Ein Frühstück mit Geschichte: So wird Birchermüsli zubereitet
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Schmeckte schon Thomas Mann: Birchermüsli.
© Quelle: imago images/agcreations
Das sogenannte interkontinentale Frühstück in Hotels hat in der Regel auch immer jenen etwas zu bieten, die Marmeladenbrötchen, Omelett, Speck und Eier morgens eher verschmähen: Das Birchermüsli ist quasi der nahrhafte und energiegeladene Wachmacher für alle, denen ein prall bestücktes Büfett zu viel für einen ruhigen und gesunden Start in den Tag ist. Dabei wurde die Schweizer Spezialität lange Zeit gar nicht morgens verzehrt, sondern war ein typisches „Znacht“, wie die Eidgenossinnen und Eidgenossen ihr Abendbrot auch nennen.
Für die Herstellung braucht man nur fünf Zutaten: geraspelte Äpfel, in Wasser eingeweichte Haferflocken, Nüsse, Milch und Zitronensaft. Entwickelt hat das „Müesli“, wie es in der Schweiz heißt, der Aargauer Arzt und Ernährungsreformer Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867–1939). Er servierte es ab 1902 in seinem Sanatorium „Lebendige Kraft“ am Zürichberg seinen Patientinnen und Patienten, darunter Berühmtheiten wie Thomas Mann oder Hermann Hesse. Bircher-Benner war ein erklärter Rohkostfan und fest davon überzeugt, dass gekochte Lebensmittel ungesund für den menschlichen Körper seien.
Birchermüsli bei „störiger Verdauung“
Dem Mythos nach soll der Mediziner auf einer Bergwanderung in den Alpen zu der Mahlzeit, die später seinen Namen tragen sollte, inspiriert worden sein: Eine Sennerin servierte ihm abends einen Brei aus Getreide, Milch und Nüssen, wie ihn die Hirten schon seit vielen Jahren zu sich nahmen. Zurück im Sanatorium addierte der Rohkostpionier – damals galt Fleisch bei der Ernährung als wichtigster Energielieferant und nicht etwa Obst oder Gemüse, weil sie angeblich zu wenig Nährwerte lieferten – einen frisch geriebenen Apfel, um das Ganze mit ordentlich Vitaminen anzureichern.
Die Apfeldiätspeise, oder auf Schweizerdeutsch „D‘Spys“, zeigte rasch Wirkung. So meckerte etwa Thomas Mann zu Beginn seiner vierwöchigen Kur noch, dass er sich herabgesetzt fühle, zum „Gras essenden Nebukadnezar, der im Luftbade auf allen Vieren geht“. Gras musste er sich natürlich nicht einverleiben, sondern vielmehr täglich das gute „Müesli“, und alsbald frohlockte der Schriftsteller deswegen auch: „Meine störige Verdauung (…) besserte sich dann ins Erstaunliche, nie Dagewesene.“
Mit Frischmilch oder Pflanzenmilch
Für das Grundrezept, das auch schon Literatenmägen wieder auf Spur gebracht hat, nehme man einen Esslöffel Haferflocken und weiche sie zwölf Stunden lang in drei Esslöffeln Wasser ein. Darunter werden der Saft einer halben Zitrone und ein Esslöffel gezuckerte Kondensmilch gemischt – letztere verwendete der Arzt, weil Frischmilch zu dieser Zeit noch unpasteurisiert war und die Erreger der Tuberkulose übertragen konnte. Heute kann man auch pasteurisierte Frischmilch oder vegane Pflanzenmilch nehmen. Anschließend wird ein großer Apfel mit Schale, Gehäuse und Kernen gerieben unter den Brei gemischt. Zum Schluss einen Esslöffel gehackte Haselnüsse und Mandeln darüber streuen.
In der Schweiz wird übrigens auf das E im Wort „Müesli“ Wert gelegt; es leitet sich von der Verkleinerungsform des schweizerdeutschen Begriffs Mues ab: dem Mus, wie man es vom Apfelmus kennt. Das Hauptaugenmerk der Speise lag auf dem Apfel und nicht auf den Haferflocken. Vor allem aber ist ein Müsli für die Schweizer die Verniedlichungsform von „Muus“ – einer Maus. Und das will nun wirklich niemand: zum Frühstück ein Mäuschen essen.
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