ZDF zeigt „Millennium“-Trilogie nach Stieg Larsson
Es gibt im deutschen Fernsehen Sendeplätze, die sind gesetzt. „Tagesschau“, „Sportschau“, „Tatort“ – gesendet immer zur gleichen Zeit, das schafft Vertrauen, Kontinuität. Das ZDF hat es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, für den Sonntagabend ein weiteres Programm zum Pflichttermin zu machen: den späten Krimi. Die Zuschauer, die nach dem „Tatort“ keine Lust auf die ewig gleichen Gesichter bei „Anne Will“ haben, können dort den Krimiabend spannend ausklingen lassen. Mit – wie das ZDF behauptet – den „besten Krimis der Welt“.
Jetzt hat der Sender ein Werk eingekauft, das diesen Titel zu Recht trägt: Von Sonntag an zeigt das Zweite die Bestsellerverfilmung der „Millennium“-Trilogie des schwedischen Erfolgsautors Stieg Larsson. „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ wurden ursprünglich für das Fernsehen produziert – liefen dann aber zunächst in einer verkürzten Fassung in den europäischen Kinos.
700.000 Kinobesucher haben allein in Deutschland den ersten Teil der Trilogie gesehen, die weiteren Teile erreichten immerhin eine halbe Million Zuschauer. Doch die Kinofilme hatten einen Nachteil: Sie waren am Stück sehr, sehr lang. Das ZDF hat die Geschichte nun wieder, wie ursprünglich gedacht, in sechs Teile aufgeteilt und zeigt die Verfilmung in der gegenüber den Kinofilmen noch längeren Originalfassung, die so auch wieder näher an der Buchvorlage ist – jeder Roman ist in zwei Filmteile aufgesplittet. Und das tut der Geschichte gut.
Im Mittelpunkt der Krimireihe steht Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist), ein ehrbarer Wirtschaftsjournalist, der als Herausgeber der investigativen Zeitschrift „Millennium“ bereits einigen Finanzhaien auf die Füße getreten ist – vielleicht einmal zu viel. Denn eine journalistische Auseinandersetzung endet mit einer gerichtlichen Verurteilung des Reporters – sein Ruf steht auf dem Spiel.
Mit im Gerichtssaal sitzt Lisbeth Salander (Noomi Rapace): eine zierliche Hackerin in martialischer Punkaufmachung und mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Die Tochter eines übergelaufenen Sowjetagenten und Gangsterbosses schleicht sich in fremder Menschen Computer ein, spioniert, lebt gar in dieser virtuellen Welt – hier kommt sie weitaus besser zurecht als in der Realität. Die besteht für Salander ohnehin vorrangig aus menschlichen Enttäuschungen: Von ihrem rechtlichen Vormund wird sie vergewaltigt, und in der Psychiatrie hat sie als Kind bereits ähnliche Erfahrungen machen müssen. Salanders Rache ist eine der spannenden Nebenhandlungen des Films.
Nun ist Blomkvist zunächst ihr aktueller Job – für eine Privatdetektei soll sie alles über den Journalisten herausfinden. Auftraggeber ist der 82-jährige Unternehmer Henrik Vanger, dem das spurlose Verschwinden seiner damals 16-jährigen Nichte Harriet vor 40 Jahren keine Ruhe lässt – Blomkvist soll helfen. Für drei Monate will er auf das Anwesen Vangers ziehen – virtuell ist Salander immer mit dabei, als Überwacherin des Überwachers. Bis sich die beiden auch real treffen und beginnen, den mysteriösen Fall gemeinsam zu lösen.
Es ist ein actionreicher Psychokrimi: Die Darstellungen von Gewalt sind rigoros, ungefiltert und brutal. Jeder der drei Teile ist für sich genommen ein sehenswerter Krimi – in der Zusammenschau aller Teile ergibt sich jedoch ein noch viel komplexeres Bild: Hier zeigen sich die kriminellen Abgründe der Gesellschaft. Angeprangert wird das Böse, das sich bei Stieg Larsson vor allem in den oberen Schichten wiederfindet. Bei den Menschen, die eigentlich das Vertrauen der Gesellschaft genießen: Juristen, Psychiater, Beamte, Wirtschaftsbosse und Politiker.
Das ist die übergeordnete Kategorie, konkret heißt das: In Teil eins der Reihe geht es um innerfamiliäre Qualen und Wirtschaftskriminalität. Mädchenhandel und krumme Geheimdienstgeschäfte sind dann Inhalt vom zweiten Streich, das Finale schließlich thematisiert eine blutige Staatsaffäre. Verbindendes Element ist dabei die Persönlichkeitsentwicklung von Blomkvist und Salander: die Rache der Hackerin, das langsame Entwirren ihrer Vergangenheit.
Was am Ende in Erinnerung bleibt, ist vor allem das Gesicht Lisbeth Salanders, der Schauspielerin Noomi Rapace. Sie spielt diese faszinierende, brutale und zugleich zerbrechliche Hackerin tiefgehend – erst durch sie wird die verfilmte Romanvorlage zu einem wirklichen Ereignis. Rapace hofft, die Rolle, die ihr Ruhm brachte, erst einmal hinter sich zu lassen: „Lisbeth Salander nahm mich in Besitz“, sagte die schwedische Schauspielerin einmal in einem Interview. Doch sie versucht, den Schatten der coolen Rächerin abzulegen: Jüngst wurde bekannt, dass sie neben Jude Law und Robert Downey Jr. im zweiten Teil der Neuverfilmung von „Sherlock Holmes“ zu sehen sein wird. Es ist ihr erster Film in Hollywood.