Wie Leah Remini Scientology entlarvt

Kämpft gegen Scientology: Leah Remini.

Kämpft gegen Scientology: Leah Remini.

Los Angeles. Nein, das passt nicht zu der taffen, fröhlichen Carrie, TV-Ehefrau von Doug Heffernan, dem „King of Queens“. Da sitzt Hollywoodstar Leah Remini, Partnerin von Kevin James in einer der erfolgreichsten Comedyserien aller Zeiten, in einem leeren Loft vor der Kamera und weint. Die unerschütterliche Frau, die neun Staffeln lang ihr tapsiges Riesenbaby Doug liebevoll anzickte, erzählt leise, wie ihr Stiefvater einst ihre Mutter sitzen ließ, allein mit zwei Töchtern. Es war der Moment, als Scientology gewonnen hatte. Die Sekte erschien damals wie der letzte sichere Hafen. „Wohin sonst hätten wir gehen sollen?“

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35 Jahre lang war Leah Remini, heute 46 Jahre alt, Mitglied bei Scientology. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens an diese Kirche geglaubt und sie nach Kräften unterstützt“, sagt sie. Sie zahlte Hunderttausende Dollar für Kurse, spendete Millionen, warb öffentlich um Mitglieder. Sie gehörte zur Riege prominenter Aushängeschilder wie Tom Cruise, John Travolta, Juliette Lewis, Lisa Marie Presley und Kirstie Alley – überzeugt bis ins Mark. „Wir sind die moralischsten Menschen überhaupt “, sagte sie 1999 am Rande einer Gala. „Wir sind die Einzigen, die die Welt wirklich verändern können.“ 2013 sagte sie sich von der Sekte los. Und wie so oft gilt auch bei Remini: Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Sie wurde zur Stimme der weniger prominenten Scientology-Opfer, die ihr Vermögen investierten, ihre Familien verloren, unter psychischem Druck zusammenbrachen. Sie schrieb den Bestseller „Troublemaker: Surviving Hollywood and Scientology“, besuchte für die jetzt in Deutschland startende TV-Doku „Leah Remini: Ein Leben nach Scientology“ beim Sender A+E Zeugen und Schicksalsgenossen. Und begann ihre zweite Karriere: von der Komikerin zur Kronzeugin.

Profitorientierte Geldmaschine

Scientology. Ein Milliardenunternehmen mit komplexer Hierarchie. Eine straff organisierte Sekte, die sich Kirche nennt, in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Heftig umstritten als totalitäre, profitorientierte Geldmaschine, die mit Kritikern und Aussteigern zerstörerisch und manipulativ umspringt. Und die ihre Mitglieder bis zum Erreichen der höchsten Bewusstseinsstufe im internen System der Seinszustände um bis zu 400.000 Euro erleichtert.

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Reminis eigene Scientologenkarriere beginnt in den siebziger Jahren in New, als ihre Mutter Vicki ihren Vater für einen neuen Mann verlässt, einen Scientologen. „Ich dachte, ich biete meinen Kindern etwas Besseres“, sagt Reminis Mutter heute. 1984, Leah ist 14 Jahre alt, bekommen ihre Mutter und Stiefvater Dennis ein Baby. Dennis verlässt die Familie. „Das war sehr schwer und trieb uns weiter in die Arme von Scientology“, sagt Remini. Sie ziehen zu einer Freundin der Mutter in Kalifornien, sie jobbt mit 15 in einem Restaurant der Sekte, nimmt Schauspielunterricht. 1999 knackt sie den Jackpot: Drehstart für „King of Queens“. „Ich habe Scientology für meinen Erfolg verantwortlich gemacht“, sagt sie.

2006 ist Remini zu Gast auf der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes auf dem italienischen Schloss Orsini-Odescalchi nahe Rom. „Der gesamte Vorstand von Scientology war da“, sagt sie. Dort, am Kamin stehend, habe sie die Frage gestellt, die ihr Leben veränderte. „Hey“, fragt sie arglos in die Runde – „wo ist eigentlich Shelly Miscavige?“

Gehirnwäsche und zerbrochene Familien

Shelly Miscavige. Um die Ehefrau des langjährigen Scientology-Chefs David Miscavige, Trauzeuge von Tom Cruise, ranken sich Gerüchte. Sie ist seit Jahren nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Fragen sind unerwünscht. Man habe ihr zu verstehen gegeben, sagt Remini in der Doku, dass sich diese Frage nicht schicke, da sie nur einfaches Mitglied sei und Miscavige der Boss. „Das war der Moment, als ich begann, Scientology infrage zu stellen.“

Sie recherchierte. Hörte von traumatisierten Aussteigern. Misshandlungen. Gehirnwäsche. Ausbeutung. Kadavergehorsam. Psychoterror. Vertuschtem sexuellem Missbrauch. Zerbrochenen Familien. Zerstört durch den sogenannten „Trennungsbefehl“ der Sekte – die Verpflichtung, alle Verbindungen zu Menschen abzubrechen, die Scientology ablehnen. Eltern, Kindern, Freunden. Remini macht sich verdächtig. Man lädt sie zu internen Verhören mit dem E-Meter, einer Art Lügendetektor. Ihre Familie gerät in Misskredit. Es ist eine Rufmordkampagne. „Scientology wirft dich nicht ins Feuer“, sagt Mike Rinder, ehemaliger Pressesprecher, hochrangiger Scientologe und lange eine Art Oberinquisitor der Sekte - „sie lassen dich langsam schmoren.“ Rinder begleitet Reminis Aufklärungskampagne.

Comedy? Sie kann es noch

Scientology sieht Remini – wenig überraschend – als „verwöhnte Diva“ auf dem „absteigenden Ast“, die „mit ihrem Leben nicht klarkommt“. So steht es in Briefen an die TV-Produzenten ihrer Doku. Es sind die zu erwartenden Mechanismen, mit denen die Sekte Abweichler und Aussteiger zu diskreditieren versucht: den Spieß umdrehen, den Bock zum Gärtner machen. „Eine Sendung mit Leah Remini über unsere Religion kann nur eine billige Reality-Show sein“, schreibt die Organisation. Und: „Miss Remini gehört zu einer Gruppe von Versagern, Lügnern, Eidbrechern, gewalttätigen Ehemännern und anderem Abschaum.“

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Remini ficht das öffentlich nicht an. Ihre Arbeit solle Betroffenen klar machen, dass ihr Leid echt ist, sagt sie. Dass sie eben – auch nach den kruden moralischen Maßstäben der Organisation – keine Täter seien, sondern Opfer. Die Wahrheit, sagt sie, klinge ganz anders als die Heilsversprechen, die sie 35 Jahre lang zu hören bekam: „Scientology ist ein gefährlicher Kult, der das Gute in den Menschen ausnutzt. Sie stehlen einem das Leben, das Geld – und die Kinder.“ Gerade war sie zu Gast in der neuen Sitcom „Kevin Can’t Wait“ ihres alten „King of Queens“-Kompagnons Kevin James. In einer Folge spielt sie als Undercover-Polizistin seine Ehefrau. Und schnauzt ihn zärtlich an, als wäre nichts gewesen. Sie kann es noch. Auch ohne die Sekte.

Durchbruch als Vorstadthausfrau mit tapsigem Gatten: Kevin James (l.) und Leah Remini (r.) als Dog und Carrie Heffernan in der Sitcom „King of Queens“.

Durchbruch als Vorstadthausfrau mit tapsigem Gatten: Kevin James (l.) und Leah Remini (r.) als Dog und Carrie Heffernan in der Sitcom „King of Queens“.

Von Imre Grimm

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