Geheimnis gelüftet

Auf ehemaligem IWF-Gelände in Göttingen entstehen 210 Mietwohnungen

Ein erster Entwurf: Sieben Mietshäuser will die Immobiliengesellschaft Wertgrund auf dem ehemaligen IWF-Gelände bauen.

Ein erster Entwurf: Sieben Mietshäuser will die Immobiliengesellschaft Wertgrund auf dem ehemaligen IWF-Gelände bauen.

Göttingen. Auf dem ehemaligen IWF-Gelände am Göttinger Nonnenstieg will die Münchner Wertgrund Immobilien AG sieben mehrgeschossige Gebäude mit 210 Wohnungen bauen. 70 davon will sie zu geringen Mietsätzen anbieten. An diesem Donnerstag hat das Unternehmen sein Konzept erstmals vorgestellt.

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Im vergangenen Jahr hatte Wertgrund etwa 17 000 Quadratmeter des einstigen IWF-Areals wischen Nonnenstieg und Habichtsweg von der Göttinger EBR Projektentwicklung GmbH gekauft – zunächst unbemerkt von der Öffentlichkeit. In dieser Woche sei der Kaufpreis fällig und das Geschäft damit abgeschlossen geworden, erklärte Thomas Meyer, Vorstandsvorsitzender der Wertgrund Immobilien AG gegenüber dem Tageblatt.

Vier bis fünf Vollgeschosse

Für das Gelände gebe es inzwischen ein grobes Konzept. Danach seien sieben unterschiedliche Gebäudetypen geplant: vier Gebäude mit drei oder vier Vollgeschossen direkt am Nonnenstieg, drei weitere im hinteren Bereich mit fünf Vollgeschossen. Für alle Gebäude sei darüber hinaus ein weiteres Staffelgeschoss mit großen Dachterrassen vorgesehen. Die Höhe der Gebäude richte sich nach den bestehenden Häusern im Viertel. Die Pläne bewegten sich „voll und ganz“ im Rahmen des von der Stadt vorgegebenen Bebauungsplans.

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Thomas Meyer, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der Wertgrund Immobilien AG

Thomas Meyer, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der Wertgrund Immobilien AG

Zwischen den Gebäuderiegeln werde es eine breite grüne Mittelachse geben, erklärte Meyer weiter. Geplant sei zudem eine große Tiefgarage für alle Wohneinheiten mit Zufahrt vom Nonnenstieg. Dazu gebe es bereits ein Verkehrsgutachten. Darüber hinaus seien oberirdisch Carsharing-Parkplätze und Parkplätze für eine geplante Kita auf dem Nachbargelände vorgesehen.

Ausschließlich Mietwohnungen

In den Gebäuden werde es „einen breiten Mix“ aus Ein- bis Vierzimmer-Wohnungen und wenige Fünfzimmer-Wohnungen geben. Die 70 öffentlich geförderten Wohnungen werden nach derzeitigem Konzept zwischen 60 und 65 Quadratmeter groß sein, die rein privat finanzierten Wohneinheiten 70 bis 75 Quadratmeter.

Alle Wohnungen bleiben laut Meyer im Bestand der Gesellschaft und sollen vermietet werden. Ob es dafür ein eigenes oder beauftragtes Verwaltungsbüro vor Ort geben wird, sei noch offen.

Exakte Pläne für die Wohnungszuschnitte, Gebäudestrukturen und Fassaden gibt es noch nicht. „Wir beginnen jetzt mit der Feinplanung“, sagte Meyer. Für die bisherige Konzeptentwicklung und weitere Planung habe Wertgrund nach einem Architektenwettbewerb das Hamburger Architekturbüro „blauraum“ mit ins Boot geholt. Vertreter des Büros haben die ersten Pläne gemeinsam mit Meyer am Donnerstag auch im Bauausschuss des Rates vorgestellt.

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IWF-Abriss Ende des Jahres

Wenn noch ausstehende Bauanträge genehmigt sind, soll das alte Gebäude des Institutes für den Wissenschaftlichen Film (IWF) Ende des Jahres abgerissen werden. Baubeginn könnte dann Anfang 2020 sein, Fertigstellung Mitte oder Ende 2021, so Meyer.

Die Wertgrund Immobilien GmbH habe mit dem Kauf alle Verpflichtungen aus einem städtebaulichen Vertrag zwischen Stadt und EBR übernommen und wird die „geforderte Quote für sozialen und mietpreisreduzierten Wohnungsbau von 30 Prozent vollumfänglich erfüllen“, versicherte Meyer. Dieses Konzept und sein soziales Engagement sei Teil der Anlagestrategie. Dabei setze das Unternehmen auch auf öffentliche Fördermittel – in diesem Fall von der N-Bank.

Das ehemalige Institut für den wissenschaftlichen Film

Das ehemalige Institut für den wissenschaftlichen Film. Ende des Jahres sollen die Gebäude abgerissen werden.

Der Nonnenstieg sei das erste Wertgrund-Projekt in Göttingen. „Wir haben aber schon lange ein Auge auf die Universitätsstadt geworfen“, sagte Meyer. Das IWG-Gelände habe „eine so unglaublich hohe Wohnqualität“, fügte er an – „nicht zuletzt wegen dieses traumhaften Blickes über die Stadt“.

Wechselhafte Entwicklung

Als 2007 bekannt wurde, dass das einstige IWF geschlossen werden sollte, hat es viel Unruhe um das Gebäude und 23 000 Quadratmeter große Gelände am Nonnenstieg gegeben. Die Stadt Göttingen setzte früh auf Wohnungsbau und initiierte einen Architektenwettbewerb. Es folgten viele Diskussionsrunden – ständig begleitet von Sorgen und Protesten vor allem aus der Nachbarschaft. Vor gut sechs Jahren kaufte schließlich die Göttinger EBR Projektentwicklung GmbH das Grundstück. Sie wollte dort – wie vorgesehen – Wohnungen entwickeln. Auch ihre Ideen und Pläne waren ständig von Kritik begleitet.

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Wer und was ist die Wertgrund Immobilien AG?

Die Wertgrund Immobilen AG: 8000 Wohneinheiten im Wertvolumen von mehr als 750 Millionen Euro

Die Wertgrund Immobilien AG ist nach eigenen Angaben ein Investment- und Managementunternehmen für Wohnimmobilien in Deutschland mit Sitz in München. Über vier Tochtergesellschaften entwickelt, plant, verwaltet und vermietet sie seit 1992 bundesweit Mietwohnungen.

Ein besonderer Schwerpunkt liege dabei auf gefördertem und damit preisgünstigem Wohnraum, erklärt der Mitbegründer und Vorstandsvorsitzende Thomas Meyer. Neue Standorte suche die AG nicht mehr nur in großen Metropolen, sondern zunehmend in ausgesuchten „Mittelstädten“ mit Wachstumspotenzialen. Im Bestand des Unternehmens seien zurzeit etwa 8000 Wohneinheiten mit einem Wertvolumen von 750 bis 800 Millionen Euro. In Planung seien – inklusive Göttingen-Nonnenstieg – weitere Wohnungen mit einem Volumen von 230 Millionen Euro.

Wertgrund ist laut Meyer ein „ganz klassisches“ mittelständisches und eigentümergeführtes Unternehmen. Die AG beschäftigt insgesamt etwa 100 Mitarbeiter, die Hälfte davon in der eigenen Verwaltungs GmbH. Zu den jüngsten Wertgrund-Projekten gehören neben Göttingen Miet-Immobilien in Hamburg, Bielefeld und Mühlheim am Main.

Zum Portfolio des Unternehmens gehören ein offener Anleger-Fonds und vier Spezialfonds für institutionelle Anleger wie Sparkassen und Stiftungen. Die Wohnungen in Göttingen sollen langfristig im Bestand des Spezialfonds „WERTGRUND Wohnen D2“ verbleiben. us

Vor gut einem Jahr machte der Rat der Stadt schließlich den Weg für das EBR-Bauprojekt frei. Investor und Stadt einigten sich zugleich auf einen Städtebaulichen Vertrag, nachdem das Unternehmen 30 Prozent der neuen Wohnfläche zu sozialverträglichen Mieten anbieten sollte. Im vergangenen Jahr verkaufte die EBR allerdings überraschend 17 000 Quadratmeter und damit etwa Zweidrittel der Fläche an die Wertgrund Immobilien AG. Daraufhin gab es heftige Kritik, auch im Rat. Über den Kaufpreis haben beide Partner Stillschweigen vereinbart. "Er liegt aber im – für Göttingen – marktgerechten Bereich", sagte Meyer.

EBR-Pläne noch offen

Nach wie vor wolle die EBR auf ihrem verbliebenen oberen Grundstück Wohnungen errichten, versicherte am Mittwoch Firmensprecher Robert Schwindt. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht. Offen sei auch die Frage, ob das Unternehmen Miet- oder Eigentumswohnungen anbieten werde. Die im Konzeptmodell von Wertgrund (siehe Foto) erkennbaren Gebäude auf dem EBR-Gelände seien fiktiv.

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Die Geschichte des IWF-Geländes

Anfang der 60er Jahre entstehen am Nonnenstieg auf einer bis dahin landwirtschaftlich genutzten Fläche insgesamt sieben Gebäude. Vom Verwaltungstrakt bis zur Direktorenvilla. Jetzt soll hier wieder gebaut werden. Ein zeitlicher Abriss.

2004 wird aus der Direktorenvilla ein Kinderhort.

Im August 2010 beschließen die Gesellschafter des IWF, das Institut zum Ende des Jahres aufzulösen und das Grundstück zu veräußern. Zur Zeit der Schließung umfasst das Grundstück am Nonnenstieg 72 etwa 32 000 Quadratmeter. Auf einer Fläche von 7 500 Quadratmetern befindet sich die Kleingartenkolonie „Am Rohns“.

In den Jahren 2011/12 scheitert der Versuch, das gesamte Grundstück an einen Investor zu veräußern, an heftigen Protesten im Stadtviertel.

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Im Oktober 2012 stellen die neu gegründete EBR Projektentwicklung GmbH und das Architekturbüro Dietrich&Untertrifaller aus Wien Pläne für zehn Gebäude vor, die am Nonnenstieg entstehen sollen. In sieben Atriumhäusern sind 170 Wohnungen „im gehobenen Segment“ geplant. Außerdem sollen Büros, Praxen und Nahversorgen Platz finden. Damals hieß es von der EBR, man wolle 2013 anfangen zu bauen und den Kaufvertrag unterschreiben, sobald ein Bebauungsplan vorliegt.

Im Dezember 2012 beschließt der Rat der Stadt Göttingen eine Veränderungssperre für das Kleingartenareal. Die mögliche Baufläche verkleinert sich auf 22 000 Quadratmeter.

Im April 2013 verkündet Stadtbaurat Thomas Dienberg, dass die Wiener Architektenpläne vom Tisch seien. Zwischenzeitlich hatten sich zwei Bürgerinitiativen gegen das Vorhaben gegründet: „Zu hoch, zu dicht, zu massiv“, so die Beurteilung der Kritiker. Für die weitere Entwicklung eines Bebauungsplans setzt die Stadt auf mehr Bürgerbeteiligung.

Ende 2013 kauft die EBR Projektentwicklung GmbH das Gelände der IWF. Am 5. Dezember 2013 schließt die Stadt Göttingen mit der EBR eine Gestaltungsvereinbarung als Städtebaulichen Vertrag ab.

Das Jahr 2014 vergeht mit weiteren Protesten und dem Versuch, Bebauungsplan und Flächennutzungsplan durch die Instanzen zu bringen. Zu einem Beschluss kommt es nicht.

In seiner Rede zur Amtseinführung Ende 2014 kündigt Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) an, dass auf dem ehemaligen IWF-Gelände Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Die Stadt schließt im Oktober 2015 einen Mietvertrag für drei Jahre ab.

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Im Januar 2015 verkündet Köhler unterdessen bei seiner Neujahrsansprache „einen völligen Neustart für den Planungsprozess“ auf dem Gelände am Nonnenstieg.

Ab Oktober 2015 werden in dem ehemaligen IWF-Gelände Flüchtlinge untergebracht.

Im August 2018 läuft der Mietvertrag der Stadt für die Flüchtlingsunterbringung im ehemaligen IWF-Gebäude aus

Im März 2018 passiert nach sechs Jahren Planung der Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan „Südlich Nonnenstieg“ den städtischen Bauausschuss – bei nur einer Gegenstimme. In einem Städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und dem Grundstückseigner EBR wird die Verpflichtung festgeschrieben, dass auf 30 Prozent der Baufläche preisgünstiger Wohnraum entstehen müsse.

Im Oktober 2018 unterzeichnet die Stadt gemeinsam mit Genossenschaften und Immobilienunternehmen ein „Bekenntnis zur Schaffung von neuem, insbesondere bezahlbarem Wohnraum“ – Mitglied in diesem Bündnis für bezahlbares Wohnen auch die EBR.

Januar 2019: Es wird bekannt, dass die EBR zwei Drittel des ehemaligen IWF-Geländes an die Münchner Wertgrund Immobilien AG verkauft hat. Es folgt eine Welle der Kritik.

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Von Ulrich Schubert

GT/ET

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