Das Märchen von der Dubai-Flucht: Verlassen Influencer wirklich in Scharen das Emirat?

Georgina Fleur, die Harrison-Familie oder auch Sami Slimani: Sie alle sind deutsche Influencer, die in Dubai leben. Nun machen Gerüchte um eine Flucht die Runde. Wegen einer angeblich aufgetauchten Steuer-CD.

Georgina Fleur, die Harrison-Familie oder auch Sami Slimani: Sie alle sind deutsche Influencer, die in Dubai leben. Nun machen Gerüchte um eine Flucht die Runde. Wegen einer angeblich aufgetauchten Steuer-CD.

Hannover. Der Job des Influencers ist ja ohnehin schon ein sehr streitbarer. Seit Beginn der Corona-Pandemie macht sich in der Szene jedoch ein neuer Trend breit, der immer mehr Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan ruft: Zahlreiche deutsche Onlinestars ziehen ausgerechnet in die Vereinigten Arabischen Emirate, genauer gesagt nach Dubai. Dort machen sie mit Protzfotos unter Palmen, auf Booten und in teuren Apartments schamlos Werbung für eine Region, die es mit den Menschenrechten noch nie so ganz genau genommen hat.

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Die Liste der Dubai-Influencer ist inzwischen ziemlich lang: Georgina Fleur, Fiona Erdmann, Simon Desue, Sami Slimani, Familie Harrison, Paola Maria – sie alle waren in den vergangenen Monaten und Jahren ins Emirat gezogen, bespielen seither von dort ihre deutschsprachigen Social-Kanäle mit strahlend schönen Bildern.

Doch seit ein paar Wochen scheint sich der Trend zu wenden – zumindest wenn man Gerüchten in den sozialen Netzwerken glaubt. „Influencer flüchten aus Dubai“, hieß es da vor ein paar Tagen. Angeblich sollen zahlreiche Onlinesternchen ihre Wahlheimat wieder verlassen, obwohl sie erst vor Kurzem und mit großem Tamtam dorthin ausgewandert waren. Angeblich, so die Gerüchte, seien sogar Steuerschulden in Deutschland der Grund dafür.

Ein gefundenes Fressen

Anlass für die Gerüchte sind drei Videos auf Youtube mit nahezu wortgleichen Überschriften. „Bye Dubai“, heißt es in einem Video der Influencerin Paola Maria (1,76 Millionen Youtube-Follower). Auch Sami Slimani (1,55 Millionen Follower) verkündet: „Tschüss Dubai, hallo Deutschland!“. Und bei Team Harrison (1,27 Millionen Follower) heißt es: „Bye Dubai, hello Germany“.

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Für viele ein gefundenes Fressen: „Wenn du dich kaufen lässt und dann merkst, dass Freiheit doch ganz geil ist“, kommentiert einer den vermeintlichen Rückzug von Slimani süffisant auf Twitter. „Was ist los? Hat Dubai eine Influencer-Steuer eingeführt?“, fragt ein anderer. Und einer bringt eine ganz besonders spannende Theorie mit ins Spiel: „Schon krasser Zufall, wie jetzt die ganzen Influencer*innen im selben Moment aus Dubai abhauen, in dem die Bundesregierung dort Steuerprüfungen angekündigt hat.“

Gemeint ist damit eine Ankündigung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Dieser hatte Mitte Juni erklärt, eine CD beschafft zu haben, auf der steuerlich relevante Daten aus dem Emirat enthalten sind. Es gehe darum, mögliche Steuerstraftaten aufzudecken. „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Da gibt es kein Pardon“, so Scholz seinerzeit.

Medien suggerieren Steuerschulden

Nur kurz darauf erscheinen plötzlich die drei Videos auf Youtube. Auf Twitter teilen sich mehrere Bilder, die die Screenshots der Videos mit einem Artikel über die Steuerfahndungen gegenüberstellen. Reimt man sich all das so zusammen, wirkt es tatsächlich so, als würden plötzlich zahlreiche Influencerinnen und Influencer in Scharen und aus Angst das Emirat verlassen.

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Die Theorie ist so stimmig, dass auch mehrere Klatschmagazine auf die Geschichte anspringen. „Dubai-Hype vorbei?“ titeln mehrere Promiportale. Das österreichische Portal „Heute.at“ raunt: „Das hat wohl einige deutsche Influencer aufgeschreckt, denn seit den ersten Medienberichten über die Steuer-CD kehren immer mehr von ihnen wieder heim.“

Andere Portale vermuten, die angebliche „Dubai-Flucht“ könnte auch einfach mit der Sommerhitze im Emirat zu tun haben – schließlich herrschten dort aktuelle Temperaturen von mehr als 40 Grad. Und manche glauben an eine späte Einsicht der Onlinesternchen. Ein Medienbranchendienst titelt: „Dubai-Influencer: Wenn das Regime doch nicht so geil ist“.

Sami Slimani macht nur Urlaub

Influencer haben Steuerschulden und Gewissensbisse und verlassen in Scharen Dubai – es klingt wie die perfekte Geschichte. Eine Geschichte, die Schadenfreude und Genugtuung auslöst. Das Problem: Sie stimmt nicht.

Wer in der brodelnden Gerüchteküche bislang nämlich gar nicht nach seiner Meinung gefragt wurde, sind die Influencerinnen und Influencer selbst. Ehrlicherweise ist das in manchen Fällen nicht einmal nötig, denn schon allein die Videos der Onlinesternchen entkräften viele der Gerüchte von selbst.

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Sami Slimani beispielsweise macht bereits in den ersten Sekunden seines Dubai-Abschiedsclips klar: Auswandern aus Dubai werde er nicht. „Das werde ich sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt, aber da werden wir in einem kommenden Q&A mal ein bisschen intensiver drüber sprechen“, so der Youtuber.

„Frei aus der Luft gegriffen“

Seine aktuelle Abreise aus Dubai sei vielmehr eine Urlaubsreise – die „erste Reise nach einem Jahr.“ Slimani habe ein „Hinflugticket gebucht, aber noch kein Rückflugticket“. Auf dem Plan stehe zunächst ein Familienbesuch in Stuttgart, danach sei er für alles offen, zum Beispiel für „coole Städtetrips“. Auch eine Hochzeit wolle er besuchen.

Auch auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) erklärt Slimani: „Ich lebe nach wie vor in Dubai und befinde mich gerade ausschließlich vorübergehend zu Urlaubszwecken in Deutschland. Ich kann Ihnen daher versichern, dass jegliche Spekulationen und Anschuldigungen vollkommen frei aus der Luft gegriffen sind.“

Auch die Abreise der Influencer-Familie Harrison sieht näher betrachtet etwas anders aus als eine Flucht aus dem Emirat. Man sei für „die nächsten Wochen“ in Deutschland, heißt es im Video. Es stehe „sehr viel an“. Die Unterkunft: ein voll möbliertes Apartment, offenbar zur vorübergehenden Miete. Von einem langfristigen Abschied ist gar nicht die Rede.

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Familie Harrison kommt im September zurück

Auf RND-Anfrage teilt auch das Management der Familie mit: „Der derzeitige Aufenthalt der Familie Harrison in Deutschland ist lediglich vorübergehend und ist aufgrund unterschiedlicher beruflicher Projekte erforderlich. Zudem ist in den Monaten Juli/August Sommerurlaub in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sodass auch Kindergärten und Schulen geschlossen bleiben.“ Anfang September gehe es zurück nach Dubai.

Tatsächlich wird auch die Sommerhitze als ein Grund für die vorübergehende Abreise aus dem Emirat genannt. „Selbst Einheimische, aber auch die meisten Expats, reisen in diesen Monaten in ihre Heimatländer, um den sehr hohen sommerlichen Temperaturen zu entfliehen und ihre Familien zu besuchen“, schreibt das Management weiter.

Mit möglichen Steuerfahndungen stehe die Abreise der Familie „in keinerlei Zusammenhang“. „Familie Harrison distanziert sich hiermit ausdrücklich von den im Raum stehenden Vorwürfen bzw. Anschuldigungen. Im Übrigen hatte Familie Harrison bereits zu Beginn diesen Jahres über ihre Social Media Kanäle explizit auf den Sommeraufenthalt in Deutschland hingewiesen, somit Monate vor Bekanntgabe des Ankaufs dieser Steuerdaten“, so das Management weiter.

Dubai weiter beliebt bei Influencern

Die einzige Influencerin, die nach derzeitigem Stand tatsächlich das Emirat verlassen hat, ist Paola Maria mit ihrer Familie. Unter der Überschrift „Wir haben einen Fehler gemacht“ gab die Videomacherin Mitte Juni auf ihrem Kanal bekannt, wieder nach Europa ziehen zu wollen. Später folgte ein weiterer Vlog, der den Abflug zeigt. Wo genau Paola Maria inzwischen wohnt, war nicht zu erfahren – auf eine RND-Anfrage hat die Youtuberin als Einzige nicht reagiert.

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Klar ist aber: Eine Massenflucht aus dem Emirat sieht anders aus. Zumal zahlreiche Onlinestars weiterhin fleißig aus Dubai Bilder posten. Georgina Fleur beispielsweise, aber auch Fiona Erdmann und sowie Simon Desue und Enisa Bukvic.

Die Vermutung, die Abreise der Influencerinnen und Influencer könnte etwas mit Steuerfahndungen zu tun haben, ist ebenfalls wenig plausibel. Warum sollte ein Influencer ausgerechnet in das Land flüchten, das gegen ihn ermittelt? Zudem richten sich die Ermittlungen offensichtlich gegen Deutsche, die Grundstücke und Immobilien im Emirat besitzen – nicht an Personen, die in Deutschland gar nicht mehr gemeldet sind und in Dubai wohnen.

Nicht alle Influencer besitzen Immobilien

Ob die Onlinesternchen überhaupt Immobilien im Emirat besitzen, ist ebenso unklar: In der Regel ist es für Ausländer schwierig, Grundstücke und Gebäude in Dubai zu kaufen – die meisten Influencerinnen und Influencer dürften die Wohnobjekte wohl eher gemietet haben.

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Ganz ausgeschlossen ist eine Flucht aus Dubai aber nicht – zumindest in der nahen Zukunft. Der Schweizer Onlinemarketingexperte Felix Murbach, der die Influencer-Szene seit Jahren verfolgt, glaubt, dass irgendwann eine Übersättigung des Marktes eintreten könnte.

„Während des Lockdowns war das Reisen in ferne Länder umständlicher, nicht jede/jeder wollte und konnte dies machen. Daher waren die Instagram-Posts der Influencer aus Dubai für viele eine willkommene Ablenkung aus dem tristen Corona-Alltag“, sagt Murbach dem RND. Seit das Reisen nun wieder erlaubt sei, pilgerten immer mehr Influencer-Sternchen nach Dubai – dadurch könne die Exklusivität der Posts bald abnehmen.

Eine Überdosis Dubai

Murbach glaubt, dass der Instagram-Konsument langfristig eine gewisse Dubai-Überdosis wahrnehmen könnte. „Somit sind Influencer angehalten, immer wieder weitere Nischen oder Standorte zu finden, um so eigene Stories zu erzählen, die für die Menschen attraktiv sind.“

Eines glaubt Murbach jedoch nicht: Dass Influencerinnen und Influencer das Emirat irgendwann aus reinem Moralgefühl wieder verlassen. Dabei gäbe es dafür genug Gründe: In den vergangenen Wochen und Monaten waren die Onlinesternchen immer mal wieder für ihre Werbung für das Emirat kritisiert worden. Unter anderem Satiriker Jan Böhmermann hatte dem Phänomen einen ganzen Beitrag in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ gewidmet.

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In Dubai gebe es weder Einkommens- noch Unternehmenssteuern und eine Mehrwertsteuer von 5 Prozent auch erst seit 2018, kritisierte Böhmermann damals. Es werde also „mit deutscher Reichweite in Dubai Geld verdient, aber keine Steuer gezahlt“. Die Steuervorteile hätten aber ihren Preis: harte Zensur. Wer von Dubai aus arbeiten wolle, brauche eine Lizenz des National Media Council und müsse unterschreiben, dass er sich weder zu religiösen, noch politischen Themen oder über Staatsoberhäupter äußert und stets für ein „positives Image“ von Dubai sorgt. Wer sich dran hält, für den winken Gratisreisen, üppige Gelage auf Staatskosten und ein „Taschengeld“.

Menschenrechte werden nicht thematisiert

Auch für seine Menschenrechtsverletzungen ist das Emirat bekannt: Über Staatschef Mohammed Bin Rashid Al Maktoum beispielsweise wurde bekannt, dass er seine eigenen Töchter entführen und foltern ließ. Dubai sei laut Böhmermann allein durch Ausbeutung entstanden – „und mit Ausbeutung läuft der Laden noch heute“.

Felix Murbach sagt: „Echte Influencer sehen sich als Marken und selbst ernannte Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie kokettieren mit Schönheit, Exklusivität, Lifestyle, sozialem Status und Privilegien. Sie leben davon, dass Follower den digitalen Content aufregend und erstrebenswert finden und ihnen relevante Reichweite und Engagement bescheren. Influencer generieren Wiedererkennungswerte und schaffen mit ihrem Auftreten und ihrer Arbeit Erlebniswelten, in die sie ihre Fans und Follower entführen.“

Das funktioniere in Dubai natürlich besonders gut. „Influencer genießen eine hohe Vorbildfunktion in Sinne von ‚Ich will auch so werden‘. Und hier beginnt das Spannungsfeld von erwartetem Content der Follower und der Glaubwürdigkeit der Beiträge. Am Schluss sind wir beim Marktgleichgewicht von Angebot und Nachfrage: Solange Follower die Beiträge goutieren oder die Influencer gar zur Ikone hochstilisieren, werden kritische Elemente wie Menschenrechtsthemen oder Meinungsfreiheit leider nicht thematisiert“ – mal ganz abgesehen davon, dass Kritik aus Vertragsgründen ohnehin nicht veröffentlicht werden dürfte.

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Nicht mehr als ein Märchen

Die Flucht der Onlinestars aus dem Emirat Dubai ist also bis auf Weiteres nicht mehr als ein Märchen. Ihre Zeit in Europa scheinen die drei Influencerinnen und Influencer aber trotzdem zu genießen. Sami Slimani postet dieser Tage fleißig Bilder aus seinem Urlaub in Europa, etwa vom Bootshafen in Ibiza oder von einem Klo in Berlin. Auf dem Instagram-Kanal der Harrisons ist es derweil ziemlich ruhig geworden.

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Paola Maria, die einzige echte Auswanderin, scheint ebenfalls ziemlich glücklich in ihrer neuen Heimat. Instagram-Bilder zeigen die Influencerin mit ihrer Familie und gepackten Koffern in Dubai – später auf Klippen und an weißen Sandstränden irgendwo in Europa. Da ist es ja schließlich auch ganz schön.

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