„Ich war nicht mehr ich selbst“

Das denkt ein Ex-Süchtiger über die geplante Cannabis-Legalisierung

In Deutschland soll Cannabis künftig kontrolliert abgegeben werden. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.

In Deutschland soll Cannabis künftig kontrolliert abgegeben werden. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.

Bad Bramstedt. Jonas Schmidt ist 16 Jahre alt, als er seinen ersten Joint raucht. Drei Jahre später gibt es für ihn keinen Tag mehr ohne Cannabis. Aus dem gemeinsamen Konsum mit Freunden wird Rauchen alleine im Jugendzimmer. „Meine ganze Energie war verschwunden, das war nicht mehr ich selbst“, erzählt der heute 23-Jährige. Als die Polizei ihm seinen Führerschein entzieht, hört er mit dem Kiffen auf. Was hält Jonas Schmidt, der eigentlich anders heißt, von der geplanten Legalisierung in Deutschland?

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Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der Bundesrepublik. Von den unter 18-Jährigen hat jeder Zehnte schon mindestens einmal Cannabis konsumiert, so ein Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 2011 war es noch jeder Zwanzigste. Bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahre ist die Verbreitung von Cannabis höher: Fast jeder Zweite hat Cannabis schon einmal ausprobiert – genauer: 46,4 Prozent. 2016 waren es 16,8 Prozent, 2008 noch 11,6 Prozent.

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Aus Gelegenheit wird Regelmäßigkeit

„Dass ich mal süchtig werde, hätte ich bei meinem ersten Zug niemals gedacht“, sagt Schmidt. Nach der Realschule absolviert er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kindergarten und greift bei einem Aufbauseminar zum ersten Mal zu der Droge. „Wir saßen in einer Gruppe zusammen und als der Joint rumging, wollte ich auch probieren.“

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Während seiner anschließenden Ausbildung im Hotelgewerbe gerät er in einen neuen Freundeskreis. Viele Freunde rauchen regelmäßig Marihuana. Aus dem gelegentlichen Ziehen am Joint bei einer Party entwickeln sich regelmäßige Kiffer-Treffen. Das geht so weiter, bis Jonas irgendwann schon nach dem Aufstehen oder beim Lernen für die Berufsschule nebenbei einen Joint raucht.

Suchtmittelmissbrauch: Cannabis auf Platz 1

In Deutschland soll Cannabis künftig kontrolliert abgegeben werden. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis sollen straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften und vielleicht auch Apotheken möglich werden. Die Ziele der Bundesregierung: den Schwarzmarkt zurückdrängen, den Konsum nicht ausdehnen sowie Kinder und Jugendliche besser schützen.

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Stefan van der Elst ist Leiter einer Suchtberatung in Schleswig-Holstein. Er sagt: „Beim Suchtmittelmissbrauch steht Cannabis bei den Jugendlichen ganz oben, teilweise sogar auf Platz eins vor dem Alkohol.“ Er könne sich vorstellen, dass durch die Legalisierung von Cannabis in Deutschland der Bedarf in der Suchtberatung steigt. Aber: „Wir warten das jetzt aber erst einmal ab, an der Beratung ändert sich für uns ja nichts.“

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Regelmäßiges Kiffen erhöht Psychose-Gefahr

Regelmäßiger Cannabis-Konsum ist laut Ärztinnen und Ärzten gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gefährlich. Studien zeigen, dass die Entwicklung des Gehirns unter dem Einfluss des Cannabis-Wirkstoffs THC Schaden nimmt. Die Folge: verminderte Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Auch die Gefahr, an einer Psychose zu erkranken, erhöht sich.

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„Als ich anfing, jeden Tag zu kiffen, habe ich gemerkt, dass mir das Gras nicht guttut“, sagt Schmidt. Ihm sei es zusehends schwergefallen, sich einfache Dinge zu merken. Während er sich bei seinem Job im Hotelrestaurant noch problemlos vier Tische hintereinander aufgenommen habe, habe er plötzlich alle Bestellungen durcheinander gebracht.

Verkehrskontrolle beendet Konsum vorläufig

„Alles war so verschwommen – so, als würde ich mein Leben nur von außen wahrnehmen“, berichtet der 23-Jährige. Er sehe bei der Cannabis-Legalisierung das größte Problem in der Verharmlosung von Marihuana. „THC ist ein psychoaktives Halluzinogen und mit Sicherheit werden nach der Legalisierung die Patientenzahlen in der Psychiatrie steigen“, behauptet er.

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Wegen seiner negativen Erfahrungen beschließt Schmidt 2019 sich der Droge zu entziehen. Er will nur noch am Wochenende rauchen. Eine Verkehrskontrolle mit Urinprobe kommt ihm zuvor. Obwohl der letzte Cannabis-Konsum damals nach seiner Aussage drei Tage zurückliegt, übersteigt der THC-Wert in seinem Urin die Höchstgrenze.

Das Ergebnis: Jonas Schmidt muss seinen Führerschein abgeben und sich einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU) unterziehen. „Insgesamt hat mich das knapp 4000 Euro gekostet“, sagt er heute. Sechs Monate lang muss er seine Drogenabstinenz beweisen und regelmäßig Urinproben abgeben.

Nach der bestandenen MPU raucht Jonas Schmidt wieder ab und zu Cannabis, seit einem Jahr ist er clean. Ob das in Zukunft so bleibe, wisse er nicht. „Ein Vorteil der Legalisierung liegt daran, dass man nicht mehr das Zeug von der Straße kaufen muss.“ Einige Bekannte seien im Krankenhaus gelandet, weil ihr Marihuana gestreckt worden sei.

„Vielleicht wird die Legalisierung mich wieder zum unregelmäßigen Kiffen verleiten“, sagt Jonas Schmidt. Eine Sache habe er sich aber geschworen: Süchtig sein möchte er nie wieder. „Das macht das Gehirn matschig.“

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