Diskussion mit ARD-Intentendanten

Das große Gniffke-Grillen: Bei der Frage nach dem Gehalt verlor er die Fassung

Der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende musste sich im Medienmagazin „Zapp“ für seine ARD rechtfertigen.

Der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende musste sich im Medienmagazin „Zapp“ für seine ARD rechtfertigen.

Hannover. Man weiß nicht genau, was Kai Gniffke erwartet hat, als er der Teilnahme einer Diskussionssendung mit dem Journalisten Tilo Jung zustimmte. Dass er mit Phrasen nicht weit kommen würde, hätte er aber wissen können.

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Jung, freier Journalist und berühmt-berüchtigt als schonungsloser Fragesteller in seinem Youtube-Format „Jung und Naiv“, war am Donnerstagabend erstmals als Talkmaster im Dienste des NDR im Einsatz. Seine Aufgabe offenbar: die ARD dort anpacken, wo es richtig wehtut – und wo hauseigene Mitarbeitende in ähnlichen Formaten nur selten hingreifen.

All das passierte in einer Runde des Medienmagazins „Zapp“ mit dem Titel „Die Zukunft der ARD“ – Jung moderierte diese zusammen mit der NDR-Journalistin Kathrin Drehkopf. Neben dem SWR-Intendanten und neuen ARD-Vorsitzenden Gniffke waren auch andere Teilnehmende anwesend: Medienmanagerin Julia Jäkel, die Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, Heike Raab, und „Zeit“-Autorin Yasmine M’Barek. Ausgerechnet der neue ARD-Chef allerdings gab am Tisch keine gute Figur ab.

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Ausweichen und ablenken

Man kann die rund anderthalb Stunden ungefähr so zusammenfassen: Journalist Jung löchert und löchert, wie er es etwa auch in der Bundespressekonferenz tut, den ARD-Vorsitzenden immer wieder mit unangenehmen Fragen. Man könnte auch sagen: Er grillt ihn regelrecht. Es geht um sein hohes Gehalt von rund 360.000 Euro pro Jahr, die politische Einflussnahme auf die Sender durch Parteien, den Kauf der Lizenzrechte für die WM in Katar.

Gniffke antwortet – allerdings selten auf das, was Jung ihn eigentlich fragt. Immer wieder versucht der ARD-Chef, die Diskussion in andere Richtungen zu lenken, ein völlig anderes Thema zu setzen, baut Strohmänner auf, stellt Zuschauerumfragen infrage, hält sich selbst für den falschen Ansprechpartner – und seine ARD, nebenbei, für schwer in Ordnung.

Mit der Zeit wird die Diskussion hitzig und unangenehm. Genau das allerdings bringt auch jede Menge interessante Erkenntnisse hervor – und zahlreiche Ideen, wo man mit dem Aufräumen in der ARD mal anfangen könnte.

Das große Schweigen um den Rundfunkbeitrag

Das Drama beginnt schon ganz zu Beginn der Sendung. Drehkopf will vom ARD-Vorsitzenden wissen, ob denn der Rundfunkbeitrag steigen wird. Gniffke hätte darauf alles Mögliche antworten können – die Beitragszahlenden hätte es sicher brennend interessiert. Stattdessen redet sich der SWR-Intendant heraus.

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Er sei nicht zum Rechnen angestellt, so Gniffke, „sondern dafür, dass wir auch in den nächsten Jahren bei den Menschen bleiben“. Also: „bestes Programm“, „tolle Angebote“ und das Beitragen zum „Zusammenhalt dieser Gesellschaft“ – man kennt das. Was das kosten wird, kläre ein „gesetzlich geregeltes Verfahren“, nicht er selbst.

Jung will es genauer wissen: „Braucht der SWR mehr Geld oder nicht?“ Gniffke antwortet nicht, schweift ab – mehrmals. Das sei nicht die Frage, die ihn gerade umtreibe. Jung versucht es insgesamt dreimal – ohne Erfolg.

Alles „schon ganz in Ordnung“

Ein paar Minuten später: Jung und Drehkopf blenden eine nicht repräsentative „Zapp“-Umfrage ein, die zeigt, was sich Zuschauerinnen und Zuschauer von der ARD wünschen. Nach einigen Minuten Diskussion grätscht Gniffke dazwischen: „Mit Verlaub, diese Umfrage in allen Ehren. Aber wenn wir jetzt nicht repräsentative Umfragen zur Basis von Diskussionen machen, wie wir medienpolitische Entscheidungen treffen, dann kommen wir in den Wald.“

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Die Journalisten kontern mit handfesten Daten der ARD, wofür denn eigentlich der Rundfunkbeitrag verwendet wird. Die ernüchternde Erkenntnis: Nur 25 Cent des monatlichen Rundfunkbeitrags entfallen auf ARD Aktuell, also die „Tagesschau“, also eine wichtige Informationssendung. 74 Cent allerdings bekommt der Sport, und satte 1,19 Euro wandern direkt in die betriebliche Altersvorsorge der ARD.

Gniffke hält sich in dieser Frage nicht für den richtigen Ansprechpartner. Das seien diejenigen, die diese Tarifverträge vor vielen Jahrzehnten abgeschlossen hätten, betont er. Die Diskussion wird hitzig – und Gniffke reagiert zunehmend genervt. Die Gewichte bei der Beitragsverteilung seien „schon ganz in Ordnung verteilt“. Als Beispiel nennt der Intendant den Kultur- und Wissenssender SWR 2, der deutlich mehr Budget bekomme als die deutlich erfolgreichere Popwelle.

Kein Kommentar zum eigenen Gehalt

Genauso „in Ordnung“ wie das ist offenbar auch das hohe Gehalt des ARD-Chefs - rund 360.000 Euro im Jahr. Darüber will Gniffke an diesem Abend und auf mehrfache Nachfrage von Jung nämlich gar nicht reden. Das Gehalt werde „von meinem Verwaltungsrat festgelegt“, sagt der ARD-Chef – und lenkt dann ab. „Sie könnten sich auch mal fragen, warum verdient ein Sparkassenvorstand von der Kreissparkasse mehr als der Bundeskanzler?“

Kathrin Drehkopf schreitet ein: „Aber Herr Gniffke, das Thema bewegt“, so die Journalistin. Selbst die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) habe angemerkt, dass die Intendantengehälter zu hoch seien. Gniffke gerät außer Fassung: „Jetzt lasst mich doch die Frage wenigstens beantworten. Also wenn er mir schon die Frage stellt, muss ich doch antworten dürfen.“

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Gniffke argumentiert, er zerreiße sich sein „letztes Hemd“ dafür, „dass wir beim Publikum sind“, dass „ich bei 5000 Mitarbeitenden bin, denen ich verdammt viel abverlange.“ Und: „Sie können von mir erwarten, dass ich für die Unabhängigkeit dieses Journalismus, den wir dort betreiben, eintrete. Das ist das, was der Verwaltungsrat von mir erwartet.“ Jung daraufhin: „Bekommen Sie eigentlich Boni oder so was?“ Gniffke: „Keine Spur.“

Gniffke, das SPD-Mitglied

Und während die Luft im Studio immer dünner wird, packt Jung schließlich noch ein ganz besonders unliebsames Thema aus: die politische Einflussnahme auf die Sender durch die Parteien.

Es gebe bei den Sendern „Freundeskreise“, bestehend aus SPD- oder CDU-Anhängern, erklärt Jung. Diese sind in der Branche ein offenes Geheimnis, über das viele Medien mehrfach berichtet hatten. Gemeint sind damit die Mitglieder des ARD-Rundfunkrats bzw. des Fernsehrats beim ZDF. Bei der Intendantenwahl des ZDF vor zwei Jahren etwa galt Kandidatin Tina Hassel als Favoritin des „roten Freundeskreises“ in erkennbarer SPD-Nähe, ihr Konkurrent Norbert Himmler als Favorit des schwarzen/konservativen/bürgerlichen Freundeskreises um CDU/CSU. Am Ende wurde Himmler gewählt.

Auch im Rundfunkrat der ARD gibt es diese Freundeskreise. Kai Gniffke, so wirft Tilo Jung in den Raum, sei selbst SPD-Mitglied. „Haben wir in irgendeiner Weise einen staatsfernen Rundfunk, wenn CDU und SPD die Kontrolle haben?“, fragt der Journalist.

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„Unglückliche Diskussion“

Gniffke reagiert – wie zuvor – dünnhäutig. „Finden Sie, dass diese Republik in den vergangenen 70 Jahren mit Parteien schlecht gefahren ist? Haben Sie eine andere Idee, wie man 84 Millionen Meinungen irgendwie zu einer Entscheidungsfindung bringen soll?“

Jung kontert: „Die Parteien müssen nicht in diesen Gremien sitzen.“

Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission, springt Gniffke zur Seite und erklärt, dass es einen angeblichen SPD-Freundeskreis gar nicht gebe. Gniffke wirft Jung „Populismus“ vor. Raab spricht von „Fake News“. Und dann beschwert sich der ARD-Vorsitzende, er würde jetzt viel lieber „über den Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reden, das wär vielleicht mal die Sache wert.“

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Gniffkes Ideen für die Zukunft

Zum Ende hin darf Gniffke das schließlich auch und trägt seine Pläne für eine Transformation der ARD vor. Von Intendantengehältern ist da allerdings nicht mehr die Rede.

In ein paar Jahren würden Menschen eher Streaminginhalte nutzen als lineare, so die wenig überraschende Erkenntnis des ARD-Vorsitzenden. Es geht dann um eine mögliche Supermediathek von ARD und ZDF – und Gniffke spricht sich für ein „starkes Netzwerk von Plattformen in Deutschland“ aus, als Konkurrenz zu Google, Facebook und Tiktok.

Medienmanagerin Julia Jäkel, künftig Mitglied im „Zukunftsrat“ zur Transformation der öffentlich-rechtlichen Sender, sagt an einer Stelle der Sendung, sie sei „irgendwie unglücklich“ mit der Diskussion. Und damit spricht sie wahrscheinlich auch für Gniffke und Raab. Aber andersrum: Vielleicht hat es genau diese unglückliche Diskussion auch dringend mal gebraucht.

Die ARD und die Altlasten

Es war durchaus ein cleverer Schachzug des Medienmagazins „Zapp“, ausgerechnet Tilo Jung als Co-Host vor die Kamera zu setzen. Der 37-Jährige betreibt seit Jahren erfolgreich und unabhängig seinen eigenen Youtube-Kanal, kann hochrangigen Medienmanagerinnen, Politikerinnen und Intendanten ohne die Befürchtung irgendeiner Konsequenz leidenschaftlich vors Schienbein treten. Diese zeigen sich damit, das hat die Sendung gezeigt, sichtlich überfordert – andere Formate dieser Art liefen in der Vergangenheit deutlich flauschiger ab.

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Mit so einem flauschigen Format hatte wohl auch Gniffke gerechnet. Der ARD-Chef hatte schon in den vergangenen Wochen immer wieder gegenüber Medien seinen Transformationswillen für die ARD erklärt. Da spricht er dann etwa von der Reduzierung von Gesundheitsmagazinen, außerdem will er einen linearen Sender einsparen und das Engagement ins Internet verlagern. Auch ein Mantelprogramm für die dritten Programme steht zur Debatte, genau wie eine Plattform in Konkurrenz zu Google, Facebook und Co.

Jung allerdings will gar nicht über das „tolle Programm“, Netzwerkpläne und Dinge reden, die „schon ganz in Ordnung“ sind – sondern über die zahlreichen Altlasten der ARD, an die sich kaum jemand rantraut. Dazu gehören neben allem Genannten ganz sicher auch die absurd hohen Intendantengehälter.

Muss ein Neustart her?

Gniffke will über diese Themen aber offenbar nicht reden – und das fällt auch den Zuschauerinnen und Zuschauern der Sendung auf. „Wenn ich dem Intendanten zuhöre, denke ich, dass sich nichts ändern wird. Ein paar Optimierungen hier und dort. Aber eigentlich ist ja alles gut so“, fasst einer in den Kommentarspalten die Diskussion zusammen. „Perfekte Demonstration, dass grundlegende Veränderungen des Systems von den Zwangsgebühren-Funktionären niemals selber ausgehen werden. Die Frösche werden nicht ihren eigenen Teich austrocknen. Das machen sie auch ganz deutlich.“

Innerhalb der „Zapp“-Diskussionssendung kommt einmal die Frage auf, ob es nicht eine gute Idee wäre, das gesamte System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks plattzumachen und von Grund auf neu hochzuziehen. Die Gruppe kommt einhellig zur Meinung, dass dies wohl zu aufwendig und kostenintensiv wäre.

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Andererseits: Dass es ohne eine Art Neustart funktionieren wird, ist nach dieser Diskussionsrunde auch mehr als fraglich.

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