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Schrecken in Schwarzweiß

Sklavendrama „Emancipation“ - Will Smiths Comeback nach der Oscar-Ohrfeige

Ein Himmelfahrtskommando: Peter (Will Smith, 2. v. r.) kämpft in der Uniform der Union. Unter den Kugeln der „Grauröcke“ werden viele seiner Kameraden sterben. Szene aus Antoine Fuquas Film „Emancipation“, der heute (9. Dezember) bei Apple TV+ startet.

Ein Himmelfahrtskommando: Peter (Will Smith, 2. v. r.) kämpft in der Uniform der Union. Unter den Kugeln der „Grauröcke“ werden viele seiner Kameraden sterben. Szene aus Antoine Fuquas Film „Emancipation“, der heute (9. Dezember) bei Apple TV+ startet.

Ein Pferd brennt im Galopp, eine Welt geht in Windeseile unter. Die stolzen Plantagenbesitzer des amerikanischen Südens haben ihren Reichtum auf dem Leid von Menschen erworben und nun büßen sie. Aus ihren Herrenhäusern schlagen die Flammen lichterloh. Der Sklave Peter tötet im Schein des Feuers einen Aufseher, den er „den Schlimmsten“ nennt, weil er schwarz ist, wie er selbst. Nicht mehr lange, und die Menschenschinder werden exekutiert, ihre Frauen und Kinder überall aus den Villen gezerrt.

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Den Sklaven wird die Freiheit geschenkt werden in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Ein Prozess der Emanzipation setzt ein, der im weißen Amerika von heute, das Slogans wie Black Lives Matter braucht, immer noch nicht abgeschlossen ist.

Das Bild von „Whipped Peter“ ging um die Welt

„Emancipation“ ist auch der Titel des neuen Films von Antoine Fuqua, der an diesem Freitag (9. Dezember) beim Streamingdienst Apple TV+ startet. Die Figur des Peter gründet auf die Geschichte des berühmten Sklaven Gordon, der vermutlich mit Vornamen Peter hieß, zumal die Fotografie seines von wulstigen, tumoresken Narben überzogenen Rückens als „Whipped Peter“ (ausgepeitschter Peter) um die Welt ging und den Abscheu vor dem rückständigen Menschenbesitzen vertiefte.

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Wenig ist von Peter Gordon überliefert – schon die Schreiber jener Zeit stürzten sich auf das Sensationsbild, waren an der Sache interessiert, weniger an der Persönlichkeit des Gemarterten. Auch im liberalen Norden wurde oft genug Distanz gewahrt zu den Schwarzen. Nur galten sie dort nicht als Sachen, die man nach Belieben schlagen, vergewaltigen oder töten konnte.

Das Fehlen biografischer Fülle lässt Fuqua erzählerische Freiheiten. Und so breitet er – Vorsicht, hier beginnen Spoiler – die Geschichte des treusorgenden Familienvaters Peter vor dem Publikum aus, der Frau und drei Kindern verspricht, zu ihnen auf die Baumwollplantage zurückzukommen. Wonach er in einen Karren geworfen wird, um Fronarbeit beim Bau der Eisenbahn zu leisten. Fuqua erzählt von Peters Flucht durch die Sümpfe Louisianas, unerbittlich verfolgt von einem Sklaventreiber (Ben Foster), der zu extremster Grausamkeit fähig ist und aus seiner Härte Selbstwertgefühl schöpft – wie man am Lagerfeuer erfährt, wo er den anderen Menschenjägern ungerührt erzählt, wie er einst seine schwarze Nanny sterben ließ.

Arthouse-Effekt - Antoine Fuqua verzichtet auf Farben

Fuqua kommt vom (gehobenen) Mainstreamkino. In diesem Genre hat er einige moderne Meilensteine von Action und Thrill geschaffen wie „The Replacement Killers“ (1998), „Training Day“ (2001), „The Equalizer“ (2014) oder das Boxerdrama „Southpaw“ (2015). Das obszön erscheinende Prinzip der Sklaverei inszeniert er nun mit einem Kniff des Arthousekinos in dokumentarisch wirkendem Schwarzweiß. Eine Welt ohne Freude, eine Welt voller Furcht ist eine Welt frei von Farben. Und so wirkt das von Willkür und Terror gegenüber den schwarzen Zwangsarbeitern geprägte Eisenbahncamp ähnlich aufs Gemüt des Betrachters wie Ghetto und Vernichtungslager in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ (1993).

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In beiden Sphären ist der Tod immer nur eine falsche Bewegung entfernt. Ähnlich wie Spielberg, der einem kleinen Mädchen in den vielen Grauschattierungen seines Meisterwerks einen roten Mantel umhängte, um so das anonyme Sterben von Abertausenden mit einem Merkmal zu personifizieren, lässt Fuqua die Farbe gelb zu, wann immer Feuer oder Mündungsfeuer zu sehen ist.

Der Mangrovenwald in „Emancipation“ ist dabei von einem seltsamen surrealen Schwarz, das es stets zu drängen scheint, grün zu werden. Der Himmel will blau sein und ist auch dicht davor, aber es scheint, als hindere ihn letztlich das Kalte und Böse daran. Die schwarzen Sümpfe Louisianas bekommen von Marcelo Zarvoseinen Score, der auch „Shining“ gut gestanden hätte.

Den Zuschauer erfüllt so das gezeigte Unrecht voll und ganz – er bekommt ein Gefühl dafür, mit welcher Bürde und Angst dieser von Will Smith gespielte Mann unterwegs ist. Er musste seine Liebsten in toxischer Obhut zurücklassen, hat den Tod auf den Fersen und – bis er die Linien der Yankees erreicht – niemanden, den er um Beistand anrufen kann. Ein kleines Mädchen schreit „Runner!“ und läutet die Glocke, als Peter ein Stück Wäsche von der Leine raubt, um seine Wunden zu versorgen.

Für den ersten Film nach „The Slap“ wird Will Smith wohl keinen Oscar bekommen

„Emancipation“ ist Will Smiths erster Film nach „The Slap“, zu deutsch „Die Backpfeife“, wie die amerikanische Presse seinen verzögert ritterlichen Gewaltausbruch bei der letzten Oscarverleihung zu nennen pflegt, mit dem er seine Frau gegen den Witzbold Chris Rock verteidigte und in Hollywood danach in Ungnade fiel. Und er zählt zu Smiths besseren Filmen, wenngleich die Leistung nicht den erhofften Oscar abwerfen dürfte – zu statisch ist Smiths Mimik und zu sehr sind die ihm in den Mund gelegten Sätze von der dicken Pathosstange.

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Außerdem wechselt nach ungefähr einer halben Stunde der Tonfall des Films, weshalb auch Regie- oder Bester-Film-Oscar eher nicht infrage kommen. Mit der Flucht aus dem Camp wird „Emancipation“ zum Actionfluchtstreifen à la „Papillon“ (1973) oder „Flucht in Ketten“ (1958), greift Fuqua in sein bewährtes Arsenal des kinetischen Übertourens. Peter wächst über sich hinaus, er täuscht nicht nur die Bluthunde der Weißen, indem er sich mit Zwiebeln einreibt (glaubwürdig), er besteht auch gegen ein Krokodil, das ihn aus dem Brackwasser heraus anspringt (unglaubwürdig). Überdies bleiben – bis auf Held und Antiheld – sämtliche Auftretenden mehr oder weniger skizzenhaft.

Im infernalischen Finale setzt Fuqua plötzlich auf Verklärung

Das Finale findet dann auf einem Schlachtfeld statt, das seinesgleichen sucht, ein Inferno à la „Im Westen nichts Neues“. Eine Kompanie aus Schwarzen stürmt da als Kanonenfutter gegen die uneinnehmbar scheinenden Stellungen der Rebellen an. Kanonen krachen, Kugeln machen spritzende und pfeifende Geräusche, einstige Sklaven schreien in den Uniformen der Freiheit sterbend nach ihren Müttern.

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Dann berappelt sich der schon angezählte Peter und plötzlich scheinen alle wieder voll motiviert, unverwundet und unbesiegbar. Und mit der Fahne voran kann den Anstürmende auch keine feindlich Kanone mehr schaden. Was passiert da, fragt man sich? Fehlt nur noch, dass sich in diesen Minuten, in denen Fuqua seinen Film kleiner macht, das Sternenbanner tatsächlich blau-weiß-rot färbt und Engelschöre vom Himmel eine Hymne schmachten – Leonard Cohens „Hallelujah“ beispielsweise.

Soll heißen: Es hätte am Ende von „Emancipation“ noch schlimmer kommen können.

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„Emancipation“, Film, 133 Minuten, Regie: Antoine Fuqua, mit Will Smith, Ben Foster, Mustafa Shakir, Charmaine Bingwa (ab 9. Dezember bei Apple TV+)

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