„Newstime“

Laura Dünnwald hat am Donnerstag ihre Premiere bei PRO7

Sprecherin – damit kann man sie richtig ärgern. Laura Dünnwald will nicht Sprecherin sein. „Sprecherin“ klingt unkreativ, passiv, fremdbestimmt, nach Automat; bitte 50 Cent einwerfen. Laura Dünnwald (36) ist Journalistin. Fast trotzig verweist sie in ihrer Vita auf ihre „redaktionelle Ausbildung“, auf ihre „journalistisch geprägten Tätigkeiten“.

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Ihr ist das wichtig. Denn dass sie dort, wo sie jetzt arbeitet, „kreativ am Produkt mitwirken“ darf, ist so ziemlich das einzige glaubwürdige Argument für diesen Karriereschritt: Laura Dünnwald wechselt aus dem Sprecherteam der ehrwürdigen ARD-„Tagesschau“ als neue Nachrichtenfrau zum Privatsender PRO7 nach München. Am Donnerstagabend um 18 Uhr moderiert sie ihre erste Ausgabe der „News­time“ – zehn Minuten „N!E!W!S!“ zwischen „taff“ und den „Simpsons“. Im Wechsel mit Michael Marx führt sie dann durch diese Anti-„Tagesschau“. Dünnwald löst Christiane Jörges (geb. Gerboth) ab, 44-jährige Ehefrau von „stern“-Chefredaktionsmitglied Hans-Ulrich Jörges.

Warum macht Dünnwald das? Warum tauscht sie, mit 26 Jahren einst jüngste „Tagesschau“-Sprecherin aller Zeiten, das warme Nest gebührenfinanzierter Sicherheit gegen den kalten Wind bei einem finanziell wackeligen Sender mit ungewisser Zukunft, dessen Geschäftsführer häufiger ausgewechselt werden als die Farbpatronen im Kopierer? Droht nach Susan Stahnke und Eva Herman der nächste Abstieg einer „Tagesschau“-Sprecherin?

Laura Dünnwald flüchtet sich in Stanzen, wenn sie zu einer Erklärung ansetzt. Sie hat abgenommen, wirkt noch schmaler. Sie weiß, dass das Äußere künftig noch wichtiger wird. Es sei eben eine „Herausforderung“, sagt sie, sie könne „all die Fähigkeiten anwenden, die ich erlernen durfte“. Im Übrigen wechsele sie nicht von „oben nach unten“, sondern allenfalls von „rechts nach links“. Das klingt alles ein bisschen auswendig gelernt, aber was soll man auch sagen, wenn die halbe Branche sich das Maul zerreißt? Kai Gniffke, Erster Chefredakteur bei „ARD-aktuell“, sieht’s nüchtern: „Wenn eine Mitarbeiterin andernorts bessere Entfaltungsmöglichkeiten sieht, ist das ein legitimer Grund für einen Wechsel“, sagte er am Mittwoch.

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Laura Dünnwald hat noch immer ein bekanntes Gesicht, obwohl sie im November 2007 ihre letzte „Tagesschau“ sprach. Geboren wurde sie 1974 in Berlin, wuchs in Hamburg auf, wollte Tierpflegerin werden, absolvierte dann aber als Neuntklässlerin ein Praktikum in der „Tagesschau“-Redaktion beim NDR. Sie studierte nach dem Abitur in Oxford und Lausanne, erst Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte, dann doch lieber Jura, schmiss aber mit 22 hin („Die beste Entscheidung meines Lebens“) und begann 1997 eine Ausbildung beim Bezahlsender Premiere. Dann wechselte sie zu RTL Nord, moderierte zwei Jahre „Guten Abend RTL“ aus Hannover – bis 2001 die „Tagesschau“ anfragte. 2005 war sie zum ersten Mal in der 20-Uhr-Ausgabe zu sehen. Dann der klassische Baby-Bruch: Dünnwald heiratete, wurde schwanger, im Januar 2008 kam Sohn Vincent zur Welt. Der Wiedereinstieg war mühsam. Im September 2009 moderierte sie bei der Deutschen Welle das Magazin „Euromaxx – Leben und Kultur in Europa“, bis sie im Mai 2010 wieder zu „ARD-aktuell“ zurückkehrte. Aber nicht zur „Tagesschau“. Der NDR setzte sie „mit ihrem Einverständnis“ (Gniffke) beim Digitalableger „EinsExtra“ ein. Dann rief PRO7 an.

Vom Mutterschiff des deutschen TV-Nachrichtenwesens zur PRO7-„News­time“, wo Lady Gaga wichtiger ist als der G-8-Gipfel – nach allen Regeln des Geschäfts ist das ein Abstieg. „Newstime“ hat einen schlechten Ruf? Noch schlimmer: „Newstime“ hat überhaupt keinen Ruf. „Newstime“ ist egal. „Newstime“ vermeldet auch mal fröhlich fiktive Nachrichten als Eigen-PR, die auf die neue US-Serie „Fringe“ hinweisen. „Newstime“ – das ist bisher nicht mehr als ein Feigenblättchen, dank dessen sich PRO7 „Vollprogramm“ nennen darf. Vollprogramme haben Vorteile bei Lizenzvergabe und Reichweite – und damit im Werbegeschäft. Aber: Dünnwald ist jetzt Mutter. PRO7 bezahlt gut. „Tagesschau“-Sprecher werden pro Einsatz bezahlt. Sie sind freie Mitarbeiter des NDR. Wer nach dem Gong nicht am Tisch sitzt, verdient nichts. Und Moderationsjobs außerhalb des Senders sind nicht gern gesehen – anders als bei PRO7.

Bisher, sagte Laura Dünnwald einst in einem ARD-Fragebogen, habe sie in ihrem Leben noch keinen Fehler gemacht. Fortsetzung unbekannt.

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