Ermittlungen eingestellt

Schlagstockeinsatz bei Demo nicht rechtswidrig

Bei der Demonstration am 9. Dezember 2017 gegen die bundesweiten Durchsuchungen nach den G20-Krawallen kommt es in der Roten Straße zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Bei der Demonstration am 9. Dezember 2017 gegen die bundesweiten Durchsuchungen nach den G20-Krawallen kommt es in der Roten Straße zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Göttingen. Es war wohl einer der am besten dokumentierten Polizeieinsätze der letzten Jahre. Die Demonstration linker Gruppen gegen die Hausdurchsuchungen im Zuge der G-20 Proteste am 9. Dezember 2017 wurde nicht nur von der Polizei sondern auch von diversen Kamerateams begleitet. Und so lag dem Staatsanwalt auch reichlich Bildmaterial vor, als es im Nachgang der Auseinandersetzung zu Ermittlungen gegen zwei Beamte der Braunschweiger Beweis- und Festnahmeeinheit (BFE) kam.

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Eines der Videos war kurz nach dem Vorfall über die sozialen Medien verteilt worden und hatte bis heute allein auf Youtube mehr als 37000 Zuschauer. Es zeigt Polizisten, die mit Schlagstock auf Teilnehmer eines Demonstrationszuges einschlagen. Mitten im Gedränge steht Mann, den seine Armbinde als Ordner der Versammlung ausweist. Auch er muss Schläge mit dem Stock und der Faust einstecken und geht schließlich zu Boden. Dort wird er zur Seite gezogen und von Beamten fixiert. Er scheint zumindest vorübergehend ohne Bewusstsein.

Sein Anwalt Sven Adam erstattete Strafanzeige wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt. Das Video spreche für sich, sagte er damals. Er sei gespannt auf die Aussagen der Polizisten. Auch Polizeipräsident Uwe Lührig erklärte nach einer Sichtung des Videos: "Das sieht in der ersten Einschätzung ziemlich hart aus. Da ist massiv Gewalt angewendet worden." Allerdings zeige das Video nur einen Ausschnitt der Szene, schränkte er ein.

Und genau diese Tatsache scheint jetzt dazu geführt zu haben, dass die Ermittlungen gegen die Beamten eingestellt wurden. Wie Frank-Michael Laue, Sprecher der Göttinger Staatsanwaltschaft gegenüber dem Tageblatt erklärte, zeige die Videodokumentation der Polizei die Szenen vor und nach der strittigen Situation. Für die Staatsanwaltschaft ergibt sich daraus offensichtlich ein anderes Gesamtbild der seither viel diskutierten Ereignisse.

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Kollegen zu Hilfe gekommen

So sei unter anderem zu erkennen, dass der schwarze Block kurz vor der Szene auf die Polizisten zugelaufen sei. Dabei soll ein Beamter an einen Baum gedrängt worden sein. Bilder und Zeugenaussagen stimmen darin überein, dass einer der beschuldigten Kollegen ihm zu Hilfe gekommen sei und unter Einsatz des sogenannten Einsatzmehrzweckstocks (EMS) die Demonstranten zurückgedrängt habe. In diesem Fall wäre die vorgeworfene Körperverletzung als Nothilfe für den Kollegen nicht rechtswidrig, so Laue.

Als weiteren Grund für die Einstellung der Verfahren nennt die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung des Ordners am Tag nach der Demonstration in der Universitätsklinik (UMG). Die hätte außer Abschürfungen an den Schultern keinen Befund ergeben. Spuren direkter Gewalteinwirkung, die bei einem Schlag ins Gesicht zu erwarten gewesen wären, seien nicht feststellbar gewesen.

Fixierung auf dem Boden verhältnismäßig

Auch bei der Fixierung auf dem Boden durch Druck ins Genick des jungen Mannes hat sich nach Einschätzung der Ermittler nicht nachweisen lassen, dass der Rahmen der Verhältnismäßigkeit überschritten worden sei. Die auf dem Youtube-Video deutlich zu sehenden Schläge gegen die hinter einem Transparent verborgenen und vermummten Demonstranten hätten sich hingegen nicht zuordnen lassen. „Von den Betroffenen hat sich niemand bei uns gemeldet“, so Laue.

Für Anwalt Adam ist das Ergebnis der Ermittlungen nicht nachvollziehbar. Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass sein Mandant keine bemerkenswerte Schläge erhalten habe, werde durch das Video klar widerlegt. Die Aufnahmen zeigten „brutale und unverhältnismäßige Gewalt“, so Adam. Er legte umgehend Beschwerde gegen die Einstellung bei der Generalstaatsanwaltschaft ein.

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Stellungnahmen zur Einstellung

In einer ersten Stellungnahme äußerte sich am Freitag eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International (ALI): „Die Einstellung des Verfahrens ist ein erneutes Beispiel für das gegenseitige Decken des Göttinger Fachkommissariats 4, Bereitschaftseinheiten und der Staatsanwaltschaft, wie es beispielsweise auch beim Vertuschen der sogenannten Limo-Überwachung 2017 der Fall war.“ Die Staatsanwaltschaft decke mit der Entscheidung Polizeigewalt, selbst wenn sie offen vor Kameras zur Schau getragen werde.

Die Organisation „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ kommentieren: „Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt einzustellen, entspricht leider der gängigen Praxis.“ Problematisch sei, dass diese Ermittlungen polizeiintern geführt würden und Polizisten gegen ihre Kollegen ermitteln. „Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig unsere Forderung nach unabhängigen Ermittlungsstellen ist.“

Von Markus Scharf

GT/ET

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