Moderatorin Sophie Passmann: „Ich war viel zu oft hämisch im Netz“
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Die Autorin Sophie Passmann stellt auf der Buchmesse Leipzig ihr Buch „Alte weiße Männer“ vor. Passmann hat in der Jubiläumsshow zum 25. Geburtstag der 3sat-„Kulturzeit“ eine Viertelstunde Sendezeit zur freien Gestaltung gewonnen. Damit will die 26-Jährige sich nun einen Traum erfüllen.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Sophie Passmann, 1994 in Kempen am Niederrhein geboren, zählt durch ihre Bestseller „Alte weiße Männer“ und „Komplett Gänsehaut“ zu den einflussreichsten Stimmen der Generation Y – nicht nur, aber vor allem zu Geschlechterfragen. Mit ihrem auf der Plattform Audible zu hörenden Podcast „Quelle Internet“ kehrt sie jetzt gewissermaßen zur Wurzel als Radiomoderatorin zurück und spielt ab 11. Juli auch noch die Podcasterin in der Amazon-Serie „Damaged Goods“ – und damit quasi sich selbst.
In dem Podcast „Quelle Internet“ erzählen Sie, von morgens bis abends aufs Smartphone zu glotzen. Sind Sie ein suchtgefährdeter Mensch?
Nur Heroin. Quatsch, überhaupt nicht! Ich bin nicht substanzsuchtanfällig, habe also kein Problem mit Tabak, Alkohol und anderen Drogen, verbringe aber viel Zeit im Internet.
Viel oder zu viel?
Viel. Aber so oft ich aufs Handy glotze, hab‘ ich auch kein Problem, es nicht zu tun. Und weil ich meine Timelines pflege, poppt selten etwas auf, das ich irrelevant finde oder ärgerlich. Ich folge nur Medien, Personen, Phänomenen, die mich interessieren. Selbst wenn es eine Illusion ist, Social Media autonom kuratieren zu können, behalte ich die Kontrolle.
Sie sind auf digitaler Suche nach Substanz und Bereicherung?
Schon. Wobei es das Privileg einer Kulturkritikerin ist, aus fast allem bereichernde Substanz herauszupressen. Wenn ein popkulturelles Zeitgeistphänomen banal ist, überlege ich, warum, und beschäftige mich feuilletonistisch damit. Der Podcast versucht, fehlende Substanz in aller Ruhe zu ergründen. Etwa, warum etwas viral gegangen ist, was uns daran freut oder ärgert, wer womöglich dahintersteht.
Besteht da nicht das Risiko, durchs Nachbetrachten solcher Phänomene die unsinnigen, womöglich gefährlichen zu reproduzieren?
Das Risiko besteht. Die Welt wird zwar nicht besser, wenn wir einen rassistischen Kommentar von Erika Steinbach kommentieren. Aber wenn wir uns konstruktive, intellektuelle Debatten darüber verbieten, erst recht nicht.
Zeigt der Podcast hässliche oder auch schöne Internetseiten?
Wer mir nur hässliche Seiten vorsetzt, kriegt Ärger. Schon weil die Frage, was schön ist, viel seltener gestellt wird – was problematisch ist. Ich liebe etwa die Kardashians.
Haben Sie selbst mal Hasskommentare abgesondert?
Nie! Ich habe allerdings das Gefühl, dass wir zu viel über Hass und zu wenig über Häme sprechen, die kleine, nicht justiziable Schwester des Hasses. Ich selbst war viel zu oft hämisch im Netz. Solang ich durch blanken, schwanzgesteuerten Hass keine Angst um mich und meine Familie haben muss, trifft mich Häme viel stärker.
Sind Sie bei Beschimpfungen souverän oder abgestumpft?
Beides bedingt einander. Ich fühle mich souveräner als vor fünf Jahren, was auch mit Gewöhnung zu tun hat. Ich bin halt nicht mehr wütend und 23, sondern amüsiert und 28, genieße aber auch das Privileg, zum Inventar der guten Ecken des Internets zu gehören.
Inventar im Sinne von Influencerin?
Influencer und Influencerinnen werden dadurch definiert, Reichweite zu nutzen, um Produkte zu verkaufen. Bei mir ist es umgekehrt: Ich habe durch Bücher und Lesungen Reichweite erzeugt, passe also nicht ganz ins Raster, zucke aber auch nicht, wenn man mich Influencerin nennt. Der Begriff ist schon deshalb okay, weil der deutsche Kulturbetrieb Autor und Autorinnen mit viel Reichweite nicht gewöhnt ist. Alles über 300.000 Follower riecht nach Shampoowerbung. Kann ich mit leben.
Hat Amazon für „Damaged Goods“, wo Sie eine Podcasterin spielen, Sie eingekauft oder Ihre 300.000 Follower?
Meine Reichweite natürlich, aber die wird auch bei gelernten Schauspielern und Schauspielerinnen immer wichtiger. Darüber hinaus war ich aber auch zuvor schauspielerisch aktiv, bin zum Casting gegangen und musste mich mit dem Stempel „Frau aus dem Internet“ beweisen. Unterschätzt zu werden ist die angenehmste Art, Leute zu beeindrucken.
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