GEZ-Muffel werden nicht rückwirkend zur Kasse gebeten
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Ab 2013 erhebt die GEZ eine pauschale Gebühr für jeden Haushalt. Auch Bürger ohne Fernseher müssen dann voll zahlen.
© Quelle: picture alliance / dpa
Berlin. Frohe Botschaft für GEZ-Muffel: Wenn im kommenden Januar die Rundfunkgebühr auf ein neues Beitragsmodell umgestellt wird, drohen auch langjährigen Schwarzsehern keine Rückzahlungen. Die bisherige Gebühreneinzugszentrale lässt Gnade vor Recht ergehen – womöglich im Bemühen um eine Imagekorrektur oder in vorweihnachtlicher Milde. Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks, kündigte an, dass die GEZ, die ab Januar unter dem Wortungetüm „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ firmiert, bei „neuen Forderungen nur bis zum 1. Januar 2013 zurückgehen“ werde. Im Klartext: Wer über Jahre GEZ-Gebühren „sparte“, hat Glück gehabt. Das System startet bei null.
Das GEZ-Modell steht nach 37 Jahren vor seiner größten Reform: Seit 1974 war eine geräteabhängige Rundfunkgebühr fällig – für Großmutters Dampfradio, Fernseher und/oder später dann internetfähige Computer, Tablets und Smartphones. Haushalte ohne Fernseher, dafür aber mit Radio und „neuartigen Rundfunkgeräten“ (GEZ-Vokabular für allerhand Schnickschnack, der 1974 noch Science Fiction war), zahlten nur 5,76 Euro im Monat. Ab Januar 2013 muss nun jeder Haushalt den sogenannten Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,89 Euro pro Monat zahlen – egal, wie viele Menschen dort leben, und egal, ob sie gar kein Gerät, ein Röhrenradio von 1956 oder sieben iPhones plus vier HD-TV besitzen. Die Summe entspricht der vollen Höhe der bisherigen GEZ-Gebühr. Sie brachte ARD, ZDF und Deutschlandfunk pro Jahr rund 7,5 Milliarden Euro ein.
Die GEZ darf ihre Daten für die Reform einmalig mit den Daten der deutschen Einwohnermeldeämter abgleichen. Sie will jedoch darauf verzichten, etwa Vermieter um Informationen über die Wohnverhältnisse ihrer Mieter zu bitten – obwohl das rechtlich sogar zulässig wäre. „Wir setzen darauf, dass die Bürger von sich aus ihrer Anmelde- und Beitragspflicht nachkommen“, sagte Eicher der Nachrichtenagentur dapd. Das klingt so gar nicht mehr nach der spröden Strenge der als „Schnüffler“ gescholtenen GEZ-Inspekteure.
Die Zentrale hat bereits 3,5 Millionen Briefe verschickt – allerdings nur an all jene, die bisher die niedrigere Gebühr für Radio oder Computer bezahlt haben. Flächendeckende Infopost wird es nicht geben – man spart. Alle „Normalzahler“ müssten von sich aus aktiv werden. Egal, ob Familie, unverheiratetes Paar oder WG: Eine Person pro Haushalt soll sich in Köln melden – nach den putzigen Vorstellungen der Behörde ganz altmodisch-analog per Brief an die „GEZ in 50439 Köln“. Nicht auszuschließen, dass dieser Vorgang manche Studentenbude überfordert. Die Behörde gibt sich selbst und minderorganisierten Beitragszahlern deshalb bis Ende 2014 Zeit, um das ärgste Chaos zu mildern und eventuelle Doppelbeiträge zurückzufordern.
Der Knackpunkt der Reform: Anders als die alte Rundfunkgebühr muss den Rundfunkbeitrag auch zahlen, wer kein einziges „Rundfunkempfangsgerät“ besitzt – in der Grundannahme, dass unabhängige öffentlich-rechtliche Medien der gesamten Gesellschaft nutzen und nicht bloß denen, die tatsächlich fernsehen oder Radio hören. Der Gesetzgeber – in diesem Fall die 16 Bundesländer – erfüllt mit dem neuen Solidarmodell eine Forderung der EU-Kommission. Eine echte „Mediensteuer“ statt des Beitrags lehnten die Länder ab. Begründung: Das Geld für ARD und ZDF soll nicht durch staatliche Hände gehen, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk so staatsfern wie möglich bleibt – ein hübscher Gedanke, der im Anstaltsalltag freilich nur ein frommer Wunsch ist.
Der klassische Konflikt „Kontrolleur gegen Schwarzseher“, der jahrzehntelang zur bundesdeutschen Folklore gehörte, ist mit der Reform passé. Das Klinkenputzen gestrenger Außendienstler mit Klemmbrett gibt es nicht mehr. Denn künftig ist es den Sendern schlicht egal, wie viele Empfangsgeräte die Kundschaft unterm Bett oder im Schrank versteckt.
Wie viel Geld genau das neue System in die Kassen von ARD und ZDF spült, ist bisher noch unklar. Sicher ist: Das Gesamtaufkommen soll unverändert bleiben. Falls es also mehr werden als 7,5 Milliarden Euro pro Jahr, würde die Gebührenkommission KEF, die den Finanzbedarf der Sender ermittelt, den Beitrag entsprechend senken . Falls die Sender ab 2013 allerdings deutlich weniger einnehmen als bisher, steigt der Beitrag.
Umstritten: Ab Januar müssen deutlich mehr Behinderte TV-Beiträge zahlen als bisher. Sie können sich nur noch befreien lassen, wenn sie zu arm sind – wie alle anderen auch. ARD und ZDF wollen im Gegenzug die Barrierefreiheit ihrer Programme verbessern – mit mehr Untertiteln und Zweikanalton.