Göttinger Forum Wissen: Kritik am geplanten Umbau des Portikus
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Prof. Peter Aufgebauer vom Institut für Historische Landesforschung, und Rainer Bolli, Abteilungsleiter Gebäudemanagement der Universität Göttingen (v. r.), vor dem Portikus des künftigen Forums Wissen.
© Quelle: Heller
Göttingen. Der Historiker Prof. Peter Aufgebauer vom Institut für Historische Landesforschung hatte sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung ans Tageblatt gewandt: Er sei von Bau- und Kunstinteressierten aus dem Geschichtsverein auf den Umbau des ehemaligen Zoologischen Instituts der Uni, das 1877 als Naturhistorisches Museum eröffnet wurde, angesprochen worden.
Wenn der Portikus, ein Begriff, der in der neuzeitlichen Architektur vor allem die als Säulenhalle gestaltete Vorhalle eines Gebäudes meint, planungsgemäß umgestaltet wird, sei ein „massiver Eingriff in das Aussehen eines denkmalgeschützten Hauses“ zu befürchten. Die Vorhalle sei immerhin „der einzige Portikus, den wir in Göttingen haben“.
Treppe wird eingeschnitten
Was die Universität als Bauherr plant, skizziert Rainer Bolli, Abteilungsleiter des Uni-Gebäudemanagements, beim Vor-Ort-Termin auf der Baustelle. Im Bereich zwischen den mittleren Säulen des Portikus wird die Treppe eingeschnitten, sodass ein ebenerdiger Zugang zum Gebäude gewährleistet ist. Dafür werden neue, längere Türen aus Glas eingesetzt. Der Treppenaufgang rechts und links vom dann barrierefreien Durchlass bleibt erhalten.
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Forum Wissen: Zeichnung der Fassade mit Portikus
© Quelle: LarissaLarissa
Im Gebäude selbst wird eine weitere Treppe durch einen Glasaufzug ergänzt, der in zentraler Position installiert ist. Alles in allem wird durch die Maßnahme im Außenbereich ein Höhenunterschied von einem Meter überwunden, durch den Aufzug im Innenbereich noch einmal knapp 1,50 Meter.
Projekt liegt Architektenentwurf aus Weimar zugrunde
Die Idee gehe zurück auf einen Architektenentwurf aus Weimar, der von Universität und Stadt gegenüber drei weiteren Entwürfen den Vorzug erhalten habe, erläutert Bolli. Das Team aus Weimar von „gildehaus.partner architekten“ habe sich „sehr interessiert“ mit dem Projekt auseinandergesetzt und den Zuschlag insbesondere auch wegen der eingearbeiteten Barrierefreiheit erhalten. „Ob mit Kinderwagen oder im Rollstuhl – man gelangt genauso ins Gebäude wie alle anderen Besucher auch. Das war die Grundidee, und die hat überzeugt“, unterstreicht Bolli.
Natürlich hat der Historiker Aufgebauer nichts gegen Barrierefreiheit, das macht er beim Vor-Ort-Termin deutlich. Er berichtet aber auch davon, dass die Maßnahme selbst innerhalb des Denkmalschutzes strittig sei: „Die fachlichen Meinungen sind nicht einheitlich.“ Aufgebauer erzählt von teilweiser Empörung und „massiven Einwänden“, die Mitglieder des Geschichtsvereins hätten. Seine These: „Im Kern ist es eine politische Entscheidung. Eine historische Fassade wird der Barrierefreiheit geopfert.“ – „...wird für die Barrierefreiheit verändert, würde ich sagen“, ergänzt Bolli.
Warum kein Zugang über die Nordseite?
Der Historiker will von Bolli wissen, ob es nicht die Möglichkeit eines barrierefreien Zugangs über die Nordseite gegeben hätte. Der Uni-Abteilungsleiter verneint: Es hätten einige Prozent Neigung überwunden werden und eine Abstützung vorgenommen werden müssen. Der betreffende Gebäudeteil gehöre außerdem nicht zum Forum.
Museum und Ort der Wissenschaft
Das Forum Wissen soll das zukünftigen Wissens-Museum der Universität Göttingen sein. „Unter einem Dach wird hier Wissen geschaffen und werden das Wissen-Schaffen selbst und seine Ergebnisse sichtbar gemacht“, heißt es dazu im Internet-Auftritt der Universität. Seit der Gründung der Universität seien Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche damit beschäftigt, Objekte, die sie für Forschung und Lehre nutzen, zu sammeln. „So sind über die Jahrhunderte viele wertvolle Sammlungen entstanden, die bisher kaum öffentlich zu sehen sind. Dies möchten wir mit dem Forum Wissen ändern.“ Das Haus öffnet sich laut Universität programmatisch in zwei Richtungen: in die Öffentlichkeit und in die Wissenschaft. „Es hat das Ziel, Wissen zu vermitteln – übernimmt also eine Aufgabe der Universität. Hier wird an und mit Objekten geforscht und gelehrt, es werden Sammlungen erschlossen, digitalisiert und restauriert.“ Zugleich sei das Forum Wissen ein Museum, das Einblicke in laufende Forschung und Lehre ermögliche. Ausstellungen mit wechselnden Perspektiven und offenen Deutungen sollen Besucher dazu bringen, sich kritisch mit Wissenschaft auseinandersetzen. war
Der Kritik an mangelnder Transparenz und öffentlicher Beteiligung bei der Entscheidungsfindung tritt Bollli deutlich entgegen: Nicht nur bei einem Tag der offenen Tür, sondern unter anderem auch im Senat der Universität und über die Medien seien die Pläne vorgestellt worden. Dem pflichtet Aufgebauer bei, gibt aber zu Bedenken, dass es sich dabei stets um eine Vorstellung des Gesamtkonzeptes und nicht einzelner Maßnahmen wie jener am Portikus gehandelt habe.
„Es ist alles in Ordnung, aber es ist schade“, sagt Aufgebauer. „Denn es hat Auswirkungen auf alle, die in der Stadt leben.“ Dass eine entsprechende Diskussion nicht „stadtöffentlich“ geführt worden sei, sei bedauerlich. „Wenn es ein öffentliches Gebäude wäre, wäre in Ausschüssen und anderem öffentlichen Gremien darüber diskutiert worden. So hat es zu Ergebnissen geführt, die von manchen bedauert werden.“
Aufgebauer: „Gebäude prägt das Stadtbild“
„Wir diskutieren über ein universitätseigenes Gebäude nicht mit der breiten Öffentlichkeit“, entgegnet Bolli. Aufgebauer insistiert: „Das kann man aber machen, denn das Gebäude prägt das Stadtbild.“ „Wenn der Geschichtsverein auf uns zu gekommen wäre, hätten wir das natürlich diskutiert. Aber man ist nicht mit uns in Kontakt getreten, und wir gehen nicht von uns aus auf die Leute zu“, stellt Bolli klar.Alles in allem habe die Landesdenkmalbehörde ein positives Votum abgegeben, und insofern halte sich die Universität als Bauherr an die bestehenden Gesetze.
Der Innenbereich des Forums Wissen, das von der Universität als "das zukünftige Wissensmuseum Göttingens" bezeichnet wird, wird bis zur Fertigstellung im Herbst 2020 in den Originalzustand des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. "Das Gesamtgebäude wird erlebbar gemacht", sagt Bolli.
Fassadensanierung beläuft sich auf 700 000 Euro
Aber auch an der Fassade wird bis dahin gearbeitet. „Allein die Fassadensanierung beläuft sich auf 700 000 Euro“, berichtet Bolli. Insgesamt investiere die Universität rund 33 Millionen Euro. „Es ist alles genehmigt und alles beauftragt“, sagt der Uni-Abteilungsleiter – und insofern ist zu diesem Zeitpunkt der Sanierung eigentlich jede Diskussion überflüssig. „Viele haben den Planungsstand nicht mitbekommen. Mit Fakten muss man sich arrangieren“, sagt Aufgebauer.
Uni-Gebäudemanager Bolli sieht beim Vor-Ort-Termin keine Notwendigkeit, am gefassten Beschluss zu zweifeln, im Gegenteil: „Ich bin selbst Architekt, und letztlich muss man sich für eine Lösung entscheiden. Weil das Gebäude ein Museum beherbergen soll, sind Einschnitte notwendig gewesen. Meiner Meinung nach wird es aber ein Schmuckstück werden für die Stadt, der Eingriff wird sehr positiv rüberkommen“, glaubt er. Daran hat Aufgebauer Zweifel – und die bleiben bestehen.
Von Eduard Warda