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Prozess 

Messerstich in Lehrte traf das falsche Opfer

Der Angeklagte Hadi H. (M.) beobachtet gemeinsam mit seinen Verteidigern Marco Neumann (l.) und Anselm Schanz den Einzug des Gerichts.

Der Angeklagte Hadi H. (M.) beobachtet gemeinsam mit seinen Verteidigern Marco Neumann (l.) und Anselm Schanz den Einzug des Gerichts.

Lehrte / Hildesheim. Ein 20-jähriger Schüler muss sich seit Mittwoch vor einer Jugendschutzkammer am Landgericht Hildesheim wegen versuchten Mordes verantworten. Hadi H. gestand, am 31. Oktober 2017 – also am Reformationstag – im Stadtpark Lehrte einen damals 30 Jahre alten Mann niedergestochen zu haben. Wie der aus Syrien stammende Kurde jesidischen Glaubens über seinen Verteidiger Anselm Schanz erklären ließ, habe er geglaubt, seine Schwester habe eine Affäre mit einem Moslem und sollte von diesem gezwungen werden, ihre Familie zu verlassen. Tatsächlich aber traf der um ein Haar tödliche Messerstich den Angehörigen einer aus dem Nordirak stammenden jesidischen Familie aus Lehrte, der offenbar einer Verwechslung zum Opfer fiel.

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Herz nur knapp verfehlt

Der 30-Jährige, der stark blutete,  konnte sich kurz nach der Tat gegen 20 Uhr noch zu einer nahegelegenen Straße schleppen. Das Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern war knapp fünf Zentimter in seinen Körper eingedrungen; die Lunge wurde verletzt, das Herz knapp verfehlt. Eine Frau fand das Opfer und verständigte die Polizei, dank einer Notoperation konnte das Leben des Staplerfahrers gerettet werden. Wie er vor der 3. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Barbara Heidner erklärte, war er drei Monate krankgeschrieben und leidet bis heute unter körperlichen Beschwerden sowie Albträumen.

Staatsanwalt Wolfgang Scholz sprach bei der Anklageverlesung von einem Mordversuch aus Heimtücke und einem „hinterlistigen Überfall“. Hadi H. habe seine zur Tatzeit 22 Jahre alte Schwester unter dem Vorwand in den Stadtpark gelockt, er wolle sich umbringen und sei bereits schwer verletzt. Doch brachte die Schwester zu dem Treffen nicht ihren Freund mit, sondern dessen Bruder. Als sich dieser über den vermeintlich am Bauch verwundeten H. beugte, sprang dieser auf und stach zu. Anschließend lief der Schüler weg; sein Vater lieferte ihn wenig später bei der Polizei ab.

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Versöhnung im Gerichtssaal

Das Beziehungsgeflecht zwischen den zwei kurdischen Familien, die seit rund 20 Jahren in Deutschland leben, ist schwer zu durchschauen. Einige Angehörige kennen sich schon lange und sind nach eigenem Bekunden miteinander befreundet. Das Opfer der Messerattacke erklärte vor Gericht, er kenne den Täter nicht – konnte der Polizei am 31. Oktober aber seinen Namen nennen.

Ein wenig inszeniert wirkte die Versöhnungsszene, die Täter und Opfer im Gerichtssaal zelebrierten: Eine halbe Minute lang schüttelten sich die Männer die Hände und klopften sich auf die Schultern. Der 20-Jährige betonte, wie leid ihm der Angriff tue, das Opfer äußerte Verständnis und wünschte dem Jüngeren „alles Gute“. Kurz zuvor hatte er den Mordversuch mit den Worten heruntergespielt, jeder habe in seinem Leben doch schon mal einen Fehler gemacht und auch H. habe eine zweite Chance verdient.

Schmerzensgeld ist Thema

Die mehrfachen Nachfragen von Gericht und Staatsanwalt, ob von der Familie des Täters bereits Schmerzensgeld gezahlt worden sei, verneinten alle Beteiligten. Allerdings gibt es zwischen den Anwälten der beiden Parteien Gespräche, inwieweit Ausgleichszahlungen in das gerichtliche Verfahren einbezogen werden.

Der 28-Jährige, dem der Messerstich tatsächlich gegolten haben soll, ist verheiratet. Nach eigenem Bekunden führte er eine heimliche Beziehung mit der Schwester des Täters, hatte sich aber bereits vor Monaten von der heute 23-Jährigen getrennt. Diese allerdings habe nicht loslassen können und ihn ständig bedrängt. Diese Aussage steht in krassem Widerspruch zu der Einschätzung, die der Angeklagte von der Beziehung zwischen seiner Schwester und ihrem Freund wiedergegeben hatte. Die Strafkammer hat fünf Verhandlungstage anberaumt, um den Beinahe-Mord im Lehrter Stadtpark aufzuklären.

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Von Michael Zgoll

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