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Shakespeare-Tragödie – komisch

Der Schwätzer Romeo und Julia – nicht zu vergessen ihre Cousine „Rosalinde“

Cooler Typ, dieser Dario – allein Rosalinde (Kaitlyn Dever) hält ihn (Sean Teale) nur für einen weiteren bornierten Typen, der ihr Bräutigam werden will. Szene aus dem Film „Rosalinde“.

Cooler Typ, dieser Dario – allein Rosalinde (Kaitlyn Dever) hält ihn (Sean Teale) nur für einen weiteren bornierten Typen, der ihr Bräutigam werden will. Szene aus dem Film „Rosalinde“.

Männer sind allzeit mit ihrem Stolz und ihrer Ehre beschäftigt. Sie sind eitel, schnell beleidigt, halten sich unablässig für die Größten, Klügsten, Wortfindigsten, und sehen in ihren Frauen nur den Spiegel ihrer Bedeutsamkeit. Sofort sind Dolch und Degen in ihrer Hand, und bevor sich irgendwer versieht, sinken die Tybalts dieser Welt zu Boden und komplizierte Selbstvergiftungspläne müssen für die Liebe umgesetzt werden, die dann doch nicht funktionieren und in Tränen enden.

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William Shakespeares „Romeo und Julia“ ist unbestreitbar die berühmteste Liebesgeschichte aller Zeiten, Leonard Bernstein hat sie mit unsterblicher Musik als „West Side Story“ erneuert (zuletzt von Steven Spielberg verfilmt), Baz Luhrmann hat mit einer modern aufgebrezelten Version die Karriere von Leonardo DiCaprio (und Claire Danes) befeuert. Also: Heute noch goutierbar, das gute Stück.

„Glaubst du, irgendwer wird uns mit dieser Geschichte in Verbindung bringen“, fragt Julias Cousine Rosalinde (Kaitlyn Dever) den Mann an ihrer Seite, den schmucken Dario (Sean Teale). „Es gibt nichts, worum ich mich weniger sorge“, antwortet der. Hinter den Kulissen sorgen die beiden allerdings dafür, – Spoiler! Spoiler! Spoiler! – dass die beim großen Dichter William so tragisch endende Geschichte über die jungen Liebenden aus zwei alten einander bis aufs Blut befehdenden Familien ihren finalen Twist endlich sichtbar macht – Liebe statt Tod. Wobei – Liebe ist immer, was man draus macht. Und man fragt seine Braut auf der rettenden Überfahrt nach Zypern gewiss nicht als Erstes, ob sie „Interesse an Sport“ hat.

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Rosalinde haben wir zuvor nur bei Zeffirelli gesehen

Hätte Shakespeare jene Rosalinde nicht an den Rand seines Dramas gestellt, dann hätte er aus dem Stoff auch eine seiner Liebeskomödien schneidern können. Rosalinde war Romeos Liebe vor Julia. Er schmachtet ihr hinterher, bis er Julia trifft, woraufhin sich seine Poesie verbessert. Wir erinnern uns nur daran, sie zuvor nur ein einziges Mal in personam gesehen zu haben – als Nebenfigur in Franco Zeffirellis Verfilmung des Dramas von 1968 gespielt von Paola Tedesco.

In den Mittelpunkt haben sie nun die Autoren Scott Neustadter und Michael H. Weber „(500) Days of Summer“ gestellt – in der Verfilmung des Romans „When You Were Mine“ von Rebecca Serle. Und wir begegnen da erstmal dem Balkonschleicher Romeo Montague (Kyle Allen), der allabendlich seiner geliebten Rosalinde plüschige Verse aufsagt, schwärmerische Liebesbekundungen, in die er Mond und Sterne einflicht. Das Übliche.

Wie bekommt man Veronas Topfeinde in den Friedensmodus?

Rosalinde liebt den Hingucker und Säusler ebenfalls, aber sie sagt ihm das nicht, nachdem er es ihr offenbart hat. Schein oder nicht Schein – das ist hier die Frage. Was sich ziert, wird umso mehr begehrt, glaubt Rosalinde. Außerdem muss der nicht allzu helle Romeo erst einmal begreifen, dass sie an seiner Seite ihr eigenes Emanzipationsding durchziehen wird. Überdies muss ein Kniff gefunden werden, Veronas topverfeindete Familien in den Friedensmodus zu bekommen.

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Rosalinde findet erst einmal kleinere Kniffe, sich der Avancen der vom Vater angedienten Bräutigame (oft Lüstlinge fortgeschrittenen Alters) zu entziehen. Ein Leben als schweigsamer Schatz, als Rose, die in lebenslanger Langeweile welkt, kann Rosalinde sich partout nicht vorstellen. Mit dem jüngsten Eheaspiranten Dario (Sean Teale), einem aparten Typ der Elyas-M‘Barek-Klasse, muss sie immerhin eine Bootsfahrt durchstehen. Eine, die nicht lustig ist, die in Sturm und Wolkenbruch und mit einiger Verspätung endet.

Romeo ist ein One-Trick-Pony – er hat bei allen Ladys dieselben Verse parat

Wodurch sie den entscheidenden Maskenball verpasst. Das Kind ist dort auch schon in den Brunnen gefallen, beziehungsweise Romeo ist in den tiefen braunen Augen Julias (Isabela Merced) versunken. Das findet Rosalinde andern abends heraus, als sie dem heimlich über den Hof huschenden Liebhaber bis zu Julias Elternhaus folgt: Andere Frau, anderer Balkon, selbes Süßholzgeraspel. Rosalind beschließt, sich ins Vertrauen der Cousine zu schleichen und Romeo bei ihr als rangersten Schürzenjäger Veronas anzuschwärzen.

Plan B, mit einer Ortswechselempfehlung gleich die ganze Familie des Onkels loszuwerden, funktioniert nicht: „Wenn ihr die Montagues so sehr hasst, dann zieht doch einfach weg. Ich habe gehört, Siena soll ganz nett sein.“

Irgendwann läuft in „Rosalinde“ alles sehr vorhersehbar

Die Komödie „Rosalinde“ ist leicht, weitgehend amüsant. Nicht zum ersten Mal wird Zuschauers Vergnügen aus der Diskrepanz von Theaterzeilen und Gegenwartssprache gewonnen, aus historischem Setting und Kostümen bei heutigem Verhalten der in ihnen wandelnden Charaktere (wer diesbezüglich mal kräftiger lachen möchte, schaut am besten in Netflix‘ Wikingerklamotte „Norsemen“ rein).

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Die Zofe Rosalindes (Minnie Driver) etwa stellt sich als „verdammte (bloody) geprüfte Krankenschwester“ vor, als es gilt, das Ableben von Romeo und Julia zu attestieren, der Bote mit dem unitalienischen Namen Steve ist unzuverlässig, weil dauerbekifft, der Barmann in der Schänke wird mit Fingerschnippen dazu gebracht, gefälligst auch die Bestellung einer Frau entgegenzunehmen: „Hey, ich würde jetzt gern mal einen Drink ordern!“ Schmunzelstoff.

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Irgendwie läuft dann bei aller Munterkeit der Ausführung die Geschichte – auch der Handlungsteile jenseits der bekannten Vorlage – recht vorhersehbar ab. Rosalinde erkennt, dass die kleine Julia einfach unbedarft und wirklich süß ist und durch dieses aufrichtige Wesen alle für sich einnimmt – sogar wilde Rösser. Sie wird weich. Nach einigen typischen Komödienkomplikationen und ein paar dezenten, ebenfalls amüsanten Actionszenen wird der Weg der Reue in Richtung eines „all‘s well, that ends well“ beschritten.

Für Rosalinde, wohlgemerkt. Julias Gesicht im letzten Bild des Films spricht Bände. Siehe noch einmal den ersten Satz dieser Review.

„Rosalinde“, Film, 97 Minuten, Regie: Karen Maine, mit Kaitlyn Dever, Isabela Merced, Sean Teale, Kyle Allen (streambar bei Disney+)

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