„Klappe auf!“

Sonderausstellung über „68er“ in Göttingen

„KLAPPE AUF!“. Die Macher der  – die Ausstellung zu 50 Jahre 68er-Bewegung in Göttingen in einem der Ausstellungsräume: wissenschaftliche Volontärin Izabela Mihaljevic (von links), Kuratorin Simone Hübner M.A., Silke Stegemann, Werkstattleiterin des Städt. Museums, und Museumsleiter Dr. Ernst Böhme.

„KLAPPE AUF!“. Die Macher der – die Ausstellung zu 50 Jahre 68er-Bewegung in Göttingen in einem der Ausstellungsräume: wissenschaftliche Volontärin Izabela Mihaljevic (von links), Kuratorin Simone Hübner M.A., Silke Stegemann, Werkstattleiterin des Städt. Museums, und Museumsleiter Dr. Ernst Böhme.

Göttingen. Es ist eine Zeit der Umbrüche und Veränderungen in Politik, Bildung und Gesellschaft. Und es ist eine Bewegung, „die weit mehr ist als eine reine Studentenbewegung“, erklärt die verantwortliche Kuratorin der Ausstellung, Simone Hübner. Sie erfasst schnell auch Schüler und Bürger, geht weit über studentische Themen hinaus und verläuft in Göttingen „deutlich friedlicher“ als in anderen deutschen Städten. „Man wollte vor allem reden und fand auch Gehör“, ergänzt Hübner und stellt damit auch gleich den Bezug zum Titel der Ausstellung: „Klappe auf!“

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Reden wollten vor allem die jungen Göttinger – wie überall – über den Bildungsnotstand an Schulen und Universitäten, über den Vietnam-Krieg und über die Notstandsgesetze, die dem Staat per Verfassung mehr Eingriffsrechte in Krisensituationen sichern sollten. Protestiert haben die Göttinger damals aber auch gegen eine deutliche Erhöhung der Buspreise und den Abriss des barocken „Reitstalls“ der Uni an der Weender Straße. Ein Protest, der zum ersten Mal in der Stadtgeschichte Bürger und Studenten vereint.

Begleitprogramm mit Musik, Vorträge und Podium

Zur Sonderausstellung „Klappe auf!“ zur 1968er-Bewegung in Göttingen gibt es ein Begleitprogramm mit Vorträgen zu speziellen Themen, Musik und einer Podiumsdiskussion. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 11 Uhr (bis auf zwei Ausnahmen) im Museum.

– 27. Mai; Die neue Frauenbewegung als soziale Bewegung, Julia Paulus (Landschaftsverband Westfalen-Lippe).

– 10. Juni; „Es gibt Schüler, die machen jetzt nicht mehr mit“ – zur Schülerbewegung in Göttingen in den 1960er-Jahren, Sandra Funck (Göttingen).

– 24. Juni; „Die RAF leugnet ihre Vorgeschichte....“ – Die Gewalt als Ab- und Irrweg der 1968er-Bewegung, Petra Terhoeven (Uni Göttingen).

– 22. Juli; Die räumliche Entwicklung Göttingens in den 1960er-Jahren, Ernst Böhme (Museumsleiter).

– 29. Juli; „Was hat die Polizei aus ’1968’ gelernt?“, Udo Behrendes (Leitender Polizeidirektor a.D.).

5. August; Berufsverbote und politische Verfolgung nach 1968, Bernd Lowien (Lehrer an der GSG).

– 10. August im Alten Rathaus; Claus Theo Gärtner im Gespräch.

– 19. August; Gespräch mit Bildungsjournalist und Filmer Reinhard Kahl und Buchautor Claus Koch vom früheren „Aktionskomitee Unabhängiger Sozialistischer Schüler“ in Göttingen.

– 24. August im Alten Rathaus; Podiumsdiskussion zum Thema mit Harald Noack, Walter Theuerkauf, Rolf Vieten und Peter Aufgebauer (Moderation).

2. September; die Popmusik um 1967/68, mit Gerhard Kaiser, Uni Göttingen.

Mit der „68er-Bewegung“ entwickelte sich eine neue Protestform, die auch Göttingen in den Griff nahm: Fast wöchentlich gibt es Demozüge in der Stadt, Sit-ins in der Uni und streikenden Schülern. Unzählige Flugblätter werden auf Matritzengeräten „gedruckt“ und verteilt. Viele dieser Flugblätter sind im Original zu sehen – und Fotos: vom Schweigemarsch mit 7000 Teilnehmern zum Tod von J.F. Kennedy, von Protesten gegen die konservative Professorenschaft an der Uni und Auseinandersetzungen mit der Polizei, als diese Mitte 1969 ihre zunächst deeskalierende „Göttinger Linie“ aufgibt.

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Es ist eine außergewöhnliche Ausstellung, die Ur-Göttinger, ältere Zugereiste und die junge Generation von heute gleichermaßen ansprechen und fesseln kann: Sie weckt Erinnerungen, wenn man dabei war; erklärt knapp und verständlich, was vor allem die Jugend vor 50 Jahren so nachhaltig bewegt hat; bettet die Ereignisse fast unmerklich in den politisch-gesellschaftlichen Rahmen bis hin zur Mode ein – und konzentriert sich doch wesentlich auf die Ereignisse und Streitthemen in Göttingen.

Stadthallen-Puzzel

Stadthallen-Puzzel.

„Die Themenvielfalt zu dieser Zeit und ihre Auswirkungen sind so umfassend, dass wir stark auswählen musste“, räumt Museumsleiter Ernst Böhme ein. Trotzdem gelingt es dem Ausstellungsteam, ein ganzheitliches und durchgehendes Bild der 1968er in Göttingen zu zeigen.

Sie beginnt mit der Entwicklung Göttingens zu einer Großstadt und zeigt Fotos sowie Dokumente zum Bau der Stadthalle, zum Bau des Geisteswissenschaftlichen Zentrums der Uni und neuer Schulen nach der Eingemeindung umliegender Orte durch das Göttingen-Gesetz. Die Entwicklung der Uni findet ebenso Raum wie der aufkeimende Protest der Schülerschaft, die sich dann selbstbewusst von der Studentenbewegung abgrenzt. Und im Tapetensaal geben poppig-bunte Kleider, ein alter Fernseher und Plattspieler, Plattencover und großformatige Bilder (zum Beispiel von einer „typischen WG“) einen Eindruck, was den gesellschaftlichen Wandel in der 1986er-Jahren geprägt hat.

Protestmärsche in Göttingen

Protestmärsche in Göttingen.

Die Sonderausstellung wird ungewöhnlich ansprechend präsentiert: mit Filmen und Tonaufzeichnungen (zum Beispiel von Rudi Dutschke in der alten PH), Drehtafeln, Entdeckungsschubladen unter Schaukästen, kleinen Rate-Einheiten zu alten Fotos, einem Stadthallen-Puzzle und einer „Klappe auf!-Wand, an der Besucher Meinungen und Anregungen hinterlassen können.

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Eröffnet wird die Ausstellung „Klappe auf“ zur 1968er-Bewegung am Sonntag, 13. Mai, um 11.30 Uhr im Städtischen Museum, Ritterplan 7-8. Im Abschluss spielt der „Göttinger Pianomann Klaus Faber“ ausgesuchte Titel aus den 1960er-Jahren. Von 15 bis 17 Uhr tritt außerdem das Duo „David & Bernd“ auf – ebenfalls mit Songs aus den (späten) 1960er-Jahren. Gezeigt wird die Ausstellung bis September.

Von Ulrich Schubert

GT/ET

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