Kommentar zu Joko und Klaas: 15 grausame Minuten gegen die Ignoranz Europas

Der Beitrag, den Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt in ihren frei verfügbaren 15 Minuten Sendezeit zeigten, offenbart schonungslos, wie schlimm es um die Menschen in Moria beschert ist. Ein Fingerzeig für die EU-Flüchtlingspolitik.

Der Beitrag, den Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt in ihren frei verfügbaren 15 Minuten Sendezeit zeigten, offenbart schonungslos, wie schlimm es um die Menschen in Moria beschert ist. Ein Fingerzeig für die EU-Flüchtlingspolitik.

Nein, das durfte man nicht unbedingt erwarten von zwei Entertainern, die sich sonst hauptberuflich gern mal von Eishockeyprofis umnieten lassen, in Eislöchern nach Luft schnappen oder sich so lange öffentlich mit Schnaps abschießen, bis gar nichts mehr geht.

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Mit ihrem 15-minütigen Film über die katastrophale Lage im Flüchtlingslager Moria haben die Pro7-Stars Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf erreicht, was dieses Land bitter nötig hatte: Sie haben der deutschen Wohlstandsgesellschaft vor Augen geführt, dass nur drei Flugstunden entfernt die Hölle auf Erden herrscht.

Eine Wirklichkeit jenseits politischer Floskeln

Erneut nutzten beide die Viertelstunde Sendezeit, die sie ihrem Haussender zuvor in ihrer Spielshow “Joko & Klaas gegen ProSieben” abgetrotzt hatten, um zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr Haltung zu zeigen. Ohne Ironie, ohne doppelten Boden. Und sichtlich berührt. “Wir wollen, dass in Zukunft jeder weiß, welche Zustände mitten in Europa existieren", sagte Winterscheidt.

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"Mein Name ist Milad": Milad Ebrahimi aus Afghanistan, der die Bedingungen im Flüchtlingslager Moria schildert.

"Mein Name ist Milad": Milad Ebrahimi aus Afghanistan, der die Bedingungen im Flüchtlingslager Moria schildert.

Was dann in den Filmclips aus Moria zu sehen ist, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist eine Wirklichkeit jenseits politischer Floskeln oder populistischem Gedröhn, jenseits des kalten Pragmatismus, mit dem der Kontinent versucht, das Drama an seiner Außengrenze wegzuignorieren. Es sind Bilder, die des christlichen Abendlandes nicht würdig sind. Sie werden kommentiert vom 21-jährigen Milad aus Afghanistan, der seit Januar in Moria wohnte und per Videocall sein Schicksal erzählt.

Bilder, die niemanden kaltlassen können

Die griechische Küstenwache zerstört kurz vor der Küste den Motor eines Flüchtlingsbootes und schleppt es wieder hinaus ins offene Meer, um die Menschen sich selbst zu überlassen. Die griechische Polizei schießt Tränengas auf Familien, die gerade dem Feuersturm in Moria entkommen sind. Fünfjährige Kinder laufen halb nackt und verletzt über den Asphalt, um den Tränengasgranaten zu entkommen. Es sind grausame Bilder, die niemanden kaltlassen können, der ein schlagendes Herz in der Brust trägt.

Schürt der Film den Zorn? Gewiss. Nutzt er dramaturgische Mittel, die seine Intensität erhöhen? Ja. Ist das notwendig angesichts der aggressiven Tatenlosigkeit, mit der der Kontinent den Not leidenden Menschen begegnet? Ja, das ist es. Winterscheidt und Heufer-Umlauf nutzen ihre Reichweite und ihren Ruhm, um eine Zielgruppe, die sonst eher nicht den ARD-”Weltspiegel" oder die “Tagesthemen” sieht, gegen den Wahnsinn zu mobilisieren. Und sie wissen um die Macht von Bildern. Es ist ein wohltuender, kluger Kontrapunkt zu den albernen Bemühungen von Mario Barth oder anderen Schmalspurcomedians um einen politischen Standpunkt.

Europas Abschreckungstaktik ist gescheitert

Gewiss ist die Lage zu komplex für einfache Botschaften. Die beiden wissen das selbst, und sie sagen es auch. Doch die Abschreckungstaktik der griechischen Regierung und von Teilen Europas ist gescheitert, wenn der Preis dafür ist, dass unschuldige Kinder, die niemandem etwas getan haben, schreiend vor Angst in den Armen ihrer verzweifelten Eltern liegen, wenn Menschen drei bis vier Jahre ohne Perspektive im Lager im Schlamm hausen.

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Bereits im Mai zeigten Winterscheidt und Heufer-Umlauf Haltung, als sie ihre “gewonnene” Viertelstunde nutzten, um die sexuelle Belästigung zu dokumentieren, die für viele Frauen Alltag ist – in Kurznachrichten, in Chatverläufen oder direkt an Körper und Seele. Es war ein Fanal gegen unfassbare männliche Übergriffigkeit.

Das gute Gewissen des deutschen Spaßfernsehens

Man sagt, der Witz wohne als Parasit auf dem Leid. Nicht selten sind es Komiker, die sich als besonders mitfühlende Geister erweisen und deren Treiben ein tieferer Antrieb innewohnt als die nackte Unterhaltung. Je größer die Fallhöhe, desto größer die Wirkung. Je geringer die Erwartung an das politische Bewusstsein eines Spaßmachers, desto größer die Durchschlagskraft, wenn er sich dann doch als kritischer Geist erweist. Joko und Klaas sind das gute Gewissen des deutschen Spaßfernsehens, und dafür muss man dankbar sein.


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