Kinder mit, Eltern meist ohne Helme unterwegs

Fahrradunfälle: Häufig Kopfverletzungen

Fahrradhelme werden am 14.06.2017 in der Decathlon Filiale in Herne (Nordrhein-Westfalen) von einem Mitarbeiter sortiert. Der französische Sportartikelriese Decathlon setzt seinen Expansionskurs im hart umkämpften deutschen Sportartikelmarkt fort. Foto: Roland Weihrauch/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Fahrradhelme werden am 14.06.2017 in der Decathlon Filiale in Herne (Nordrhein-Westfalen) von einem Mitarbeiter sortiert. Der französische Sportartikelriese Decathlon setzt seinen Expansionskurs im hart umkämpften deutschen Sportartikelmarkt fort. Foto: Roland Weihrauch/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Göttingen. “Auf meinem Weg durch Göttingen habe ich kürzlich gezählt. Von 80 Radfahrern trug bei dieser Stichprobe nur einer einen Helm”, sagt Christopher Spering, Arzt in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der UMG. Dabei sollten Erwachsene eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen. “Wenn Kinder sehen, dass Erwachsene keinen Helm tragen, greifen sie ab dem Teenageralter selber selten zum Kopfschutz”, so der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Helmtragequote von Erwachsenen liege in Deutschland “deutlich unter zehn Prozent”. 76 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren tragen demnach einen Helm. Bei den Radfahrern ab 17 Jahren sinkt die Quote deutlich auf sieben Prozent, im höheren Alter steigt sie wieder etwas an. „Die hohe Anzahl an Kindern, die einen Helm tragen, zeigt, dass Eltern ihre Kinder schützen wollen. Genauso verantwortungsvoll sollten sie auch für sich handeln und grundsätzlich selbst zum Helm greifen – damit sie auch nach einem Unfall noch für ihre Kinder da sein können.“

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Ein Fahrradunfall ohne Helm kann dramatische Folgen haben. Beim Aufprall verletzten sich die meisten Radler an der Schläfe oder dem Nacken. Meist krachen die Unfallopfer seitlich und ungebremst auf die Straße oder den Bordstein. Ein Fahrradhelm schützt den Kopf, indem er die Energie reduziert, die bei einem Aufprall auf den Schädel wirkt. “Helmträger erleiden damit weniger schwere Kopfverletzungen”, so Spering. Zudem können tödliche Hirnverletzungen um 60 bis 70 Prozent reduziert werden. Auch bei den lebensgefährlich verletzten Fahrradfahrern ist das schwere Schädel-Hirn-Trauma die Hauptverletzung.

Erst kürzlich hat Spering eine Frau in der UMG behandelt, die einen schweren Fahrradunfall erlitt. „Die Mutter und ihr Sohn waren gemeinsam mit dem Fahrrad unterwegs, als es zu einem tragischen Unfall kam: Der Fünfjährige geriet ins Straucheln und fuhr in das Rad der Mutter”, berichtet der Chirurg - beide stürzten. Während der Junge, der einen Helm trug, unbeschadet geblieben sei, erlitt die Mutter ohne Helm schwere Verletzungen an Kopf und Gehirn. “Seitdem kann sie der Fürsorge für ihr Kind nur noch eingeschränkt nachkommen, “ sagt Spering.

Auch wenn er nur wenig Verständnis dafür hat, dass Erwachse ohne Helm fahren, eine generelle Helmpficht lehnt er ab. Spering, der auch Präventionsbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie (DGUO) ist, setzt auf Einsicht. Wer aufs Moped oder Mofa steige setze schließlich ganz selbstverständlich einen Helm auf. An einer Ampel, so der Mediziner, bleiben Menschen immer brav stehen, wenn Kinder in der Nähe sind. “Wenn wir Unfallopfer behandeln, die glimpflich davon gekommen sind, setzt oft Einsicht ein. Dann, wenn die Patienten ihren zerbrochenen Helm in der Hand halten.” Dann werde ihnen klar, welche Kräfte  bei  Rad-Unfällen wirken.  Im Falle eines Sturzes kann ein Helm dazu beitragen, eine schwere Kopfverletzung zu verhindern. ”Den Unfall verhindern kann er nicht”, sagt Spering.

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225 verletzte Radfahrer - davon 98 ohne Helm

Bundesweit haben sich nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2016 rund 14 500 Radfahrer bei Unfällen schwer-  und 66 368 leicht verletzt. 392 Menschen starben bei einem Fahrradunfall. In Göttingen registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 225  Rad-Unfälle. “98 dieser  Radfahrer trugen keinen Helm”, so Jörg Arnecke von der Göttinger Polizei. Zwar habe sich die Zahl der  verletzten Radfahrer in der Stadt im Vergleich zum Jahr 2015 von 248 auf 225 Personen verringert, ihr Anteil an der Gesamtzahl aller verunglückten Personen im Stadtgebiet (653) sei jedoch von 33 auf 36 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Schwerverletzten sank von 37 auf 28, die der Leichtverletzten von 210 auf 207.

Wie Arnecke erklärt, gebe die Polizeistatistik  keine Auskunft darüber, ob oder inwieweit ein Helm die Verletzungsgefahr reduziere. “Aus der Berufserfahrung heraus kann ich aber feststellen, dass ein Fahrradhelm das Leben retten und vor schweren Verletzungen schützen kann”, sagt er.

Im Göttinger Stadtgebiet gibt es einige Punkte, an denen sich mehr Unfälle mit Radfahrern ereignen als andernorts. Und das waren im vergangenen Jahr:

  • der Kreisverkehr Godehardstraße / Königsallee
  • Kreisverkehr Königsallee / Grätzelstraße
  • Rosdorfer Kreisel (Leinetal)
  • Kreisel Königsallee / Hagenweg
  • Kreuzung Robert-Koch-Straße / Im Hassel / Hans-Adolf-Krebs-Weg
  • -Kreuzung  Zimmermannstraße / Papenberg

Auto-und Fahrradfahrer, so der Sicherheitsberater, seien gleichermaßen Auto- sowie Fahrradfahrer. Wenn Fahrradfahrer einen Verkehrsunfall verursachten, sind sie demnach häufig entgegengesetzt zur Fahrtrichtung geradelt, haben den  falschen Radweg benutzt, eine rote Ampel missachtet oder alkoholisiert Rad gefahren. Wenn Autofahrer den Unfall verschuldeten, dann, so Arnecke, waren  meistens Fehler beim Abbiegen die Ursache. .Arnecke:  „Verkehrsunfälle passieren nicht, sie werden verursacht“.

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Der Polizist empfiehlt ebenfalls dringend, einen  Fahrradhelm  zu tragen. Die Empfehlungen der DGUO:

  • Der Helm sollte der DIN 1078 entsprechen
  • Der Helm muss korrekt getragen werden: Er sollte waagerecht sitzen und nicht tief über Nacken oder Stirn gezogen werden.
  • Der Helm sollte an beiden Schläfen bis weit über die Wange und die Ohren reichen.
  • Der Helm sollte nach jedem Aufprall und generell nach fünf  Jahren ausgetauscht werden.
  • Der Helm sollte nur zum Fahrradfahren getragen werden. Keinesfalls sollten Kinder ihn beim Spielen aufbehalten (Strangulationsgefahr).

Für normale Fahrräder besteht keine Helmpflicht. Wer allerdings ein „schnelles Elektrofahrrad“ - eines, das mehr als 20 Stundenkilometer schnell ist - nutzt, muss, wie beim Mofa fahren, Helm tragen.

GT/ET

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