Ein leiser Streiter für Radwege
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Den Verkauf zu vieler Stadtwerke-Anteile verhindert: Ralf Strobach vor den Schloten des Heizkraftwerks.
© Quelle: Philipp von Ditfurth
Hannover. Zum Beispiel dieser schmale Radweg auf halber Strecke zwischen Linden und Stadtmitte. Eingezwängt zwischen Parkplätzen und Fußweg liegt er da. Ralf Strobach hat die Verkehrssituation mal ausgemessen, schon der grobe Blick sagte ihm damals: maximal fünf Spuren für Autofahrer, und bloß dieses Nichts von einem Radweg. Jedenfalls ist es in seinen Augen ein Nichts. „Dieses Ein-Meter-Dings da, das ist doch Scheiße“, sagt Strobach. Er lacht über dieses Ein-Meter-Dings, nicht empört wie ein Öko-Fundamentalist über verbohrte Stadtplaner lachen könnte, die es immer nicht begriffen haben. Er lacht wie jemand, der über skurriles Zeug im Leben lacht.
Ralf Strobach, 51, ist das amtierende Umweltgedächtnis der Stadt. Seit 20 Jahren ist er Geschäftsführer der Bürgerinitiative Umweltschutz (Biu), die ihrerseits 1971 auf den politischen Plan trat und damit praktisch Gründungsmutter etlicher nachgekommener Landschafts-, Vogel- und Radfahrerschutzgruppen auf unserem blauen Planeten ist. Hannover eingeschlossen.
„Einer muss den Hut aufhaben“
Der Weg zum Chef war nicht eben vorgezeichnet. Nach Abitur und Zivildienst lernte Strobach Tischler, studierte Politik im Hauptfach und Betriebswirtschaft in zweiter Linie nicht bis zum Abschluss, nebenbei arbeitete der Student bei der Bürgerinitiative. Weil es immer mehr zu tun gab (Hannover wollte eine schlimme Weltausstellung veranstalten, mit Wohnungsnot und allen Schikanen!), suchten sie dort einen hauptberuflichen Leiter. Strobach hängt das niedrig, die Initiative am Tropf der Stadt hatte ja nie eine Handvoll Mitarbeiter. „So viel ist das auch nicht“, sagt er, „aber einer musste den Hut aufhaben, Finanzpläne machen und mal nach außen was erklären. Das war dann eben ich.“
Mit den Themen war er vertraut. Strobach demonstrierte im Wendland wie Zehntausende seiner Generation gegen das Atom und in Bonn gegen die Pershings. In lokale Stadtkonflikte arbeitete er sich ein. Die Bürgerinitiative prognostizierte die Expo als Chaos. Strobach erinnert sich daran, alles in schwarzen Farben gemalt zu haben, allerdings auf Basis von offiziellen Zahlen, die für Niedersachsens Hauptstadt Hannover sagenhafte 40 Millionen Besucher erwarteten. Besser lief es für die Biu ein paar Jahre vorher. Im Rathaus gab es Pläne, 40 Prozent der Stadtwerke zu verkaufen, der Hype um Privatisierung kommunaler Besitzstände hatte auch das Rathaus ergriffen, und ein Gutachten versprach der Kommune ein gutes Geschäft. „Das haben wir auseinandergenommen“,sagt Strobach, und dieser Arbeit schreibt er einen größeren Anteil daran zu, dass der Verkauf zumindest einige Prozentpunkte kleiner ausfiel. Kraftwerke in kommunaler Hand bedeuten eben auch Einfluss auf deren Energiepolitik.
Vermittler zwischen Interessen
Ein Erfolg also, und deshalb wählte Ralf Strobach die markanten Schornsteine des Lindener Stadtwerke-Heizkraftwerks zum Treffpunkt für einen Spaziergang. Gegenüber wartet das Ihme-Zentrum auf seine Zukunft. Da müsse man auch mal zu machen, sagt Strobach. Bloß was, wenn schon die eigene Internetseite so aussieht, als sei die Bürgerinitiative vor ein paar Jahren ausgestorben? Und wie will er vernünftige Vorschläge vorlegen mit noch einem Bundesfreiwilligen und Halbtagskräften im Büro? Einfach irgendwas auf den Tisch legen, damit es irgendwie knallt und provoziert, das ist nicht seine Vorstellung von seriöser Arbeit. „Das bringt ja nichts“, sagt Strobach. Er wolle etwas erreichen, und das gelinge nicht, wenn man Leute vor den Kopf stoße, von denen man etwas wolle, Leute in Politik und Verwaltung also. Strobach beschreibt seinen Anspruch an sich selbst als Vermittler zwischen Interessen. Bis vor kurzem war er Mitglied der Grünen, ist aber ausgetreten, weil er die Biu als überparteilich positionieren will.
Es scheint, dass Umweltlobbyismus schwieriger geworden ist. Jede Partei hat Umwelt im Portfolio. Wenn er in seinem Büro in der Stephanusstraße heute Broschüren der Stadtverwaltung liest, hat er oft den Eindruck, „die könnten inzwischen von uns stammen“, für Radverkehr etwa. Aber dann komme es darauf an, Politiker und Stadtplaner im Detail zu überzeugen, damit Broschüren nicht wertloses Papier blieben. Zum Beispiel aus diesem Ein-Meter-Dings in Linden einen zwei Meter breiten Weg zu machen. Aber das ist, Strobach weiß es, weder sexy noch sonderlich attraktiv für öffentliche Selbstdarstellungen der Initiative.