück diskutiert. Das war‘s dann aber auch fast schon wieder. Fast alle dargestellten Frauen in „Tatsächlich … Liebe“ existieren als begehrenswerte Objekte der männlichen Protagonisten. Überdeutlich soll uns im Film außerdem klar gemacht werden, dass Natalie, die für den Premierminister arbeitet und sich in ihn verliebt, wirklich dick sei. Sie muss sich reihenweise Sprüche zu ihrer Figur anhören.

„Comfort Watching“ in Krisenzeiten

Mal abgesehen davon, dass Fat Shaming nie angebracht ist, hat besagte Natalie fast Modelmaße. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum sie sich überhaupt ansatzweise Gedanken über ihre Figur machen sollte. Neben überzogenen Schönheitsidealen, transportiert der Film auch noch jede Menge Sexismus. Darf man, sollte man diese Komödie, die mittlerweile ein Klassiker ist, jetzt nicht mehr gucken?

Doch, klar. Sie dürfen alles gucken. Ich schaue auch jedes Jahr „Gilmore Girls“ und „Sex and the City“, obwohl die Motivation in beiden Serien nur daraus besteht, den Mann fürs Leben zu finden. Und die Dialoge heute – ach, sprechen wir nicht darüber. Trotzdem lullen uns diese Geschichten ein, sie geben uns ein warmes Gefühl.

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„Comfort Watching“ heißt das – gerade in unsicheren Zeiten wollen wir Wohlfühlfernsehen oder ‑kino genießen. Aber vielleicht schauen Sie das nächste Mal ein bisschen genauer hin. Oder Sie trauen sich zum neuen Jahr mal an aktuelle Stoffe: Serien und Filme, die warmherzig und romantisch sind, aber dennoch mit Charakteren aufwarten, die divers sind und Dialoge beinhalten, in denen es nicht nur um heterosexuelle Beziehungen geht, sind keine Mangelware mehr.

Ninia LaGrande ist Autorin, Moderatorin und Schauspielerin. Sie sitzt im Gleichstellungsbeirat der deutschen G7-Präsidentschaft.

In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten zu den Themen Partnerschaft, Diversität, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.

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