Razzia beim Hochschulsport in Göttingen
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„Dies Academicus" 2018
© Quelle: Christina Hinzmann
Göttingen. Razzia in der Universität Göttingen: 70 Beamte von Polizei, Zoll und Finanzamt haben am Donnerstag Räume des Hochschulsports durchsucht. Die Vorwürfe: Steuerhinterziehung, Veruntreuung und Scheinselbstständigkeit.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Göttingen geht es um den Verdacht, "dass Verantwortliche im Bereich des Hochschulsports systematisch zum Nachteil der Universität und ihrer Mitarbeiter Gelder veruntreut, sozialversicherungspflichtige Beiträge vorenthalten und Steuern hinterzogen haben". Zusätzlich zum "Vorwurf der Scheinselbstständigkeit im Bereich der Beschäftigung von sportlichen Übungsleitern geht es auch um die rechtswidrige Entnahme von Bargeld aus Einnahmen von Großveranstaltungen".
„Dies Academicus“ im Fokus
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„Dies Academicus" 2018
© Quelle: Christina Hinzmann
Zu den angeblich von der Entnahme von Bargeld gehörenden Events zählt nach Angaben von Andreas Buick, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen, auch der "Dies Academicus". Der jährlich im Mai ausgerichtete Sporttag der Universität gilt mit fast 10000 Teilnehmern und Besuchern als größtes Sport-Event Südniedersachsens. Nach Tageblatt-Informationen ist auch der "Great Barrier Run" betroffen. Beim im September zum vierten Mal ausgerichteten Extrem-Hindernislauf waren 3000 Teilnehmer an den Start gegangen. Der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit betrifft nach Angaben Buicks die Übungsleiter beim Hochschulsport. Das aktuelle Sportangebot des Hochschulsports umfasst mehr als 100 Sport- und Bewegungsangebote - von A wie Aikido bis Z wie Zumba. Auf seiner Homepage gibt der Unisport an, dass das Übungsleiterteam mehr als 400 Trainer umfasst.
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Great Barrier Run im September in Göttingen.
© Quelle: Swen Pförtner
Beisiegel hat Revision im Mai beauftragt
Die Spitze der Universität Göttingen hat die Fragen der Tageblatt-Redaktion nicht en detail beantwortet, sondern folgendes Statement gegeben: „Wir können bestätigen, dass unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Göttingen heute Einsätze in Gebäuden der Universität Göttingen stattfanden, um einen Anfangsverdacht zu klären. Die Universität unterstützt die Ermittlungen ausdrücklich und in vollem Umfang. Die Universitätspräsidentin hat im Mai 2018 die interne Revision mit einer Sonderprüfung des dem Präsidiumsressort Infrastrukturen zugeordneten Bereichs Hochschulsport beauftragt. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Zu laufenden Verfahren können wir keine weitere Auskunft geben.“
Impuls: Anonyme Anzeige
Impuls für das gesamte Verfahren, erläuterte Buick, war eine anonyme Anzeige. Die daraus resultierenden Ermittlungen hätten den Verdacht erhärtet. Ermittelt werden im Zuge dieses Verfahrens Tatbestände seit 2014. Um welche Größenordnung es sich handeln könnte, hat die Staatsanwaltschaft nicht beziffert.
Privatwohnungen durchsucht
Ziel der Razzia waren nach Angaben Buicks Räume des Sportzentrums, des dazugehörigen Vereins und der Zentralverwaltung der Universität sowie Wohnungen von zwei Beschuldigten in Göttingen. Grundlage dafür waren Durchsuchungsbeschlüsse der Amtsgerichte Göttingen und Braunschweig.
41 hauptamtliche Mitarbeiter und etwa 500 Hilfskräfte: So hat sich der Zentrale Hochschulsport seit 2002 verändert
Die ZEHS hat im Jahr 2002 strukturelle Veränderungen vorgenommen: Bestand das Budget bis dahin noch zu 90 Prozent aus zentralen Mitteln der Universität, beläuft sich der Uni-Anteil heute auf 20 Prozent (Stand Oktober 2018). 80 Prozent der Einnahmen sind selbst erwirtschaftet.
Das Fitnesszentrum (FIZ) wurde 2002 gegründet. Nach der ersten Ausbaustufe war ein Drittel der heutigen Größe erreicht, 2005 folgte die zweite Ausbaustufe. 2006 kam es zum Neubau mit vier neuen Sporthallen und der Gründung der Kletterhalle RoXx – drei Millionen Euro wurden investiert. 2009 erfuhr das FIZ die dritte Ausbaustufe, 2013 folgte mit dem Neu(An-)bau des RoXx das nächste Großprojekt inklusive neuem Sanitärbereich und zwei neuen Kursräumen. Kostenpunkt: mehr als drei Millionen Euro. 2016 entstand schließlich für die Fußballer die Soccer-Arena mit vier Soccer-Courts. Das Gesamtvolumen der Investitionen betrug zehn Millionen Euro. Hierbei handelte es sich nicht um zentrale Mittel der Universität, sondern um selbst erwirtschaftete Einnahmen.
Die Angebote des Hochschulsports sind ausschließlich für Studierende und Bedienstete gedacht. Der Basistarif beträgt monatlich 2,20 Euro, wer das FIZ nutzen möchte, muss mindestens 14 Euro pro Monat zahlen. Eine „tote Zeit“, etwa wegen Semesterferien, gibt es nicht mehr – die Nutzerzahlen liegen in den Ferien bei 70 Prozent der Semesterbelegung, dazu kommt das Kinderferienprogramm. Für Schwimmhalle und RoXx werden Extra-Entgelte fällig. Hier sind Gäste willkommen, genauso wie auf den Soccer-Courts, den Tennisplätzen und den Beachvolleyballfeldern, für die es feste Tarife pro Spielzeit gibt.
Der Personalbestand hat sich seit 2002 vervielfacht. Heute sind 41 hauptamtliche Mitarbeiter und rund 500 (vorwiegend studentische) Hilfskräfte im Hochschulsport tätig. Die Kapazitäten werden ausgereizt: 15 500 und damit rund die Hälfte aller Studierenden der Georgia Augusta sind in FIZ und Hochschulsport angemeldet. Dazu kommen 1500 Bedienstete. Die Zentrale Einrichtung für den Allgemeinen Hochschulsport ist keiner Fakultät zugeordnet.
Fitnesszentrum
Das FIZ hat 5800 Mitglieder, von denen in Spitzenzeiten 200 gleichzeitig trainieren. Den Mitgliedern stehen 164 Geräte zur Verfügung, die kontinuierlich erneuert werden.
Kletterzentrum RoXx
Das Kletterzentrum hat 7000 Nutzer im Monat, 50 Prozent davon sind externe Nutzer wie Schulen. Ungefähr 80 Kletterer sind gleichzeitig aktiv. Das RoXx ist als größte universitäre Kletterhalle Deutschlands auch wettkampftauglich.
Gymnastikhalle
Im 2013 errichteten Neubau befinden sich eine Gymnastikhalle und drei Kursräume. Während in den Kursräumen vor allem Gesundheitssport und Uni-Kurse stattfinden, sind in der Gymnastikhalle, die mit einem großen Spiegel ausgestattet ist, vor allem die Tänzer zu Hause.
Schwimmhalle
Die 1970 errichtete Schwimmhalle ist vier Stunden täglich für den öffentlichen Schwimmbetrieb geöffnet. Vereine und Schulen nutzen die Halle. Ansonsten wird sie von der Universität für Ausbildungszwecke und Wassersportangebote genutzt.
Soccer-Courts
Zwei der vier Kunstrasenplätze sind überdacht, sie werden monatlich von mehr als 1000 Fußballern genutzt. 2016 wurden dafür sanierungsbedürftige Tennisplätze in sogenannte Soccer-Courts umgewandelt. Sind Kapazitäten frei, können auch Gäste, wie beispielsweise Vereine auf den Plätzen trainieren.
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Von Christoph Oppermann, Mark Bambey und Eduard Warda
GT/ET