„Die Simpsons“: Heiligabend in Springfield
Die Weihnachtsgeschichte ist ein universales Heilsversprechen – sie gilt für tätowierte Matrosen genauso wie für einsame Krankenschwestern, für Pfeife rauchende Thomas-Mann-Freunde wie für Mezzo-Mix trinkende „Southpark“-Fans. Vor ihr sind alle Menschen gleich. Im Zeitalter des grenzenlosen Patchwork-Lifestyles vermischen sich im Westen ohnehin alle Lebensarten, Milieus und Kulturprägungen zu einem globalisierten Einheitsmix, dessen Referenzmedium und Spiegelbild die „Simpsons“ sind. Was also guckt die Pfeife rauchende, tätowierte Krankenschwester an Heiligabend, nachdem sie „Weihnachten bei den Buddenbrooks“ gelesen hat? Sie guckt das „Simpsons“-Weihnachtsspecial auf PRO7: vier Folgen „Weihnachten in Springfield“ am Stück.
Von Anfang an verband die „Simpsons“ und das Thema Religion ein tiefes, fast weihnachtlich zu nennendes Gefühl der Zusammengehörigkeit. In den bisher gesendeten 449 Episoden finden sich – danke, Ned Flanders! – exakt 732 religiöse Anspielungen (echte Simpson-Nerds führen über alles Buch). Darunter sind zahllose Bibelzitate (Homer am Eiscremestand: „Einen Turm zu Babel bitte, und bauen Sie ihn ruhig bis zum Himmel“), diverse Lieder und Gedichte sowie 32 Gebete wie dieses von Homer: „Lieber Gott, danke für die Atomenergie, die sauberste, sicherste Energiequelle von allen. Und danke für dieses Bounty aus der Mikrowelle.“
Es gehört von jeher zum Selbstverständnis der „Simpsons“-Macher, die religiösen Toleranzgrenzen ihrer Zuschauer (und vor allem ihrer evangelikalen Gegner in den USA) auszuloten. 19 „Simpsons“-Folgen beschäftigen sich gar gänzlich mit der Gretchenfrage – zum Beispiel in der Folge „Bart sells his soul“ (1995), in der Bart seine Seele für fünf Dollar an seinen Kumpel Milhouse vertickt. Das führt dazu, dass er keine Freude mehr empfinden kann und sich nicht mal mehr die Supermarkttüren vor ihm öffnen. Der klassische, faustische Teufelspakt à la Goethe als Cartoon-Motiv – für das „Simpsons“-Team kein Problem. Im April 2005 freilich verschob man nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. freiwillig die Ausstrahlung der Folge „The Father, the Son, and the Holy Guest Star“ („Der Vater, der Sohn und der Heilige Gaststar“), in der Bart in ein katholisches Internat geschickt wird und auch Homer zum Katholizismus konvertiert – und einen erbitterten Glaubenskampf zwischen Protestanten und Katholiken auslöst.
„Die ,Simpsons‘ sind eine Sitcom über das moderne Leben, die das Verhältnis der Amerikaner zum Glauben akkurater reflektiert als jede andere Fernsehserie“, schreibt Autor Mark Pinsky in seinem 2001 erschienenen Buch „The Gospel According to The Simpsons“. Al Jean, Chefproduzent der Serie, sagt von sich selbst: „Ich glaube an die Lehren von Jesus Christus, aber ich bin kein großer Freund von organisierter Religion. Die ,Simpsons‘ respektieren jedermanns Glauben.“ Diese christliche, aber eher kirchenferne Grundhaltung durchzieht die komplette Serie. Freilich kennt auch das „Simpsons“-Team Grenzen: Witze über die Kreuzigung oder die Auferstehung sind selbst hier tabu. „Die Menschen sind sehr empfindlich in diesen Dingen“, sagt Jean. „Und wir sind da sehr vorsichtig. Wenn wir diese Linie überschreiten, untergraben wir damit die moralische Grundbotschaft und all den guten Willen, der die Show sonst auszeichnet.“
Pikant ist freilich, dass Nancy Carth-wright, die amerikanische Stimme von Bart Simpson, Scientologin ist. In einem Telefonwerbespot für die Sekte warb sie im Januar 2009 mit „Barts Stimme“ für Scientology, was Al Jean auf die Palme brachte: „Das wurde nicht von uns autorisiert. Die ,Simpsons‘ haben noch nie irgendeine Religion, Philosophie oder ein Glaubenssystem befürwortet, das nicht tiefgründiger ist als ein Schokoriegel.“ Wie sagt Bart? „Weihnachten ist die Zeit, wenn Menschen aller Religionen zusammen Jesus Christus ehren.“ Äh, na ja. Fast. Zu Weihnachten zeigt PRO7 am Heiligabend Abend vier Folgen am Stück: 18 Uhr: „Einmal als Schneekönig“. 18.30 Uhr: „Simpsons Weihnachtsgeschichten“. 18.55 Uhr: „Kill Gil – Vol. I & II“. 19.20 Uhr: „Eine Simpsons-Weihnachtsgeschichte“.