Haus Weitblick in Rosdorf: Jetzt bleibt den Eltern nur noch eine Chance
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Das Haus Weitblick neben dem Rosdorfer Familienzentrum könnte schon bald mehr Bewohner haben.
© Quelle: Christina Hinzmann
Rosdorf. Ein langer Kampf hat sein vorläufiges Ende gefunden: Am Mittwochabend haben rund 20 Familien beschlossen, ihre Kinder im Haus Weitblick einziehen zu lassen. Das Rosdorfer Wohnprojekt für junge Menschen mit Mehrfachbehinderung wird also fünf Monate nach der Eröffnung endlich mit Leben gefüllt. Am Ziel sind sie damit aber noch nicht, denn die Finanzierung der Wohnplätze ist weiter ungeklärt.
„Uns bleibt nur diese eine Möglichkeit“, sagt Karsten Wissmann: „Wir ziehen ein und verklagen jeder einzeln das Sozialamt auf Übernahme der Mietkosten.“ Ein Weg, den er wie alle Eltern gern vermieden hätte. Bis zuletzt habe man auf eine gütliche Einigung gewartet.
Nachdem sich aber auch die letzten Hoffnungen auf ein Einlenken des zuständigen Landessozialamts Hildesheim zerschlagen hatten, sehen sie keine andere Lösung mehr. Der Ausgang einer solchen Klage ist allerdings ungewiss und das finanzielle Risiko liegt bei den Familien.
Haus Weitblick in Rosdorf: Zehn Jahre gesucht
Zur Vorgeschichte: Vor fast genau zehn Jahren schloss sich eine Gruppe von Eltern mehrfach behinderter Kinder zusammen, um für ihre Schützlinge eine sichere Zukunft zu planen. Sie alle hatten erfolglos nach einer geeigneten Einrichtung gesucht und sich auf diverse Wartelisten eintragen lassen. Am Ende stand bei allen die Erkenntnis, dass sie selbst aktiv werden müssen, wenn ihre Kinder die Chance bekommen sollen, im Erwachsenenalter das Elternhaus zu verlassen. Sie fanden einen Investor, mit der Medem Real Care GmbH aus Wiesbaden einen geeineten Träger und im Ortskern von Rosdorf einen Bauplatz.
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Nach mehreren Verzögerungen, stetig steigenden Baukosten, Änderungen im Bundesteilhabegesetz und einem mehrfachen Zuständigkeitswechsel zwischen Landkreis und Landessozialkasse wurde im Mai 2022 das Haus Weitblick mit 35 Wohnplätzen eröffnet. Einziehen konnten allerdings nur fünf der ursprünglich über 20 Interessenten, denn es fehlte die Zusage für die Übernahme der Wohnkosten.
Das Landessozialamt lehnte diese ab und verwies dabei auf erhebliche Abweichungen bei den Baukosten und der zur Verfügung stehenden Quadratmeterzahl. Kurz: Die Einrichtung war zu groß und zu teuer gebaut worden, um förderfähig zu sein. Außerdem gebe es bereits genug geeignete Wohnangebote im Land, erklärte die Behörde auch gegenüber dem Tageblatt.
Haus Weitblick in Rosdorf: Alle Bemühungen der Eltern erfolglos
Was folgte, waren Gespräche und Briefwechsel in unterschiedlichste Richtungen. Die Eltern machten Kompromissvorschläge und scheiterten, suchten Unterstützung und starteten eine Petition. Am Ende waren Kommunalpolitiker, der Landrat, Abgeordnete in Land und Bund, die stellvertretende Landtagspräsidentin und die Sozialministerin selbst mit der Sache befasst. Wissmann bringt es auf den Punkt: „Zumindest müssen wir uns nicht vorwerfen, dass wir nicht alles versucht hätten, was in unserer Macht stand.“ Doch alle Bemühungen haben am Ende wenig gebracht.
Im Ergebnis bleibt es bei einem monatlichen Fehlbetrag von rund 500 Euro pro Bewohner. Der Betreiber komme ihnen mit einem Mietnachlass von etwa 100 Euro entgegen. Das habe Hella Kroll, Geschäftsführerin der Medem Real Care, den Eltern am Mittwoch noch einmal zugesagt, so Wissmann. Der Betreiber stehe zur Freude der Eltern trotz der bisherigen Einbußen weiterhin hinter dem Projekt, komme ihnen sogar mit den Mietkosten um rund 100 Euro entgegen.
Familien entscheiden sich für Einzug in Haus Weitblick
Hätten sich die Familien jetzt nicht für einen Einzug entschieden, hätte zum 1. Oktober eine Umwidmung des Hauses in eine Pflegeeinrichtung für junge Pflege nach SGB IX im Raum gestanden. Dann hätte ein Großteil der urspünglichen Interessenten nicht einziehen beziehungsweise wieder ausziehen müssen.
So auch Wissmanns Tochter Madita, die sich mittlerweile im Haus Weitblick eingelebt hat. Doch damit will sich ihr Vater jetzt nicht mehr befassen müssen. Er sei aktuell damit beschäftigt, einen Förderverein zu gründen, um die Familien unterstützen zu können, denen die Kosten über den Kopf wachsen. Der nächste Schritt sei dann die Suche nach weiterem Personal – die nächste große Herausforderung für das Haus Weitblick.
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