In fünf Jahren kann die Göttinger City autofrei sein
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Blick in die Jüdenstraße an einem Montag vor 11 Uhr
© Quelle: Peter Heller
Göttingen. Wie realistisch ist eine autofreie Göttinger Innenstadt? Dr. Alfred Benedikt Brendel, Leiter der Forschungsgruppe „Smart Mobility” am Lehrstuhl für Informationsmanagement der Universität Göttingen antwortet:
In welchen Städten ist eine autofreie City möglich und sinnvoll?
In glaube, dass das Modell autofreie Stadt grundsätzlich in allen Städten möglich ist - zumindest in Stadtteilen. Autofreie Stadtteile gibt es beispielsweise bereits in Köln-Nippes und in Tübingen. Überall, wo das Auto eigentlich keinen Sinn macht, können solche Zonen funktionieren.
Ist solch ein Konzept also auch in Göttingen umsetzbar?
Grundsätzlich ja.
Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
Es macht nur wenig Sinn, einfach über die Köpfe der Bürger hinweg die Autos mit Pollern auszusperren. Aber an sich hat das Konzept, dass jeder mit einem Diesel oder Benziner direkt in die Innenstadt fährt, ausgedient. Heute sind intelligente Konzepte gefragt.
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Dr. Alfred Benedikt Brendel
© Quelle: r
Wie kann solch ein Konzept aussehen?
Das ist immer ein Puzzle aus unterschiedlichen Maßnahmen, nicht nur das Verbot allein. Es müssen Alternativen angeboten werden. Dazu zählen beispielsweise neue, umweltschonende Lieferkonzepte. Die Innenstädte sollen ja weiter attraktive Wohngebiete und Einkaufszonen bleiben – auch für die, die nicht mit dem Auto kommen.
Was heißt das?
Das heißt, dass beispielsweise sperrige Güter, die Kunden in der Innenstadt kaufen, emissionsfrei mit E-Bikes oder anderen E-Fahrzeugen nach Hause ausgeliefert werden. Das funktioniert natürlich nur im Stadtgebiet, nicht bis in die Umlandgemeinden. Es gab bereits Pläne für ein Modellprojekt, bei dem viele Innenstadthändler mitmachen wollten. Die Fördergelder dafür wurden aber leider nicht bewilligt.
Welche Puzzleteile sind noch sinnvoll?
Für die, die aus der Region mit dem Auto kommen, muss es ausreichende Parkmöglichkeiten am Stadtrand und einen vernünftige Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln geben. Car- und Bike-Sharing Systeme sind zudem weitere sinnvolle Bausteine. Letztlich muss man den Menschen eine praktische Alternative zum privaten Auto bieten. Oft gibt es auch Kommunikationsprobleme. Viele Studierende wissen beispielsweise nicht, das im Halbstundentakt ein Zug nach Northeim fährt und in der Nacht der Nachtbus „Nachteule“ verkehrt. Insgesamt werden Digitale Möglichkeiten im ÖPNV noch nicht ausgeschöpft.
Was schlagen Sie vor?
Sinnvoll sind Strategien, wie es sie in Helsinki gibt: ein Flatrate für alle Fortbewegungsmöglichkeiten. Egal ob ich ein E-Bike, den Bus oder elektronische Lieferservices nutze. Ich zahle einmal eine Pauschale und nutze den Mix. Auch die Londoner Oyster-Card geht in diese richtige Richtung.
Wie lang ist der Weg bis zur autofreien Innenstadt?
Das kommt darauf an, wie die Bürger mitgenommen und eingebunden werden. Das wichtigste ist, dass der Mensch mitmacht. Wenn wir alles richtig machen, dann kann in etwa fünf bis zehn Jahren die Göttinger Innenstadt autofrei sein.
Was sagen Handel, Verwaltung und Interessenverbände zur Diskussion um eine autofreie Göttinger City? Mehr zum Thema lesen Sie hier.
Von Britta Bielefeld