Kochkunst

Wie gelingt die perfekte Soße – und wie gut sind Fertigprodukte?

Soßen sind das I-Tüpfelchen vieler Gerichte.

Soßen sind das I-Tüpfelchen vieler Gerichte.

„Die Sauce ist für die Kochkunst, was die Grammatik für die Sprache“, besagt ein niederländisches Sprichwort. Sie verbindet im Idealfall alles auf dem Teller zu einem kulinarischen Gedicht. Doch die Zubereitung ist eine Wissenschaft für sich: Gehaltvoll, aber nicht fettig soll sie sein, Gerichte ergänzen, aber nicht verfälschen. In Frankreich, dem Land der Haute Cuisine, gab es bis weit ins 18. Jahrhundert hinein eine eigene Gilde für Sauciers. Ihre Kunst war damals vor allem deshalb gefragt, weil eine gute Tunke den oftmals nicht ganz so frischen oder schmackhaften Topfinhalt erfolgreich überdecken konnte. Das Prinzip funktioniert auch heute noch: „Wenn der Koch einen Fehler macht, gießt er ein wenig Soße darüber und sagt, es wäre ein neues Gericht“, hat Paul Bocuse einmal gesagt. Das hielt ihn als einen der besten Köche des 20. Jahrhunderts jedoch nicht davon ab, selbst auch Fisch und Fleisch in einem Soßenmeer baden zu lassen.

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Die Hauptzutaten für eine gute Soße: Zeit und Liebe

Sein Kollege Auguste Escoffier (1846–1935) ordnete für die französische Küche, die seit der römischen Antike (das Wort Soße leitet sich vom lateinischen Begriff für „salsus“, was salzig bedeutet, ab) gewachsene Vielfalt in Grundsoßen: die braune „espagnol“, die rote „tomate“ und die weißen „velouté“, „mayonnaise“, „béchamel“ und „hollandaise“. Aus ihnen lässt sich eine Vielzahl zusammengesetzter Soßen kreieren. Hinzu kommen Fonds beziehungsweise Brühe aus Knochen oder Gemüse sowie Jus, die Flüssigkeit die beim Braten von Fleisch austritt.

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Doch die wichtigsten Zutaten für eine gute Soße sind Jens Rittmeyer zufolge „Zeit und ganz viel Liebe“. Er weiß, wovon er spricht. Soßen sind sein Markenzeichen. Nach Stationen unter anderem auf Sylt und in Portugal zog es den mehrfach vom Guide Michelin ausgezeichneten Sternekoch 2017 nach Buxtehude. Sein Restaurant No4 im Vorstandscasino einer Reederei hat nur freitags und sonnabends geöffnet. Dann serviert er seinen Gästen in Form eines Sechs-Gänge-Menüs „Nordic Cuisine“. Dahinter verbergen sich Kreationen, die auf regionalen Produkten basieren – und jeweils mit einer passenden Soße serviert werden. Die ist essenziell für Rittmeyer: „Ohne Soße, kein Vergnügen. Sie transportiert auch alles besser in den Magen“, sagt der 46-Jährige. Schon als Kind war er Soßenfan: „Es musste immer alles in Soße schwimmen.“

In einer guten Soße steckt eine Menge Aufwand

In der gehobenen Küche ist oft das Gegenteil der Fall: Da wird der Gast mit drei kunstvoll auf den Teller geklecksten Esslöffeln Soße nicht selten um das Vergnügen gebracht, die Speisen ordentlich einzutunken. Warum dieser Geiz mit der flüssigen Beilage? Einerseits will man wohl nicht allzu sehr vom Geschmack des Hauptgerichts ablenken. Andererseits spielten häufig auch praktische Erwägungen eine Rolle, erläutert Rittmeyer: „Es steckt wahnsinnig viel Aufwand dahinter, eine gute Soße in großer Menge zu kochen.“

Für manche seiner konservierungsstofffreien Kompositionen, die er auch unter dem Namen „Rittmeyers Besondere Raffinessen“ vermarktet, steht er bis zu viereinhalb Tage am Herd. Vom Knochen- oder Gemüseauskochen bis zum letzten Abschmecken mit Gewürzen ist es ein langer Weg, eine in Konsistenz und Geschmack gute Soße hinzubekommen, die eben nicht vom eigentlichen Gericht ablenkt, sondern es geschmacklich noch mehr hervorhebt. Nicht umsonst gibt es im Küchenjargon den Fachbegriff der „Soßenpflege“. Dabei wird die Soße so gut wie nicht aus den Augen gelassen. Manchmal darf sie nur sieden, nicht kochen. Fett- und Trübstoffe müssen außerdem regelmäßig abgeschöpft werden. „Das bringt den Glanz“, sagt Rittmeyer. Der sei nicht nur fürs Auge wichtig, sondern auch für den Geschmack.

Viele greifen lieber zum Fertigprodukt – doch was steckt drin?

Selbst mit fertiger Fleisch- oder Gemüsebrühe aus dem Supermarktregal als Basis ist das Soßenkochen auch zu Hause nicht selten zeit- und betreuungsintensiv. So wird oft zu Fertigsoßen gegriffen: Das Onlineportal Statista prognostiziert für dieses Jahr im Segment gekaufter Soßen und Gewürze einen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 13 Kilogramm und bis 2026 ein jährliches Umsatzwachstum von 2,7 Prozent. Doch die Ware aus dem Supermarktregal hat mit hausgemachten Soßen oft wenig gemein.

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So ermittelten Verbrauchersendungen wie WISO im ZDF oder „Markt“ vom NDR, dass beispielsweise fertige Hollandaise oftmals weder Ei noch Butter enthält, Tomatensoßen besonders viel zugesetzten Zucker aufweisen und Soßenpulver kaum ohne modifizierte, also chemisch verarbeitete, Stärke auskommt. Der österreichische Verein für Konsumentenforschung (VKI), einer Partnerorganisation der Stiftung Warentest, hat im vergangenen Jahr Pesto untersucht und dabei in vielen Produkten Pestizidrückstände nachgewiesen. Die Zutatenliste für Fertigsoßen sollte in jedem Fall viele natürliche Stoffe enthalten. Besser ist das Selbstkochen. Doch dabei kann auch so einiges schiefgehen. Häufigstes Ärgernis: Die Soße bindet nicht. Von Bindern aus dem Handel rät Rittmeyer wegen zu vieler zugesetzter Inhaltsstoffe ab: „Mit Wein oder Wasser angerührte Maisstärke ist die bessere Wahl“, sagt er. Allerdings nur in geringer Dosis, denn das Pulver dicke extrem nach.

Wenn die Soße mal misslingt, kann sie häufig noch gerettet werden

Ein anderer Trick sei, frische Butter in einem anderen Topf zu bräunen, Zwiebel und Schalotte hinzuzugeben, das Ganze mit Weißwein oder Wasser abzulöschen und einkochen zu lassen: „Die Bindung kommt hier durch die Zwiebel, ähnlich wie bei einem guten Gulasch“, erläutert Rittmeyer. Diese Zubereitung eigne sich aber nur für dunkle Soße, weil sie helle Varianten unweigerlich dunkler färben würde.

Ist nach allen Einkoch- und Abschöpfungsprozessen am Ende womöglich zu wenig Soße im Topf, hilft zur Verlängerung die Zugabe von Pesto, Fruchtsaft, Sahne oder Fond. Keine Rettung gibt es bei versalzenen Soßen, wohl aber bei zu viel Pfeffer: Dann mildert Rittmeyer zufolge rheinisches Apfelkraut den Geschmack.

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Brennt eine dunkle Soße mal an, lasse sie sich mit etwas Aufwand retten: Rittmeyer empfiehlt, braune Butter mit Weißwein und trockenem Sherry in einem neuen Topf zu vermischen, Weißbrot in kleinen Bröckchen ohne Rinde und vielleicht noch einen Thymianzweig zuzugeben. Das Ganze kurz mit der angebrannten Soße aufkochen, zugedeckt bis zum nächsten Tag stehen lassen und dann durch ein Sieb passieren.

Eine Soße, die zu allem passt, hat auch Rittmeyer bislang noch nicht erfunden. Doch die sogenannte „Beurre Blanc“, eine weiße Grundsoße mit Butter und Schalotten als Hauptkomponenten, komme dem Idealrezept schon sehr nahe, sagt er. „Aus ihr lässt sich für fast alle herzhaften Gerichte was zaubern.“

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