Zivilpolizei darf bei Versammlungen nicht mehr unerkannt bleiben
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Kritische Blicke auf Demo: Hier Protest aus 2010. Wenn Polizei zivil zusieht, muss sie sich offenbaren.
© Quelle: Heller
Göttingen. Es gab der Klage einer Atomkraftgegnerin statt, der die Einsatzleitung der Polizei bei Mahnwachen vor dem Alten Rathaus mehrfach die Auskunft verweigert hatte, ob jemand und falls ja, wer die Versammlung unerkannt polizeilich beobachtet.
Paragraf Elf des Versammlungsgesetzes besagt in Niedersachsen, dass die Polizei „anwesend sein“ könne bei politischen Versammlungen. Weiter heißt es, Polizisten „haben sich der Versammlungsleiterin zu erkennen zu geben“. Unstreitig ist, dass Polizeibeamte in Uniform, als solche erkennbar sind.
Das Gesetz zu eng formuliert
In Zivilkleidung eingesetzte Kollegen, so Matthias Scholze als Prozessvertreter der Polizeidirektion Göttingen, sollen aber, weil sie „in der Szene agieren“, unerkannt bleiben. Das decke sich mit der Auffassung des früheren Innenministers Uwe Schünemann (CDU), zu dessen Zeit die jetzt in Göttingen verhandelten Demonstrationen stattfanden. Die neue Landesregierung habe sich dazu noch nicht geäußert.
Wenn aber jeder Polizist in Zivil sich vorzustellen habe, wäre er enttarnt, so Scholze. Demnach sei „das Gesetz zu eng formuliert“. So sei es jedenfalls nicht gemeint. Der Behördenvertreter weiter: „Das muss ein redaktioneller Fehler sein.“
Versammlungsfreiheit schützen
Das Gericht aber orientierte sich am Wortlaut des Gesetzes. Das habe zum Ziel, die Versammlungsfreiheit zu schützen. Eben auch dadurch, dass Menschen, die dieses Grundrecht ausüben, andernfalls durch die unerkannte Anwesenheit von Spitzeln eingeschüchtert werden könnten, befürchtete Kläger-Anwalt Johannes Hentschel.
So sehen es auch die Richter. Sie gaben der Klage statt, ließen aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zu. Tenor: Jeder müsse an einer Versammlung teilnehmen dürfen, ohne heimlich beobachtet zu werden.
GT/ET