Hier soll die Stromtrasse durchs Göttinger Stadtgebiet verlaufen
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In solchen Rohren werden die Kabel für den Südlink verlegt. In einem Graben sollen dann zwei bis vier Rohre untergebracht werden.
© Quelle: Roland Weihrauch/dpa
Göttingen. Die geplante Stromtrasse Südlink soll Windstrom vom Norden in Deutschlands Süden liefern und führt westlich an Göttingen vorbei. Zu dem Vorhaben hat die Stadtverwaltung Göttingen mit der Bürgerinitiative „Gegenwind“ und mehreren Ortsräten eine Info-Veranstaltung für Dienstag, 2. April, organisiert.
Der Stand der Dinge: Der Netzbetreiber „TenneT“ und der zweite Betreiber TransnetBW haben der Bundesnetzagentur als zuständiger Behörde einen Trassenkorridor empfohlen. In Niedersachsen führt er westlich an Hannover, Hildesheim und Göttingen vorbei.
Insgesamt umfasst das Südlink-Projekt ein Netz von fünf Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen mit einer Gesamtkapazität von zehn Gigawatt. Die Trasse führt durch fünf Bundesländer – Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Die Trasse wurde an Städten und Dörfern, Naturschutzgebieten, Industrieflächen, Schulen oder Krankenhäusern so weit herumgeführt, um „den größtmöglichen Abstand zu Wohngebieten zu halten“, erklärt Tennet, einer der Trassenbetreiber.
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Südlink: Der geplante Trassenverlauf.
© Quelle: GT
Vier Konzerne
Das gesamte Südlink-Netz wird von den vier Konzernen Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW betrieben. Diese Unternehmen speisen den Großteil des Stroms ins Netz ein. Entlang der Strecke verteilen etwa 800 kleinere Stromanbieter wie beispielsweise Stadtwerke den Strom regional bis zum Verbraucher.
Die Südlink-Leitungen sollen in weiten Teilen als Erdkabel verlegt werden. Die Stahlmasten für Freileitungen müssen wegen der Höchstspannung von 380 Kilovolt höher sein als die üblichen Masten – 50 bis 75 Meter. Um Stromüberschläge zu vermeiden, müssen die Abstände, beispielsweise zu landwirtschaftlichem Gerät oder Bäumen, größer sein.
Den Planungen zufolge wollen die Betreiber acht etwa zehn bis 15 Zentimeter dicke Kabel in etwa 1,80 Metern Tiefe in der Erde verlegen. Sie beanspruchen dafür einen ungefähr 30 Meter breiten Korridor. Hauptsächlich sollen die Kabel unter Feldern verlaufen – die Landwirte fordern dafür eine dauerhafte Entschädigung. Auch das treibt die Preise: Ursprünglich hatten Tennet und Transnet-BW für den Südlink mit Kosten von drei Milliarden Euro gerechnet – dieses Konzept basierte allerdings noch auf Freileitungen mit Masten. Die jetzt vorgesehene Erdverkabelung werde mindestens dreimal so viel kosten, hieß es.
Trassenverlauf
Die jetzt von Tennet eingereichten Unterlagen betreffen den Abschnitt C der Südlink-Trasse. Der beginnt bei Bad Gandersheim/Seesen und endet in Gerstungen in Thüringen. In Südniedersachsen verläuft die Haupttrasse nach den aktuellen Plänen von Einbeck durch einen Korridor, der östlich von Moringen, zwischen Lütgenrode und Wolbrechtshausen, westlich von Lenglern, westlich von Göttingen, zwischen Rosdorf und Mengershausen und westlich von Sieboldshausen verläuft, bevor sie westlich von Friedland auf hessisches Gebiet trifft.
Im Süden der Region wird die neue Trasse voraussichtlich über das Werratal entlang der hessisch-thüringischen Landesgrenze verlaufen, hat die Bundesnetzagentur mitgeteilt. Agentur-Chef Jochen Homann erklärt, seine Behörde werde den Vorschlag in und mit der Öffentlichkeit diskutieren. Dabei besteht erneut die Möglichkeit, formal zum Projekt Stellung zu nehmen und Einwendungen zu erheben.
Neben der Raumverträglichkeitsstudie und einer Umweltprüfung beinhalten die von Tennet eingereichten Unterlagen auch Untersuchungen zum Arten- und Gebietsschutz, heißt es. Die Unterlagen sollen demnächst auf der Internetseite www.netzausbau.de/vorhaben3-c veröffentlicht und für einen Monat in den Regionen ausgelegt werden.
Grundstücksgenau
Alle bisherigen Hinweise einschließlich ihrer fachlichen Bewertung können in den Internet-Auftritten von Tennet und TransnetBW eingesehen werden. „Am Ende der Bundesfachplanung“, erklärt Tennet, „wird der genaue Trassenkorridorverlauf auf Grundlage der einzureichenden Unterlagen durch die Bundesnetzagentur festgelegt. Im anschließenden Planfeststellungsverfahren wird dann der grundstücksgenaue Verlauf der Erdkabel innerhalb des festgelegten Korridors entwickelt.“
Der Göttinger Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin (Grüne) erklärte, der Südlink-Vorschlag für einen Erdkabelkorridor sei „ein wichtiger Schritt für die Energiewende hin zu einer CO2-freien Stromerzeugung“. Durch die Erdverkabelung könne die Belastung für das Landschaftsbild und die Anwohner minimiert werden: „Es ist gut, dass die Bürgerbeteiligung anders als bislang wirklich so früh stattfindet, dass die Planungen noch im Fluss sind und neue Fakten neue Ergebnisse produzieren. Dies führt dazu, dass im Raum Göttingen eine Trasse westlich von Göttingen und nicht mehr östlich davon im Bereich Duderstadt vorgeschlagen wird.“
Thüringen will klagen
Die Landesregierung von Thüringen will nach wie vor gegen den Trassenverlauf klagen. Durch das östliche Bundesland führen 78 Kilometer der neuen Trasse. Die Netzbetreiber betonten hingegen, sie hätten sich bei der Auswahl an sachlichen Kriterien wie Wasser- und Artenschutz oder Baugebieten orientiert.
Aus Sicht der Stadt Göttingen und der Bürgerinitiative „Gegenwind“ zahlreiche Argumente, die gegen den eingereichten Trassenkorridorvorschlag in der Region Göttingen sprechen. So berühre der vorgeschlagene Trassenkorridor das Göttinger Siedlungsgebiet erheblich, vor allem in Hetjershausen, wo sich weite Teile des Ortsteils innerhalb des Korridors befinden. Auch Elliehausen, Groß Ellershausen und Esebeck sind zum Teil stark betroffen.
Info-Veranstaltung
Auf der Info-Veranstaltung der Stadt am Dienstag, 2. April, sollen die Argumente von Gegnern und Befürwortern mit Vertretern der Stadt, des Planungsträgers, den Ortsräten Groß Ellershausen/Hetjershausen/Knutbühren und Elliehausen/Esebeck ,der Genehmigungsbehörde, der Bürgerinitiative und Bürgern diskutiert werden. Der Info-Abend findet statt im Hotel Freizeit In, Dransfelder Straße 3. Beginn ist um 19 Uhr.
Im Zusammenhang mit den neuen Stromtrassen untersucht die Universität Göttingen die Auswirkungen unterirdischer Kabel auf das Erdreich. In den Trassen sollen ausgewählte Abschnitte unterirdisch verlegt werden. Da dieses Verfahren relativ neu ist, untersuchen Agrarwissenschaftler der Universität Göttingen im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers Tennet die Wirkungen unterirdischer Stromtrassen auf das Erdreich in der unmittelbaren Umgebung, teilt die Universität mit. Die Vorarbeiten zu diesem auf sechs Jahre angelegten Projekt beginnen in diesen Tagen auf einem Testfeld südlich von Göttingen. Dort wird auf einer Strecke von etwa 100 Metern eine unterirdische Leitungstrasse mit entsprechenden Ausmaßen und der erwarteten Wärmeabstrahlung simuliert.
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Treckerdemo bei Rosdorf. Die Südlink-Erdverkabelung bringt die Bauern auf die Barrikaden.
© Quelle: Christian Jagielski
Bürgermeister für Trasse im Eichsfeld
In den von der westlichen Südlink-Variante betroffenen Orten im Göttinger Umland überwiegt die energische Ablehnung der Trassenführung, es gibt aber auch moderate Stimmen. Zu ihnen gehört Friedlands Gemeindebürgermeister Andreas Friedrichs (SPD). Auch er hat auf eine andere Trasse gehofft, lehnt aber das St.-Florians-Prinzip ab. Wer die Energiewende wolle, müsse auch den Transfer sauberer Energie hinnehmen: „Mit genereller Ablehnung löst man das Problem nicht.“ Es gehe um die wirtschaftlich sinnvollste Trassenlösung, mit der man sich sachlich auseinandersetzen, technische Aspekte noch vertiefen müsse. Die Belastungen müssten so gering wie möglich bleiben, da dürfe Geld keine entscheidende Rolle spielen. Zu bedenken gibt Friedrichs, dass nach Mülldeponie und Autobahn mit der Stromtrasse zwischen Klein Schneen und der A 38 die Gemeinde weiter beeinträchtigt werde. Mit dem Landvolk werde noch eine Info-Veranstaltung für Friedland abgestimmt.
Infomarkt am 29. April
Das Südlink-Projektteam von Tennet und Transnet, bei dem rund 4000 Hinweise eingegangen sind, will die Ergebnisse der Raum- und Umweltverträglichkeit für die Erdverkabelung auch bei einem Infomarkt am 29. April von 16 bis 19 Uhr im Bürgerhaus Bovenden vorstellen. Flecken-Bürgermeister Thomas Brandes (SPD) verweist auf die interfraktionelle Resolution, die am Freitag im Gemeinderat beschlossen werden soll. Darin wird die unterirdische Windstromleitung zwischen Harste und Lenglern „entschieden abgelehnt“. Mit der vorhandenen 110-Kilovolt-, der geplanten 380-Kilovolt-Leitung und Vorrangflächen für Windenergie leiste die Gemeinde bereits einen erheblichen Beitrag zur Energiewende. „Wir sind alle für die Energiewende, die Lasten müssen aber gleichmäßig verteilt werden“, meint auch Rosdorfs Gemeindebürgermeister Sören Steinberg (SPD), der die Ost-Variante favorisiert hatte und ebenfalls auf die bereits hohe Belastung des Leinetals verweist.
„Gegen die westliche Südlink-Variante“
„Entsetzt über die Tennet-Empfehlung“ ist Heidrun von der Heide (SPD). „Der Ortsrat und der Rat der Stadt Göttingen haben sich von Anfang an gegen die westliche Südlink-Variante ausgesprochen“, betont die Ortsbürgermeisterin von Hetjershausen, Groß Ellershausen und Knutbühren, verweist auf den sehr engen Korridor zwischen Altdorf und Hasenwinkel in Hetjershausen sowie das bereits erschlossene Baugebiet Deneweg und weitere im Flächennutzungsplan ausgewiesene Bauflächen. Durch die Westtrasse würde die künftige Entwicklung der Stadt Göttingen erheblich eingeschränkt. Besonders ärgert die Ortsbürgermeisterin das Bündelungsgebot im engen Leinetal, durch das auch die 380-kV-Wechselstromleitung führen soll. Beide Vorhaben seien Pilotprojekte, sagt von der Heide. Es mangele an Erfahrungen und eingehenden Untersuchungen. Beim Südlink würden zwar die offiziellen Gleichstrom-Grenzwerte eingehalten, mögliche gesundheitliche Gefährdungen seien aber nicht auszuschließen, in anderen Ländern würden andere Grenzwerte gelten.
Weitere Entwicklungseinschränkungen durch Südlink befürchtet auch Michael Voß (SPD), Ortsbürgermeister von Elliehausen und Esebeck: „Wenn sich etwas anderes machen ließe, sollte etwas anderes gemacht werden.“ Ein zusätzlicher Belastungsfaktor sei zwar die geplante 380-kV-Leitung mit Strommasten, sie biete aber auch die Chance, vorhandene kleine Oberleitungen aufzunehmen.
Bodenfruchtbarkeit hat Priorität für die Bauern
Das Göttinger Landvolklegt den Fokus bei den Südlink-Vertragsgestaltungen auf die dauerhafte Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit. „Das hat für uns absolute Priorität“, sagt Achim Hübner, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands: „Der Eingriff in den Boden, der übrigens der aktiven Landwirtschaft nur noch zu etwa einem Drittel gehört, wird erheblich sein.“ Da beide Trassen-Alternativen (Göttingen oder Eichsfeld) im Verbandsgebiet liegen, lasse sich eine Landvolk-Position für eine Vorzugstrasse ohnehin nicht finden. Wert legt Hübner auf die Feststellung, dass als Baustein der Energiewende auch Kabeltrassen geduldet werden müssen: „Wir sind selbst Wirtschaftsverband und halten uns beim grundsätzlichen Boykott von Infrastrukturmaßnahmen eher zurück – auch wenn es manchmal sehr schwer fällt.“ Wenig optimistisch für anstehende Südlink-Verhandlungen stimmen Hübner die Erfahrungen mit Tennet beim 380-KV-Projekt Wahle-Mecklar: „Für den etwa 35 Kilometer langen Freileitungsbereich haben wir einen Rahmenvertrag geschlossen, für die 5,5 Kilometer Erdverkabelung westlich von Göttingen erscheint das nach wie vor problematisch.“
Weitere Informationen gibt es online unter hier und hier.
Von Matthias Heinzel