Verkehrswende

Taxifahren im Wandel: auf dem neuesten Stand

Ein Klassiker: das Londoner Black Cab, das schwarze Taxi der britischen Hauptstadt.

Ein Klassiker: das Londoner Black Cab, das schwarze Taxi der britischen Hauptstadt.

Mindestens eine Geschichte übers Taxifahren kennt jeder und jede – selbst wenn man dieses Verkehrsmittel üblicherweise vielleicht gar nicht nutzt. Viele haben sich früher nachts zu viert hineingequetscht, um aus der Disco nach Hause zu fahren, umgeben vom Duft aus Vanillebaum, Ledersitz und kaltem Rauch. An manch fremdem Ort war die ungewollte Stadtrundfahrt inklusive, weil einzelne schwarze Schafe unter den Fahrerinnen und Fahrern auf diese Weise ihre Kasse aufbessern wollten. Der frühere Fußballnationalspieler Max Kruse soll 2015 mal 75.000 Euro in Bar in einem Taxi verloren haben, die er zuvor bei einem Pokerturnier gewonnen hatte.

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Ich bin neulich durch einen Flughafen in Patagonien geirrt, weil mir 500 Pesos zum Bezahlen des ausschließlich Spanisch sprechenden Taxifahrers fehlten, der keine Kartenzahlung akzeptierte und auch keine US-Dollar. Am Ende kaufte ich mangels Geldautomaten in einem Souvenirshop einen hässlichen Kühlschrankmagneten gegen US-Währung: Der Verkäufer versprach mir, das Wechselgeld in Pesos herauszugeben – „zum offiziellen Kurs“, was in Argentinien nicht den besten Wechselkurs bedeutet.

Das Taxi bietet Raum für Geschichten, selbst für ganze Bücher und Filme.

Ein Film im Zeichen des Taxis

Eines der liebevollsten Denkmale hat ihm der US-Regisseur Jim Jarmusch 1991 in seinem Film „Night on Earth“ gesetzt: Fünf Taxifahrer erleben zeitgleich in derselben Nacht unterschiedliche Fahrgäste und mit ihnen ganz unterschiedliche Geschichten. Das Ganze geschieht an fünf Orten der Welt und wird so zu einer globalen Würdigung des Verkehrsmittels Taxi. Die interessantesten Geschichten passieren oftmals genau dort, zwischen Rückbank und Taxameter.

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In Jarmuschs Filmepos soll etwa der aus Dresden stammende Einwanderer Helmut, gespielt von Armin Mueller-Stahl, den etwas flippigen Yoyo (Giancarlo Esposito) nach Brooklyn fahren. Helmut aber spricht nicht nur schlecht Englisch, er tut sich auch noch derart schwer mit dem Automatikgetriebe seines Taxis, dass die beiden kurzerhand die Sitze tauschen: Yoyo fährt Helmut.

Taxifahren auf New Yorker Art: Armin Mueller-Stahl (l.) und Giancarlo Esposito im Film „Night on Earth“.

Taxifahren auf New Yorker Art: Armin Mueller-Stahl (l.) und Giancarlo Esposito im Film „Night on Earth“.

Auch durch Rom, Los Angeles, Helsinki und Paris schickt der Regisseur in dieser Nacht seine Schauspielfahrer, und Kinobesuchern schwant am Ende des Films: Nirgends scheint die Welt so spannend, so hintergründig und auch so verrückt zu sein wie im Taxi. Doch kann man solche Geschichten heute überhaupt noch erleben?

Hamburg will nur noch E-Taxis

Kürzlich in Hamburg: Vom Rücksitz eines nagelneuen Tesla-Taxis beobachten wir, wie der Sicherheitsassistent auf einem übergroßen Display alles gibt. Hindernisse vor dem Auto werden grafisch dargestellt, das Navigationssystem zeigt den Standort in Echtzeit und die schnellste Strecke zum Ziel ohnehin. Es wirkt, als müsse der Fahrer an diesem Abend kaum mehr tun, als ab und zu das Lenkrad zu drehen. Zum Gespräch kommt es in dieser technisch überladenen Umgebung nur am Rande. Denn wir haben auch den Wagen selbst per App bestellt. Beim Einsteigen wusste der Fahrer somit Namen und Ziel. Und der übergroße Monitor führt unweigerlich dazu, dass man ständig auf ihn schaut. Regisseur Jarmusch wäre vermutlich verzweifelt – kein Stoff für einen Film.

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Es ist ein Blick auf das, was sich in Hamburg und anderen Städten derzeit wandelt. Die Hansestadt geht dabei mit großen Schritten voran: Als erstes Bundesland wird sie von 2025 an keine Taxis mit Verbrennungsmotor mehr zulassen. Das sieht das vom rot-grünen Senat vor Kurzem verabschiedete Klimaschutzgesetz vor. Gerade im Verkehrssektor müsse man beim Klimaschutz schnell vorankommen, begründete Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) das Vorhaben vor Medienvertretern. „Das Verbrenner-Aus für Hamburgs Taxis ist hierfür ein gutes Beispiel.“

Schon jetzt würden durch die Umstellung auf elektrisch und mit Wasserstoff betriebene Taxis 2000 Tonnen CO₂ eingespart, erklärte der Senator. „Elektrifizieren wir die gesamte Flotte in Hamburg, sind es 25.000 Tonnen im Jahr.“ Er erhoffe sich vom Hamburger Vorstoß eine Signalwirkung, sagte Tjarks – „für Deutschland und ganz Europa“.

Londons schwarze Taxis fahren zunehmend elektrisch

Selbst Kritiker solcher Pläne müssen einräumen: Das klassische stinkende Dieseltaxi aus den Neunzigerjahren ist mit dem Bemühen um mehr Klimaschutz einfach nicht mehr in Einklang zu bringen. So stellt auch London derzeit seine berühmten Black Cabs, die schwarzen Taxis, auf Elektromotor um. Aber verändert dies nicht auch das Lebensgefühl Taxi?

Dieses Verkehrsmittel ist so bekannt wie die Eisenbahn und das Flugzeug. Es dürfte kaum eine Ecke der Welt ohne Taxis geben. In Deutschland sind sie beige, in London schwarz, in New York gelb und in Hongkong weiß man bis heute anhand der Farbe, in welcher Gegend der Sonderverwaltungszone der Fahrer verkehrt.

Eine längst eingestellte deutsche Billigairline warb vom Jahr 2002 an mit dem Slogan „Fliegen zum Taxipreis“. Und tatsächlich war die Taxifahrt zum Flughafen damals mitunter teurer als der Flug, den es schon ab 20 Euro pro Strecke gab.

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Das Taxi gilt als ideale Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr, weil es dort anschließen kann, wo Busse und Bahnen aufhören – räumlich wie zeitlich, denn ein Taxi fährt auch mitten in der Nacht, wenn Busse und Bahnen in den Depots stehen. Und das Taxi ist streng genommen sogar sehr viel älter als jenes Auto, das wir heute so bezeichnen: Lange vor der Erfindung des Automobils verkehrten Sänften, Rikschas und Pferdekutschen. Es ist ein uraltes Gewerbe, Menschen, die es sich leisten können, von A nach B zu transportieren.

Ein Schild mit dem Logo des US-amerikanischen Fahrdienstleisters Uber am Abholpunkt von Uber auf dem Laguardia-Flughafen.

Ein Schild mit dem Logo des US-amerikanischen Fahrdienstleisters Uber am Abholpunkt von Uber auf dem Laguardia-Flughafen.

Uber, Lyft & Co.: Private Konkurrenz fürs Taxi

Doch nicht nur die E-Taxis verändern die Branche – schon seit Jahren sind es auch private Anbieter. Die Verkehrsabteilung der Stadt New York hat kurz vor der Pandemie die Effektivität der privaten Fahrdienste in Manhattan und Umgebung untersucht. Fazit: Bereits Mitte 2018 hat die Anzahl der Fahrten mit Uber und Co. die der Yellow Cabs, der herkömmlichen New Yorker Taxis, überholt. Während Taxis an Fahrten verlieren, legen private Dienste zu. Dieser Trend ist weltweit zu beobachten: Uber ist nach eigenen Aussagen inzwischen in 10.000 Städten in insgesamt 71 Ländern aktiv, allein in Deutschland in 18 Orten.

Es gibt weitere Mitbewerber: In den USA hat das Uber-Pendant Lyft inzwischen nach eigenen Aussagen einen Marktanteil von 39 Prozent. In Deutschland und Europa setzt sich das Hamburger Unternehmen Free Now zunehmend durch, eine Kooperation von Daimler und BMW. Es vermittelt in seiner App neben Taxis in mehreren Städten unter dem Namen Free Now Ride auch private Fahrdienste. Volkswagen gründete 2016 mit Moia eine Art Großraumtaxi, in dem man sich per App einen Platz buchen kann – zwischendurch können aber weitere Fahrgäste aufgenommen werden, wenn sie in dieselbe Richtung wollen.

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Das Lufttaxi-Modell „CityAirbus“: Die oberbayerische Großstadt Ingolstadt soll künftig Modellregion für solche Lufttaxis werden.

Das Lufttaxi-Modell „CityAirbus“: Die oberbayerische Großstadt Ingolstadt soll künftig Modellregion für solche Lufttaxis werden.

Autonom fahrende Taxis

Der Fahrdienst Waymo geht noch einen Schritt weiter. Smalltalk mit dem Fahrer oder der Fahrerin ist hier nicht möglich – denn hinter dem Steuer sitzt niemand. Waymo resultiert aus Googles Projekt des autonomen Fahrens. 2011 ließ sich das Unternehmen das Prinzip patentieren, seitdem verlief die Entwicklung rasant. 2012 erhielt Google die erste Zulassung für einen Test im US-Bundesstaat Nevada, allerdings noch unter der Auflage, dass für den Fall der Fälle stets ein Fahrer hinter dem Steuer sitzen musste. 2013 hieß es, dass die autonomen Fahrzeuge erstmals sicherer fahren als der Mensch.

Inzwischen ist das Prinzip reif für den Alltag: Mit Waymo One gibt es in Phoenix und San Francisco die ersten selbstfahrenden Taxis. Nutzer bestellen sie per App und müssen anschließend nur noch Platz nehmen – wie in einem normalen Taxi, nur ohne Fahrer.

Was kann da noch an technischem Fortschritt kommen? Eine Menge. Airbus etwa plant Lufttaxis. Dafür ist das Unternehmen eine Kooperation mit Firmen, Hochschulen und der Stadt Ingolstadt eingegangen. Der City-Airbus Next Generation ist eine kleine, elektrisch betriebene Passagiermaschine, eine Art E-Helikopter. 80 Kilometer soll er mit einer Batterieladung zurücklegen können. Zunächst soll das Gefährt in diesem Jahr mit Piloten abheben – Airbus peilt aber nach eigenen Aussagen langfristig einen autonomen Betrieb an.

Eines aber ändert sich offenbar nie, auf welche Weise immer man unterwegs ist: der Begriff Taxi, entstanden aus dem lateinischen „taxa“ (Gebühr). Das lässt hoffen, dass uns auch künftig die Geschichten nicht ausgehen, egal, ob auf der Straße oder in der Luft.

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