WDR-Studioleiterin spricht über ihr Coming-out als Transgender-Frau
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Männerkleidung war für Georgine Kellermann 62 Jahre lang Alltag. Heute lebt sie offen als Frau.
© Quelle: WDR/Linda Meiers
Köln. Jahrzehntelang lebte Georgine Kellermann (62) als Mann – zumindest in der Öffentlichkeit. Im September allerdings hatte sie dann ihr Coming-out als Transgender-Frau. Seitdem geht Kellermann auch als Frau zur Arbeit. Sie ist Leiterin des WDR-Studios in Essen.
In einem Interview mit dem WDR-Format „docupy“ hat Kellermann nun Näheres über ihr Coming-out verraten. „Ich hatte mir zum Geburtstag eine Reise nach San Francisco geschenkt – weil ich an meinem Geburtstag in Heels über die Golden-Gate-Brücke laufen wollte“, erzählt sie. „Auf dem Weg zum Flughafen nach Frankfurt bin ich dann einer Kollegin begegnet und war schon ziemlich aufgebrezelt: Dreiviertelhose, Ballerinas, Fingernägel lackiert, Sonnenbrille.“
Die Kollegin habe sie angeblickt und gefragt: „Herr Kellermann, sind Sie das? Sind Sie verkleidet?“ Kellermann habe daraufhin nur geantwortet: „Nein, ich bin ’ne Frau.“ Die Kollegin habe begeistert mit „cool“ geantwortet.
Auf dem Weg zum Flughafen habe Kellermann dann ihre neue Facebook-Seite gebaut. „Und dann war es nur noch der Bruchteil einer Sekunde. Sollst du oder nicht? Und dann habe ich auf ‚Veröffentlichen‘ geklickt.“ Daraufhin habe Kellermann einen wahren „Candystorm“ bekommen – also unzählige positive Nachrichten und Kommentare. „Es hat so unendlich viele Menschen gegeben, die gesagt haben: ‚Toll, dass du das gemacht hast.‘“
Karriere als Korrespondent
Der WDR hatte die Geschichte seiner Studioleiterin im Dezember öffentlich gemacht. Kellermann war in den Neunzigern für die ARD als Reporterin auf der halben Welt unterwegs, darunter ab 1992 auch für das „Morgenmagazin“ – damals noch als Mann. 1997 wurde Kellermann ARD-Korrespondentin in Washington, 2006 gründete sie die „Lokalzeit aus Bonn“, seit Mai 2019 leitet Kellermann das WDR-Studio in Essen.
Als Frau gefühlt habe sich Kellermann schon ihr ganzes Leben, hatte sie im Dezember in einem WDR-Interview erklärt. „Ich habe mich nie für Fußball interessiert, war lieber mit Mädchen zusammen. Natürlich war mir nicht sofort bewusst, ich bin eine Frau. Ich wurde als Junge erzogen. Es war ein Patriarchat bei uns zu Hause.“
Zu Beginn ihrer Karriere sei ein Coming-out als Trans-Frau schwierig gewesen, erzählt sie heute. „Da war die Zeit noch nicht reif für jemanden, der sich outete, auch vor der Kamera zu stehen.“ Das sei heute anders: „Ich erlebe es ja gerade bei mir.“
Wie das Internet beim Coming-out hilft
Dass ein Coming-out aber nicht immer positiv verlaufen muss, wird in dem WDR-Talk auch deutlich. Zu Gast ist auch Linus Giese, der sich im November 2017 als Trans-Mann outete. „Man redet ja häufig vom ‚Hass im Netz‘. Doch dabei bleibt es oft nicht“, erklärt Giese. „Bei mir ist es so, dass der Hass im Netz auch auf mein reales Leben übergegriffen hat. Die Menschen, die sich an mir stören, sind zum Beispiel auch zu mir in den Buchladen gekommen und haben mich dann dort mit ‚Frau Giese‘ angesprochen. Sie haben mich mit dem Handy gefilmt und das Video auf Twitter hochgeladen.“
Doch dabei blieb es nicht: „Bei mir ging es so weit, dass im Eingangsbereich die Klingel- und Briefkastenschilder mit meinem alten Namen überklebt worden sind. Obwohl meine Adresse gar nicht öffentlich bekannt ist.“ Zwei Wochen später habe jemand vor Gieses Wohnungstür gestanden und habe eine Stunde lang geklingelt und geklopft.
In einem Punkt sind sich aber sowohl Kellermann als auch Giese einig: Das Internet habe beiden auch enorm bei ihrem Coming-out geholfen. „Man war plötzlich nicht mehr alleine“, erklärt Kellermann. „Im Internet haben wir Leute gefunden, die so sind wie wir.“ Giese stimmt dem zu: „Ich habe lange gedacht, irgendwas stimmt nicht mit mir. Und dann habe ich im Internet festgestellt: Nein, mit mir ist alles in Ordnung, es gibt andere Menschen, denen es genauso geht.“