Aufgegebene Siedlungen des Mittelalters
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Drei aufgegebene Dörfer aus dem Mittelalter, sogenannte Wüstungen, finden sich an den Hängen des Hohen Hagens unterhalb des Gaußturms: Wetenborn, das Töpferdorf Grophagen und Hoya. Am meisten zu sehen von den alten Siedlungen gibt es in Wetenborn, das knapp zwei Kilometer westlich von Oberscheden an einem Feldweg nach Jühnde liegt. 1974 kartierten dort Studenten von Alfred Beuermann, dem damaligen Direktor des Geographischen Instituts der Technischen Universität Braunschweig, das Gelände, einem Ausläufer des Hohen Hagens. Sie wunderten sich über die vielen mit Büschen überwachsenen Steinhügel.
Es könnte sich um die alte Wüstung Wetenborn (Weiße Quelle) handeln, überlegte Beuermann. Die Fläche sei in Scheden auf Platt als Zupperndentenwiese bekannt, als „Superintendentenwiese“. Sie gehört der Dransfelder St.-Martini-Gemeinde, die sie verpachtet. Gleich drei Quellen entspringen im Umkreis: Wetenborn, Hungerberg- und Klagesquelle.
Schedener Schulchronik
Für die Siedlung Wetenborn weist das Hofhaltungsregister des Mündener Schlosses 1397/98 noch Einwohner aus, heißt es in Wilhelm Lotzes 1909 erschienen Geschichte der Stadt Münden. Laut der Schedener Schulchronik soll der Wetenborner Pfarrer 1398 mit den meisten Einwohnern nach Dransfeld übersiedelt sein. Einige ließen sich unterhalb der Forstmühle in Scheden nieder.
Auf Bitten des Professors entfernte die Gemeinde die Sträucher. Im April 1975 führte Beuermann dann auf dem Hügel eine erste Grabung durch. Er stieß auf die Mauern einer alten Kirche. Die ließ er in den kommenden Jahren von Studenten ausgraben. Es handelt sich um eine 10,80 Meter lange und sieben Meter breite Ruine. Die Mauern haben eine Stärke von bis zu einem Meter.
Aus dem Grundriss des Gotteshauses schloss der Professor auf ein hohes Alter. Er vermutete, dass das Bauwerk während der Christianisierung des südlichen Niedersachsens in der zweiten des Hälfte 8. Jahrhunderts entstand. Der Wüstungsforscher Erhard Kühlhorn zeigte sich unbeeindruckt. Das Dorf sei, darauf lasse der Born-Name schließen, eine junge Gründung. Die Kirche stamme wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Kreisarchäologe Klaus Grote gibt Kühlhorn recht. Die sehr alten Kirchen in der Region seien qualitativ deutlich hochwertiger gebaut als die in Wetenborn.
Die Studenten legten seinerzeit die Mauern, die aus Muschelkalk-Bruchstein errichtet wurden, frei. In der Kirche ist zum Teil auch Basalt vom Hohen Hagen, Buntsandstein aus dem Schedetal und Kalktuff aus dem Leinetal verbaut worden. Nach Aufgabe der Siedlung seien die beste Steine fortgeschafft worden, meint Beuermann.
Mit Unterstützung der Samtgemeinde Dransfeld und der Gemeinde Scheden wurde die Kirchenruine der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es enstanden ein Weg und eine Schutzhütte. Bänke wurden aufgestellt. 1985 weihte die St.-Martini-Gemeinde ihr altes Gotteshaus wieder ein. Seither findet dort regelmäßig im Sommer ein Gottesdienst statt.
Von der zweiten Wüstung, Grophagen, ist kaum etwas zu erkennen. Sie liegt ein paar 100 Meter von Wetenborn entfernt südlich des Hengelsbergs. In Grophagen befanden sich einst einige der ältesten Töpfereien des Landkreises. Es gibt dort Tonkuhlen und Quellwasser. Kreisarchäologe Grote vermutet, dass die Siedlung bereits im 11. Jahrhundert entstand. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1380. Das 150-Einwohner-Dorf erreichte seine Blütezeit im 12. bis 14. Jahrhundert. Damals entstanden dort unter anderem Kugeltöpfe und Standbodenkeramik.
Erst Töpfer, dann Weide
Die Siedlung ist um 1400 aufgegeben worden. Grote vermutet, dass Kunden hochwertigere Tonwaren etwa vom Steinberg im Kaufunger Wald oder aus Großalmerode (heute Werra-Meißner-Kreis) bevorzugten. Nach Urkunden aus dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts nutzten Bauern das ehemalige Dorf damals bereits als Weideland. In Dransfeld erinnerte noch jahrhundertelang ein Tor in der Stadtmauer an die Siedlung, das Gropentor, berichtet der dortige Stadtarchivar Friedrich Rehkop.
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Die Wüstung wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von Raubgräbern heimgesucht. Sie transportierten zentnerweise Scherben ab. Einige der Missetäter bereuten später ihre Taten und vermachten dem Kreisarchäologen ihre Sammlungen. Für die Wissenschaft haben sie stark an Wert verloren, da die Grabungen nicht dokumentiert wurden.
Tonabbau hat es im Bereich des Hohen Hagens auch in späterer Zeit noch gegeben. Stadtarchivar Rehkop weiß von Tongruben, die die Stadt 1872 an die Salinen- und Ziegeleibesitzer Garben und Weber verpachtete. Sie gaben allerdings bereits zwei Jahre später wieder auf. Der Ton sei für ihre Zwecke „untauglich“, erklärten sie. 1876 pachtete dann der Bäckermeister Dorsch für 30 Mark im Jahr von der Stadt eine Tongrube von einem Viertel Hektar Größe. Dorsch verpflichtete sich, den Ton selbst zu verarbeiten und nicht zu verkaufen. Am Nord- und Westfuß des Brunsberges wurde bis 1900 in kleinen Kuhlen feiner, fast weißer Ton gewonnen. Ein Dransfelder Töpfermeister verarbeitete ihn zu Haushaltsgeschirr. Mit seinem Tod erlosch die Firma. Heute erinnert noch Flurnamen wie Tonkuhlenwiesen an jene Zeit.
Von Michael Caspar
GT/ET