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Fotograf ausspioniert

Jahrelange Beobachtung durch Polizei-Panne aufgedeckt?

Thorsten Heise, NPD-Mitglied im Bundesvorstand, Veranstalter des Neonazi-Festivals «Schild & Schwert», gibt in Ostritz ein Interview.

Thorsten Heise, NPD-Mitglied im Bundesvorstand, Veranstalter des Neonazi-Festivals «Schild & Schwert», gibt in Ostritz ein Interview.

Göttingen/Görlitz. Das Schreiben der Polizeidirektion Görlitz war eigentlich für die Polizeiinspektion Göttingen bestimmt gewesen. Erhalten hatte es aber der Anwalt des Fotografen.

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Am 3. November hatten sich in dem ostsächsischen Ostritz im Landkreis Görlitz Rechtsextreme ein Neonazi-Festival unter dem Titel „Schild und Schwert“ getroffen. Zu diesem Treffen war der Göttinger Fotograf zu Dokumentationszwecken angereist. Etwa 3000 Gegendemonstranten hatten gleichzeitig ein Friedensfest gefeiert. Die Polizei leitete 18 Ermittlungsverfahren ein. Alle Straftaten seien dem rechten Spektrum zuzuordnen gewesen, erklärte die Polizei Görlitz.

An jenem Sonnabend war der Göttinger Fotograf gegen 13.30 Uhr kontrolliert worden. Am 8. November schickte die Polizeidirektion Görlitz ihre „Ermittlung auf Grund einer INPOL-Ausschreibung“ auf den Weg zur Polizeiinspektion Göttingen, die laut Mitteilung die Ausschreibung ausgelöst haben soll. Anlass sei ein Strafverfahren aus dem Jahr 2012 gewesen sein, so das Schreiben aus Görlitz.

Zahlreiche Fragen

Die Mitteilung ging jedoch nicht an die Adresse der Göttinger Polizei in der Groner Landstraße 51, sondern in die „Lange-Geismer-Straße 55“. In der Lange Geismarstraße 55 hat Sven Adam, Anwalt des 28-jährigen Betroffenen, seine Kanzlei. Für den Juristen werfen Inhalt und Umstände des Schreibens aus Sachsen zahlreiche Fragen auf. „Von einer bundesweiten Ausschreibung zur Beobachtung“, erklärt Adam, der das Görlitzer Schreiben umgehend an den richtigen Adressaten weiterleitete, „hat der Journalist keine Kenntnis.“

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Nach früheren Vorkommnissen mit zweifelhaften Datensammlungen, erklärt Adam, habe er regelmäßig bei der Göttinger Polizei Auskunft zu polizeilich gespeicherten personenbezogenen Daten über seinen Mandanten angefordert. Zuletzt am 18. August dieses Jahres habe ihm die Polizei versichert, es gebe keine solchen Daten. Auch sei in der Antwort der Göttinger Polizei kein Sperrvermerk enthalten gewesen: Wenn die Polizei über Daten verfügt, über die sie nichts mitteilen darf, muss sie wenigsten per Sperrvermerk über die Existenz solcher Daten informieren.

Beobachtung seit sechs Jahren?

Auch dass sich die Auskunft der Polizeidirektion Görlitz auf eine Vorgangsnummer aus dem Jahr 2012 bezieht, setzt Adam in Erstaunen. Zu diesem Zeitpunkt, sagt der Anwalt, habe er den heute 28-Jährigen noch gar nicht vertreten. Wie seine Adresse dennoch den Weg in die Polizei-Datenbank gefunden habe, könne er sich ebenfalls nicht erklären. In jedem Fall lege die Angabe des Aktenzeichens aus dem Jahr 2012 nahe, „dass die bundesweite Beobachtung seit mehr als sechs Jahren ohne Kenntnis des Betroffenen durchgeführt wird“.

Auch die Polizeidirektion Göttingen kann sich die Umstände des Schreibens aus Görlitz nicht erklären. Deren Sprecherin Julia Huhnold versichert, dass die Info der Polizei an Rechtsanwalt Adam, dass es zu seinem Mandanten weder eine Ausschreibung zur Beobachtung noch einen Sperrvermerk gebe, nach wie vor richtig sei. Die Göttinger Polizei „hat kein Schreiben aus Görlitz angefordert“. Von der Polizeidirektion Görlitz gab es bis zum Montagnachmittag keine Antwort auf eine entsprechende Anfrage des Tageblatts.

Klage eingereicht

Adam strebt jetzt eine rechtliche Klärung der undurchsichtigen Angelegenheit an. Am Montag reichte er beim Göttinger Verwaltungsgericht eine Klage ein. Die Ziele: feststellen zu lassen, dass die Beobachtung rechtswidrig und dass die Auskunft der Göttinger Polizei unvollständig oder falsch war. Adam: „Der Staatsschutz der Polizeiinspektion hatte die für den Datenschutz zuständige Polizeidirektion jahrelang nicht über die 2017 bekannt gewordene massenweise und rechtswidrige Datenerfassung über Linke in Göttingen informiert. Ob diesmal die Polizeidirektion Kenntnis von den Vorgängen hatte, wird das Klageverfahren zeigen.“

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Von Matthias Heinzel

GT/ET

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