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Suche nach Sefin Nahmann Pesso

Polizei fahndet nun auch nach Fluchthelfer

Ein Polizeikommando suchte wenige Tage nach dem Mord in einer Burgdorfer Wohnung nach dem Täter – ohne Erfolg.

Ein Polizeikommando suchte wenige Tage nach dem Mord in einer Burgdorfer Wohnung nach dem Täter – ohne Erfolg.

Hannover . Durch die Veröffentlichung des Bildes haben die Behörden auch eine Diskussion im Internet ausgelöst. Dort wird darüber spekuliert, wo der 22-Jährige, der seit knapp drei Wochen auf der Flucht ist, zuvor arbeitete. Am früheren Wohnort der Familie des Opfers berichten Nachbarn unterdessen von Zweifeln an der Darstellung des Vaters, er sei gegen die Zwangsehe gewesen, gegen die sich seine Tochter Shilan H. wehrte – wofür sie offenbar mit dem Leben bezahlte.

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Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile auch ein Verfahren gegen einen Cousin des Täters eingeleitet. „Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Strafvereitelung ermittelt“, sagte Staatsanwältin Kathrin Söfker. Er soll Nahmann Pesso nach den tödlichen Schüssen am Abend des 13. März bei der Flucht aus dem Veranstaltungsgebäude an der Straße Alter Flughafen geholfen haben. Auch von ihm hatte der Vater des Opfers, Ghazi H., Anfang dieser Woche ein Foto auf Facebook veröffentlicht und ihn für den Tod seiner Tochter Shilan verantwortlich gemacht.

Das Jesidentum

Ähnlich wie Christen oder Muslime glauben Jesiden an einen allmächtigen Gott. Er wird von Tausi Melek, dem sogenannten „Engel Pfau“ vertreten. Er dient Gott als Wächter der Welt, als Mittler zu den Menschen und fungiert somit für die Jesiden als Ansprechpartner. Zeitgleich ist er das Oberhaupt von sieben Engeln.

Anders als im Christentum gibt es jedoch keine Hölle oder einen Teufel. Auch eine Heilige Schrift wie die Bibel oder den Koran haben die Jesiden nicht. Der Glaube wird nur mündlich überliefert.
Nicht nur deshalb wird innerhalb der Glaubensgemeinschaft großer Aufwand betrieben, damit die Religion nicht ausstirbt. Zum Jesidentum kann man nämlich nicht konvertieren. Als Jeside wird man nur geboren, wenn sowohl Vater als auch Mutter Jesiden sind. Deshalb wird fast nur innerhalb der Gemeinschaft geheiratet. Viele Jesiden, die ausschließlich Kurden sind, leben im Irak, weitere Gruppen auch im Iran, der Türkei, in Syrien und in der südlichen ehemaligen Sowjetunion. In Deutschland leben rund 90.000 Jesiden; vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.  jki

Das Foto, auf dem neben dem mutmaßlichen Täter und seinem Cousin auch noch sieben andere Männer abgebildet waren und das Ghazi H. mittlerweile wieder aus dem sozialen Netzwerk genommen hat, sorgt weiterhin für Diskussionen im Internet. Es ist nun auf einer Facebook-Seite aufgetaucht, auf der sich regelmäßig Bewohner von Uetze austauschen. Dort wird auch wegen des offiziellen Fahndungsfotos der Polizei darüber diskutiert, ob Nahmann Pesso in einem Imbiss an der Uetzer Kaiserstraße gearbeitet hat oder dieser ihm womöglich gehört.

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Gesucht: Sefin Nahmann Pesso.

Gesucht: Sefin Nahmann Pesso.

Staatsanwältin Söfker wollte sich zur Verbindung von Nahmann Pesso zu dem Imbiss nicht äußern. Nach Informationen der HAZ wird das Geschäft von einem Mitglied der Großfamilie des Opfers und des Täters betrieben. Mit Blick auf die entsprechenden Diskussionen im Internet und die erst zwei Wochen nach der Tat begonnene Fahndung mit dem Namen und Foto des Gesuchten sagte Söfker: „Ein Grund dafür, warum wir mit der öffentlichen Fahndung nach Verdächtigen etwas länger warten, ist, dass ein Foto auch Verwirrung schaffen kann.“ Polizei und Staatsanwaltschaft erlebten es immer wieder, dass Zeugen sich melden, die den Gesuchten auf einem Foto mit jemand anderem verwechseln.

Nach Berichten von Anwohnern aus der früheren Nachbarschaft in Wiesenau, wo Ghazi H. mit seiner Frau und elf Kindern bis Februar wohnte, soll es in der jesidischen Großfamilie bis zu dem Mord keine für das Umfeld offensichtlichen Konflikte gegeben haben. Auf seiner Facebook-Seite hatte Ghazi H. hingegen berichtet, dass es erst im vergangenen Jahr einen Bruch mit dem Rest der Verwandstschaft gab, als seine beiden Brüder versuchten, eine Zwangsehe zwischen dem gesuchten Sefin und  dessen Cousine Shilan zu arrangieren. „Als mir meine Tochter davon berichtete und sagte, dass sie die Ehe nicht wolle, weigerte ich mich, der Hochzeit zuzustimmen“, schreibt er weiter und verurteilt diese „veralteten Bräuche und Traditionen“.

Einige Beobachtungen von Nachbarn scheinen dazu allerdings im Widerspruch zu stehen. Sie berichten, dass die Familie selbst stark an den jesidischen Traditionen festgehalten haben soll: „Eine Heirat mit einem Mann oder einer Frau, die einer anderen Religion angehören, schien undenkbar“, sagt eine Nachbarin.

Von Jörn Kießler und Antje Bismark

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