Nach Medienberichten

Politisches und juristisches Nachspiel nach Neonazi-Treffen in Fretterode

Nazi-Treffen in Fretterode

Nazi-Treffen in Fretterode

Fretterode. Der Zeitzeugen-Vortrag des ehemaligen SS-Mannes Karl Münter in Fretterode bei dem NPD-Vizevorsitzenden Thorsten Heise hat ein juristisches und politisches Nachspiel. Die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) hat Anzeige gegen Münter erstattet und entsprechende Anfragen im Thüringer Landtag gestellt.

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Anfang November hatten Journalisten zu dem Zeitzeugen-Vortrag im Haus von Heise vor Ort in Fretterode recherchieren wollen. Die Polizei verlangte von den Journalisten jedoch, das Fotografieren zu unterlassen, sonst drohten Platzverweis und die Löschung der Bilder. Es habe Beschwerden von Heise und seinen Gästen gegeben.

Später, nach einem Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Mühlhausen, will die Polizei auch die Personalien von zwei Fotografen aufnehmen. Diese sollen an den Beschwerdeführer Heise weitergegeben werden, um ihm, entsprechend dem Thüringer Polizeiaufgabengesetz den Schutz privater Rechte gewährleisten zu können und um gegen eine mögliche Veröffentlichung der Bilder vorzugehen. Unter den Journalisten war dabei auch ein Fotograf, der erst im April 2018 vor Heises Haus von zwei Neonazis aus Heises Umfeld verfolgt, bedroht, attackiert und mit einem Messer verletzt worden ist.

Fretterode im April

Fretterode im April: Neonazi-Angriff auf Journalisten.

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Polizei im Eichsfeld behindert Arbeit von Journalisten

König-Preuss kritisiert den polizeilichen Umgang mit Journalisten in Fretterode scha

rf: „Scheinbar besteht in Teilen der Thüringer Polizei keine Kenntnis über Rechte von Journalisten und das sogenannte Medienprivileg, das sich aus dem Grundrecht auf Pressefreiheit ergibt.“

Auch sei es nicht das erste Mal gewesen, dass Polizeibeamte – gerade im Eichsfeld – Journalisten, die zu Neonazi-Strukturen recherchieren beziehungsweise Veranstaltungen dokumentieren, in ihrer Arbeit behinderten, statt sie vor Angriffen zu schützen. König verweist auf einen Vorfall von 2016. Damals habe die Landespolizeidirektion nach einer Klage von Journalisten schriftlich einräumen müssen, dass die Polizeibeamten im Eichsfeld rechtswidrig handelten, als sie beim Neonazi-Festival "Eichsfeldtag" von Heise im selben Jahr Journalisten mit Platzverweisen bei ihrer Arbeit hinderten.

Relativierung des Holocausts

Das ARD-Magazin Panorama und die Wochenzeitung Die Zeit hatten am Donnerstag Beiträge veröffentlicht, in denen sie die Beteiligung des Heise-Gastes und ehemaligem SS-Manns Münter am Massaker von Ascq thematisierten. Dabei erschoss eine Abteilung der 12. SS-Panzer-Division Hitlerjugend in der Nacht auf den 2. April 1944 im besetzten Frankreich bei einem Racheakt 86 Franzosen.

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Gegenüber der Zeit sagte Münter: „Die Leute hätten ja auf dem Waggon bleiben können. Wenn sie ein reines Gewissen gehabt hätten, warum laufen sie dann weg? Also sind doch welche dabei gewesen, die vielleicht berechtigt festgesetzt worden sind.“ Manchmal wünsche er sich Adolf Hitler zurück. „Warum nicht? Der hat doch durchgegriffen. Und das mit den Juden, was ihm da angehängt wird …“, sagt Münter auf den Mord an sechs Millionen Juden angesprochen. Und weiter: „Na, mit Millionen seien Sie mal vorsichtig. So viele Juden hat's damals gar nicht gegeben bei uns. Das hat man jetzt schon widerlegt. Ich habe letztens irgendwo gelesen, dass diese Zahl gar nicht stimmt, die wird da rausgegeben. Ich glaub' das alles nicht mehr.“

Anzeige gegen SS-Mann

König-Preuss hat auf Grundlage von Münters Aussagen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Hildesheim gegen den 96-Jährigen gestellt – "wegen Holocaustleugnung, Leugnung von NS-Verbrechen und weiterer in Betracht kommender Straftatbestände gestellt", heißt es auf ihrer Internetseite.

Katharina König-Preuss

Katharina König-Preuss

„Ein verurteilter SS-Täter, der NS-Verbrechen leugnet und erklärt, dass es den Holocaust so nicht gegeben habe, kann in Thüringen ungestört seine mörderische Ideologie verbreiten, während Journalisten, die diese Veranstaltungen dokumentieren, von der Polizei behindert werden und auf die Kontrolle anreisender Neonazis verzichtet wird. Hier ist scheinbar jeglicher Maßstab verloren gegangen“, erklärte König-Preuss.

„Ungehinderte Ausübung der Pressefreiheit“

König-Preuss hat nun nach eigener Auskunft mehrere Anfragen unter anderem zum polizeilichen Umgang mit Journalisten bei der neonazistischen Veranstaltung, aber auch zur Veranstaltung des SS-Täters in Fretterode eingereicht. Vom Thüringer Innenministerium erwartet sie nun „weitere Maßnahmen zur Sensibilisierung der Polizei hinsichtlich des Presserechts und der ungehinderten Ausübung der Pressefreiheit“.

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Unterdessen haben Neonazis in Münter einen neuen Helden gefunden. Und der ehemalige SS-Mann, der im August 1949 wegen seiner Beteiligung an dem Massaker vom Militärgericht Metz in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, genießt das. Seine Strafe wurde nie vollstreckt. Ein erneutes Ermittlungsverfahren gegen den früheren SS-Mann Münter hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle im März 2018 eingestellt.

Von Michael Brakemeier

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