„Tatort: Lenas Tante“: Wie die Tante der Kommissarin zum Star des Krimis wird
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In aller Selbstverständlichkeit taucht Niki Odenthal (Ursula Werner) bei Lena Odenthals (Ulrike Folkert) Ermittlungen auf.
© Quelle: Benoit Linder/SWR/ARD/dpa
Ein Anfang wie in einem Edgar-Wallace-Film, wo Horror und Klamauk ja immer nahe beieinanderliegen: Den Sarg schieben sie in den Ofen, er fängt Feuer, plötzlich öffnet sich der Deckel. Eine Hand streckt sich heraus. Doch der Sarg steht längst in Flammen. Der Tote war nicht tot, nun verbrennt er.
Wie konnte das passieren? Ein schockierender Beginn in diesem Tatort „Lenas Tante“ – es ist nicht klar, wohin erzählerisch die Reise geht in diesem Stück aus Ludwigshafen, dem Standort, der von Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) sonst so integer und mit Ruhepuls betreut wird. Gibt es dieses Mal tatsächlich Abgrund, Blut, Gemetzel?
Aushilfsarzt nimmt die Schuld auf sich
Aushilfsarzt Roters (Johannes Dullin), der den alten Mann im Sarg bei einer Leichenschau für tot hielt, nimmt die Schuld auf sich – Roters ist Gemütsmensch, noch nicht alt, doch schon mit Wampe. Nicht zu verbissen und nie hektisch erinnert er an Helmut Kohl, Patron von Ludwigshafen, der die Dinge eher nach Bauchgefühl und Stimmungen entschied. Damit es hier nicht zu gediegen wird, zeigt der „Tatort“ Bilder von der kolossalen Hängebrücke und den hochgelegten Autobahnen, die auf Stelzen imposant und sehr präzise zueinanderführen, als wollten sie erzählen, dass die Welt auch nach dem Tod von Kohl um Ludwigshafen keinen Bogen macht. Sondern dass es hier gehörig brummt. Für das Brummen braucht die Folge einen Gast, der schon im Titel angekündigt ist: Lenas Tante, keine Frau von leisen Tönen.
Als wollte diese Episode (Regie: Tom Lass, Drehbuch: Stefan Dähnert) nach dem Paukenschlag des Anfangs nun endgültig heim in die Gemütlichkeit, schleicht die Tante in den Krimi. Offiziell kommt sie nur zu Besuch, im Grunde inspiziert sie aber gnadenlos den Lebenslauf der Nichte: „Mach was aus deinen Fähigkeiten!“, „Geh in eine andere Stadt!“, „Such dir eine bessere Arbeit!“ Tante Niki Odenthal (Ursula Werner) ist eine Frau mit Purpurmantel und einer Menge Ausrufezeichen. Sie ist Staatsanwältin im Ruhestand, die Provinzialität von Ludwigshafen nimmt sie nahezu persönlich.
Odenthal seufzt und stöhnt sich durch die Episode
Kommissarin Lena Odenthal seufzt und stöhnt sich durch die Episode, ihre Tante setzt ihr zu. Lena Odenthal kommt nicht zur Ruhe, vielleicht ist das genau das Motto dieses Films: Ruhe gibt es nicht um jeden Preis, Frieden zieht erst ein, wenn die Schlacht geschlagen ist. Familiäre Schlachten sind die härtesten.
Ähnlich gilt das auch für diesen alten Mann, Fritz Herrweg, der im Sarg verbrannte. Er hat in einem Altenheim gelebt, als ewig motzender Tyrann – jemand hat ihm eine Überdosis Insulin gespritzt, sein Puls hat ausgesetzt, so kam der Arzt zum Schluss, dass Herrweg tot sei. Liegt in der Vergangenheit des Mannes eine Lösung für den Mord? Sein Enkel ist ein stramm geschulter Nazi, „das System hat meinen Opa kaputt gemacht“, sagt er.
Dunkler und nervöser Krimi
Um positive Energie in diesen dunklen und nervösen Film zu bringen, nimmt sich Kommissarin Stern (Johanna Bitter), Lena Odenthals Kollegin, die Freiheit, den Amtsarzt Roters nicht nur zu vernehmen, sondern anzuflirten. Roters, der fälschlich Herrwegs Tod bescheinigt hat, verschreibt ihr Pizza und Bier, das ist augenzwinkernd inszeniert – fern vom bärbeißigen Ton der Tante Niki Odenthal. Dass ein freundlich balzender Arzt, letztlich für den Feuertod von Herrweg verantwortlich, in eine sehr diskret erzählte Liaison mit einer Kommissarin rutscht, ist selbst nach Maßstäben des fiktionalen Fernsehens eher unwahrscheinlich. Schieben wir es auf die Pfälzer Mentalität.
Generell wirkt diese Pfalz hier wie ein Schlüssel zum Verständnis der Odenthal-Krimis, die Ulrike Folkerts als Galionsfigur seit 34 Jahren prägt. Ausdauer und Beharrlichkeit sind eine Qualität in dieser Gegend, so überrascht es nicht, dass diese alte Tante Niki nun in dem nicht durchweg schlüssig und spannend inszenierten Film zum Star wird. Ursula Werner spielt sie zerknautscht und schroff, den Ludwigshafener „Tatort“ bringt sie für herrliche Momente aus der Ruhe.