Bundesweite Razzia bei Klimaaktivisten der Letzten Generation
Ziel der Durchsuchungen sei das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur der Letzten Generation.
© Quelle: dpa
München/Berlin. Beamtinnen und Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwoch in sieben Bundesländern Durchsuchungen bei der Klimaschutzgruppe Letzte Generation durchgeführt. Insgesamt wurden ab etwa 7 Uhr 15 Objekte durchsucht, wie Generalstaatsanwaltschaft München und Bayerisches Landeskriminalamt mitteilten. Gleichzeitig würden zwei Kontobeschlagnahmebeschlüsse und ein Vermögensarrest zur Sicherung von Vermögenswerten vollstreckt.
Die Durchsuchungen fanden in Berlin (vier Objekte), in Augsburg und München in Bayern (drei), in Hessen im Landkreis Fulda (drei), in Dresden in Sachsen (zwei), in Hamburg, in Magdeburg in Sachsen-Anhalt und im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein (jeweils eines) statt.
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Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Razzia bei Letzter Generation: Ermittlungen gegen sieben Beschuldigte
Die Generalstaatsanwaltschaft München habe wegen zahlreicher Strafanzeigen aus der Bevölkerung seit Mitte 2022 ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt sieben Beschuldigte eingeleitet. Die Personen seien zwischen 22 bis 38 Jahre alt. Ihnen wird die Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft weiter mitteilte, werde den Beschuldigten zur Last gelegt, eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert und beworben zu haben. Dadurch sei ein Betrag von mindestens 1,4 Millionen Euro gesammelt worden. „Dieses Geld wurde nach den bisherigen Erkenntnissen überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten der Vereinigung eingesetzt“, hieß es weiter. Zwei Beschuldigte stünden zudem im Verdacht, im April 2022 versucht zu haben, die Ölpipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.
Website der Letzten Generation abgeschaltet
Ziel der Durchsuchungen sei das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur der Letzten Generation, die weitere Aufklärung ihrer Finanzierung sowie die Beschlagnahme von Vermögenswerten. Zudem wurde auf Anweisung der Staatsanwaltschaft die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet, wie ein Polizeisprecher sagte.
Laut Polizei waren bundesweit etwa 170 Beamtinnen und Beamte im Einsatz. Die Durchsuchungen verliefen ersten Informationen nach friedlich. Festnahmen seien bislang nicht erfolgt.
Letzte Generation: Bundesweite Razzia ist #völligbekloppt
Die Letzte Generation reagierte am Mittwochmorgen in den sozialen Netzwerken auf die bundesweite Razzia. In einem Tweet schrieb die Protestgruppe: „Lobbystrukturen durchsuchen und fossile Gelder der Regierung beschlagnahmen - wann?“ Ergänzt wurden die Worte „Bundesweite Razzia“ mit dem Hashtag #völligbekloppt - eine Anspielung auf eine Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor wenigen Tagen.
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Scholz hatte die Anklebe-Aktionen von Aktivisten der Letzten Generation am Montag scharf kritisiert. „Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße“, sagte der Kanzler. Er habe den Eindruck, dass es auch nicht dazu beitrage, dass irgendjemand seine Meinung ändere, sondern es ärgerten sich vor allem alle. „Das ist eine Aktion, von der ich glaube, dass sie nicht weiterhilft“, meinte er.
Klimaaktivisten solidarisch mit Letzter Generation
Weitere Klimaschutzaktivisten reagierten mit scharfer Kritik. Die Gruppe Ende Gelände kritisierte auf Twitter, Razzien gebe es bei denen, „die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die dafür verantwortlich sind“.
Die Aktivisten von Extinction Rebellion solidarisierten sich ebenfalls mit den Beschuldigten. „Lobbys und Konzernen legen wir das Handwerk nur gemeinsam“, schrieben die Umweltaktivisten am Mittwoch auf Twitter und bekundeten ihre Unterstützung. Razzien mit dem Strafrechtsparagrafen 129 zu begründen - der Bildung krimineller Vereinigungen - solle „umfassende Überwachung ermöglichen, Rechte und Demokratie aushebeln und vor allem: von den wahren Kriminellen ablenken“, erklärte Extinction Rebellion weiter.
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Polizeigewerkschaft: Durchsuchungen bei Letzter Generation richtig
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hieß die Durchsuchungen gut. „Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates“, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt am Mittwoch in Berlin. „Die Bevölkerung, die unter dem Straßenterror dieser selbst ernannten Klimaretter täglich tausendfach leidet, wird endlich als das tatsächliche Opfer dieser Kriminellen wahrgenommen.“ Die Gewerkschaft begrüße das konsequente Handeln der bayerischen Justiz.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich ähnlich. Der Rechtsstaat setze ein klares Zeichen gegen diejenigen, die die Demokratie diskreditieren und die Gesellschaft spalten wollten, hieß es in einer Mitteilung am Mittwoch. „Aus unserer Sicht erfüllt die Letzte Generation längst die Charakteristika einer kriminellen Vereinigung“. Es sei konsequent, genau hinzuschauen, „wo das Geld zur Finanzierung der Straftaten herkommt“, schrieb die GdP.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, bezeichnete die Durchsuchungen bei der Letzten Generation als überzogen. „Die Menschen, die sich der sogenannten Letzten Generation zurechnen, setzen auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen“, sagte Beutin. Probleme für die Gesellschaft und die Zerstörung der Lebensgrundlagen produzierten diejenigen, die Lobbypolitik für Konzerne machten. „Wann findet die Razzia bei den Herren Lindner und Wissing statt und bei all denen, die mit ihrem Bremsen beim Klimaschutz das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 ignorieren?“, kritisierte der Linken-Politiker mit Blick auf die beiden Bundesminister der FDP.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schrieb auf Twitter: „Klimaschutz ist ein richtiges und drängendes Anliegen. Klimaschutz gegen Rechtsstaat, Demokratie und die Bevölkerung dagegen nicht.“ Mit einer großangelegten Razzia waren Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen.
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Anfangsverdacht einer kriminelle Vereinigung
In den vergangenen Wochen war das Umfeld für die Aktivisten extrem rau geworden. Abgenervte Autofahrer schlugen und traten die Protestierenden des Öfteren und schleiften sie ruppig von der Straße, und das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals den Anfangsverdacht, dass die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte.
Die Aktivisten forderten anfangs ein „Essen-Retten-Gesetz“ gegen Lebensmittelverschwendung. Die derzeitigen Forderungen sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr.
Angesiedelt sind die Ermittlungen bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die Letzte Generation als extremistisch oder terroristisch einstufe. „Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt - wohlgemerkt nicht um eine terroristische“, sagte der Sprecher. Dies wolle man gerichtlich prüfen lassen.
RND/nis/dpa