„Wir sind gekommen, um Krach zu machen“
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Unter dem Motto „Die Würde der Lesbe ist unantastbar" zogen rund 400 Demonstrantinnen durch die Göttinger Innenstadt.
© Quelle: Heller
Göttingen. Transparente mit Slogans in verschiedenen Sprachen, Sonnenschirme in den Farben des Regenbogens und Frauen aller Altersgruppen. Der Demozug, der sich gegen 14 Uhr an der Godehardstraße in Richtung Gänseliesel aufmachte, war äußerlich und inhaltlich gleichermaßen bunt.
Hier forderten Teilnehmerinnen das Ende des Patriarchats, dort Bleiberecht für lesbische Flüchtlinge. Ein Banner wendete sich gegen Rechts, ein anderes proklamierte Liebe für alle. Ein Flugzettel erzählte die Geschichte von Marielle Franco, einer schwarze lesbischen Abgeordnete im Stadtparlament von Rio des Janeiro, die erschossen wurde. Ein anderer schwärmt vom besten Frauensex.
Gegenseitige Akzeptanz der Andersartigkeit
Ulrike Wolf, Vorstandsmitglied des Lebenrings, betonte daher: „Unser Lesbischsein muss unterschiedlich sein.“ Wichtig sei dabei die gegenseitige Akzeptanz des Andersartigen. Wie auch die Organisatorinnen des Göttinger Lesbenfrühlings betonte die Rednerin am Sonnabend, dass die Auseinandersetzung mit den kontroversen Ansichten Teil des Programms sein müsse. Oder wie es auf einem der Plakate zu lesen war: „Ob flauschig oder militant, wichtig ist der Widerstand.“ Widerstand gegen festgefahrene „Hetero-Werte“, die es aufzubrechen gilt.
Lesbenfrühling
Lesbenfrühling
Geeint wurden die nach Polizeiangaben etwa 400 demonstrierenden Lesben durch das gemeinsame Motto. „Die Würde der Lesbe ist unantastbar“. Leider sei dieses Motto nicht wahr, rief Wolf ihren Mitdemonstrantinnen zu. Es gebe zahlreiche Belege dafür, das die Würde der Lesbe sehr wohl angetastet werde. Noch immer würden Identitäten angezweifelt, Beziehungen infrage gestellt, werde Druck auf homosexuelle Menschen ausgeübt. Noch immer sei das Wort Lesbe keine neutrale Bezeichnung, sondern werde als Beleidigung verwendet, betonte Wolf.
Positive Resonanz
Tatsächlich reagierten die Passanten in der gut gefüllten Göttinger Fußgängerzone wenig ablehnend, als die 400 Frauen zu den Trommelrhythmen der Sambabands „Queerelas“ aus Köln und „STIXX“ aus Wien an Ihnen vorbeimarschierten und tanzten. Auch mit Liedern der Flying Lesbians aus den 1970er Jahren ließ sich 2018 kaum noch ein Göttinger schockieren. Die Texte zu „Wir sind die homosexuellen Frauen“ oder „Frauen kommt her, wir tun uns zusammen“ waren sogar so eingängig, dass eine Gruppe von Mädchen am Straßenrand spontan einstimmte.
Eine ungeplante Solidaritätsaktion erlebten die Lesben auch in der Oberen Masch, wo die Fans des Göttinger Fußballclubs 1. SC 05 spontan ein Transparent entrollten. „Fight Homophobia“ war auf dem in Vereinsfarben gehaltenen Banner zu lesen. Das demonstrationserfahrene Göttingen zeigte sich an diesem sonnigen Wochenende als dankbares Pflaster für eine Lesbendemo.
Tradition seit den 70ern
Der Lesbenfrühling geht in seiner Tradition auf die Pfingstreffen der 70er Jahre zurück. Jährlich kommen mehrere Hundert Frauen aus Deutschland und dem angrenzenden Ausland zusammen. Das Programm der aktuellen Auflage geht noch bis zum Pfingstmontag.
Von Markus Scharf