Werbung setzt zur Fußball-WM auf Afrika-Klischees
Wissenschaftler haben im afrikanischen Dschungel eine erstaunliche Entdeckung gemacht“, meldet die Firma Lorenz: „Die neuen Chrunchips African Style – RRROOOAAARRR! Es handelt sich um eine bisher unentdeckte Chipsart – feurig wild und ungebändigt.“ Weiter heißt es: Außergewöhnliche Gewürze vom „heißen Kontinent der Lebensfreude“ sorgten für „geheimnisvoll-exotischen Geschmack“.
Es geht um Kartoffelchips.
Noch 55 Tage bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, und die Werbeindustrie müht sich nach Kräften, diesen sogenannten Konsumanlass für ihre Zwecke zu nutzen. Kaum ein Klischee über Afrika, das dafür nicht in Anzeigen, TV-Spots oder auf Webseiten bemüht würde: Dr. Oetker präsentiert stolz die „Pizza Culinaria South African Chakalaka Style“ mit einem Elefanten samt Fußball auf der Packung. „Afrika in der Truhe!“ heißt es auch bei der Tiefkühlfirma Frosta – mit den neuen Pfannengerichten „Hähnchen Chakalaka“ und „Hähnchen Cous Cous“. Auf der Verpackung traben diesmal zwei Elefanten vor einem glutroten Sonnenuntergang durch die Savanne. „Südafrika 2010“ steht auf dem Beutel, nebst einem kleinen Fußball, damit auch der Letzte die „Aktualität“ des Gerichtes erkennt.
Einzelfälle? Mitnichten. In Werbeprospekten für afrikanische Würzsoßen heißt es „Dippen wie bei Mama Africa“. Lachende schwarze Models versprechen den „unverfälschten Geschmack Afrikas“ mit „Mama Africa’s Zulu Sauce“. Chio hat einen „Dip African Style“ entwickelt („Das besonders wilde Geschmackserlebsnis mit höllisch scharfem Piri-Piri“), dazu stampfen diesmal zwar keine Elefanten um einen Affenbrotbaum, dafür aber ein Nashorn und eine Gazelle, ebenfalls vor einem Sonnenuntergang. Der Pommes-Frites-Hersteller McCain hat sich zur WM „1.2.3. Kickers“ ausgedacht, das sind fritierte „Kartoffelpüree-Figuren“ mit „typisch afrikanischer Chakalaka-Würze“, und zwar – na klar – direkt „aus dem Herzen Afrikas“.
Die „Chakalaka“-Soße, eigentlich ein traditionelles Gemüse-Relish mit Curry, Ingwer und Koriander, hat es den Werbern besonders angetan. Ültje freut sich auf die „Fußball-Safari“ und hat dafür teigummantelte Erdnüsse namens „Crispers Chakalaka“ mit „einem Hauch von Südafrika“ und dem „typisch afrikanischen Geschmack“ entwickelt.
Feurig! Wild! Ungebändigt! Geheimnisvoll! – es sind solche Schlagworte, die engagierten Aktivisten auf die Nerven gehen, weil sie verbal ein kolonialistisches Klischee vom Kontinent heraufbeschwören. „Das ist unerträglich“, sagt Yonis Ayeh, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die seit 20 Jahren gegen Klischees, Generalisierungen („afrikanischer Dschungel“) und kulturelle Missdeutungen ankämpft. „Da werden ganz klar Rassismen transportiert. Solche Klischees führen zu Ausgrenzung. Die Firmen benutzen diese überflüssigen Stereotypen, um Profit zu machen.“ Der 45-jährige, dunkelhäutige Steuerberater, der in Deutschland aufgewachsen ist, empfindet solche Botschaften „auch ganz persönlich als erniedrigend“. Und: „Das verrät auch etwas über das Afrikabild, das leider immer noch in den Köpfen verankert ist.“
„Solche Dinge sind empörend, anstößig und völlig daneben“, sagt Philippa Ebéné, Leiterin der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln und Tochter eines kamerunischen Arztes und einer deutschen Buchhändlerin. „Aber sie überraschen mich nicht. Sie spiegeln den Zustand der Gesellschaft.“ Klagen hätten keinen Sinn. „In Deutschland gibt es keinerlei Bewusstsein für diese Art von Rassismus.In diesem Land werden nur bewusste Aggressionen als rassistisch wahrgenommen.“ Auch herrsche eine kollektive Amnesie, wenn es etwa um Kolonialverbrechen gehe. „Hier sind Dinge möglich, die in England längst juristisch verfolgt worden wären“, sagt sie. Und: „Die permanente Verortung von afrikanischen Menschen in Tiernähe hat eine lange Geschichte.“ Das „mickrige“ Antidiskriminierungsgesetz von 2006 sei „völlig ungenügend“.
Nun steckt nicht hinter jeder ungeschickten Werbeidee Alltagsrassismus. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass Werbeexperten sich internationale Großereignisse wie eine Fußball-WM zu eigen machen, um von der steigenden Konsumlust und der erhöhten Aufmerksamkeit zu profitieren. Die erste WM auf „afrikanischem Boden“ freilich ist ein Balanceakt in Sachen politischer Korrektheit. „Das Bild vom edlen Wilden ist grauenhaft“, schreibt der äthiopische Autor Prinz Asfa-Wossen Asserate („Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten zu Afrika“). „Vor allem die Romanschreiber des 19. Jahrhunderts haben es geprägt, heute buhlt damit die Reisebranche, um Touristen anzulocken. Deren betont wohlmeinender Blick auf Afrikaner basiert oft auch auf einem Gefühl der Überlegenheit.“
Schon 2002 blamierte sich McDonald’s mit einer Kampagne, die vielen übel aufstieß: Die Fastfood-Kette lud zu „Afrika-Wochen“ ein – mit einem „McAfrica“ und „Kongo Sticks“. Das Problem: Gleichzeitig litten 13 Millionen Menschen südlich der Sahara unter einer der größten Hungerkatastrophen der letzten Jahre. Vor mehreren McDonald’s-Filialen kam es damals zu Protestaktionen. Nicht nur Cornelia Füllkrug-Weitzel, Direktorin von „Brot für die Welt“, empfand die „Afrika-Wochen als „geschmacklos – im wahrsten Sinne des Wortes“.