Demokratie stärken

Zukunftsrat als Möglichkeit für Göttingen?

Politikwissenschaftler Professor Claus Leggewie spricht über die Herausforderungen der Demokratie.

Politikwissenschaftler Professor Claus Leggewie spricht über die Herausforderungen der Demokratie.

Göttingen. Seine Idee der Zukunftsräte als vierte Gewalt der Demokratie hat Professor Claus Leggewie am Donnerstag im Deutschen Theater (DT) in Göttingen vorgestellt. Der renommierte Politikwissenschaftler war zu Gast bei der Fortsetzung der im November 2016 von EPIZ und DT gestarteten Diskussionsreihe unter dem Dach der offenen Gesellschaft. Um die Umsetzung zu prüfen will das EPIZ im kommenden Jahr eine Zukunftskonferenz organisieren.

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Europawahl

„Danke, dass Sie heute über Demokratie sprechen wollen“, begrüßte Leggewie, der von 1986 bis 1989 als Professor an der Universität Göttingen tätig war, die rund 250 Besucher im DT. Die Demokratie habe zu bröseln begonnen. Daran seien unter anderem Staatschefs wie Trump, Putin, Erdogan und Orban schuld. Der Politikwissenschaftler sprach von einer Repräsentationskrise und einem Legitimationsverlust liberaler Demokratien. Die Bevölkerung fühle sich von den Volksvertretungen nicht mehr vertreten. „Das bereitet den Nährboden für Populisten“, sagte er. Deshalb sei es wichtig, im Mai 2019 zur Europawahl zu gehen. Es sei eine so genannte Nebenwahl mit maximal 40 Prozent Beteiligung. „Aber es gehen viele AfD-Wähler“, mahnte Leggewie.

Matthias Micus vom Institut für Demokratieforschung diskutiert zum Thema „Parteiendemokratie - ein überholtes Modell“

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Vertrauen sinkt

Das Vertrauen in die Demokratie sei bei jüngeren Generationen niedriger als bei älteren. Eine von Leggewie vorgestellte Untersuchung zeigte einen starken Abfall bei der Frage, ob es essentiell wichtig sei, in einer Demokratie zu leben. Je jünger, desto weniger wichtig wurde es angesehen. Das sei selbst in gefestigten Demokratien wie Schweden festgestellt worden. In Thüringen habe eine Umfrage ergeben, dass gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung Vertrauen in die Parteien haben. Dafür steige das Vertrauen in Bürgerinitiativen.

Konsultative als vierte Gewalt

Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Professorin Patrizia Nanz schlage Leggewie vor, die Gewaltenteilung zu erweitern und zusätzlich zu Legislative (gesetzgebende Gewalt), Exekutive (ausführende Gewalt) und Judikative (rechtsprechende Gewalt) eine Konsultative (beratende Gewalt) einzurichten. Zwar gebe es Bürgerversammlungen, doch da seien die „Gender Relations“, also die Geschlechterverhältnisse schlecht und die soziale Struktur sehr einseitig.

Zukunftsräte

Zukunftsräte, wie Nanz und Leggewie sie vorschlagen, seien „dauerhafte Einrichtungen einer Gemeinde, eines Stadtteils oder Landes oder einer supranationalen Organisation, die wichtige Zukunftsfragen identifizieren und Lösungsvorschläge ausarbeiten, mit denen sich Legislative und Exekutive substantiell und in angemessener Frist befassen und Feedback geben müssen“. Einem Zukunftsrat sollen je nach politischer Ebene etwa 15 bis maximal 50 zufällig ausgewählte Personen angehören, welche „die Bevölkerung annähernd abbilden und vor allem in ihrer Generationenmischung spiegeln“. Die Mitwirkenden sollen sich regelmäßig treffen und eine maßvolle Aufwandsentschädigung erhalten. Die Amtsperiode des Zukunftsrates betrage zwei Jahre. Er werde von einem Team von Verwaltungsmitarbeitern mit Moderationserfahrung unterstützt, die auch an der Geschäftsführung mitwirken.

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Zukunftskonferenz

Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler im Gespräch mit Moderatorin Luisa Neubauer

Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler im Gespräch mit Moderatorin Luisa Neubauer

„Wird Göttingen die erste Stadt in Deutschland mit einem Zukunftsrat?“, fragte Moderatorin Luisa Neubauer den Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) in einem der drei sich anschließenden Foren. Köhler erklärte, dass er nicht sofort Hurra rufe, nur weil eine Sache gut klinge. In Göttingen habe es bei größeren Projekten wie dem Klimaziel oder der Verkehrsentwicklung immer wieder Bevölkerungsbeteiligungen gegeben. Und man dürfe nicht erwarten, dass bei einem Zukunftsrat hinterher niemand unzufrieden sei. Zum Ende der Diskussion stellte sich die Forderung nach einer Zukunftskonferenz, in der die Möglichkeit der Einrichtung eines Zukunftsrates ausgelotet werden soll. Noreen Hirschfeld, Regionalpromotorin beim Entwicklungspolitischen Informationszentrum (EPIZ), erklärte sich bereit, eine solche Konferenz vorzubereiten.

Von Rüdiger Franke

GT/ET

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