Umfeld, Einstellung, Motiv: Was wir über den mutmaßlichen Täter wissen
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Eine Person – der mutmaßliche Täter – steht auf dem Balkon von einem Hochhaus in Ratingen, aus dem Rauch quillt.
© Quelle: David Young/dpa
Nach der Explosion in einem Ratinger Hochhaus mit mehreren schwer verletzten Feuerwehr- und Polizeikräften steht ein 57‑jähriger Mann im Fokus der Ermittler. Untersucht wird, ob dieser die Einsatzkräfte in den Hinterhalt gelockt hat. Fünf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst liegen seitdem im künstlichen Koma, zahlreiche andere sind verletzt.
Später wurden in dem Hochhaus zwei Leichen entdeckt: Eine der beiden soll die Mutter des Tatverdächtigen sein. Die zweite Leiche ist Polizeiangaben zufolge ein älterer Mann, der auf eine stündliche Pflege angewiesen war. Ob sein Tod dem 57‑Jährigen juristisch anzulasten sei, wird noch geprüft, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Was ist über den Hintergrund des Mannes bekannt?
Der Mann ist offiziellen Angaben zufolge keiner Arbeit nachgegangen und gehört der Prepper-Szene an, sagte eine leitende Ermittlerin der Polizei am Freitagabend. Er habe Vorräte etwa von Toilettenpapier angelegt. Als Prepper, abgeleitet vom englischen „prepare“ (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten.
Weiter sagte die Ermittlerin: „Wir haben Hinweise darauf, dass er auch ein Corona-Leugner ist, konkrete Hinweise darauf.“ Ob es einen Zusammenhang zur Tat gebe, sei nicht geklärt. Laut Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul soll er sich (CDU) „im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten“ haben.
Die Polizei bestätigte, dass es „konkrete Hinweise“ gebe, dass der 57‑Jährige Beziehungen in das Corona-Leuger-Milieu habe. Im Keller des Beschuldigten wurden zudem eine Schusswaffe und verschiedene Messer gefunden.
War der Mann schon im Vorfeld auffällig?
Bei dem 57-Jährigen handele es sich um einen Gewalttäter, der bereits wegen drei Körperverletzungen aufgefallen sei und gegen den deswegen zwei Strafbefehle verhängt worden waren, sagten Staatsanwaltschaft und Polizei. Weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte, sollte er eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten.
Die Behörden räumten ein, dass die Einsatzkräfte, die nun wegen einer „hilflosen Person“ zu der Wohnung gerufen worden waren, möglicherweise nicht von der Gewalttätigkeit des Bewohners wussten.
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Was bisher über den Vorfall bekannt ist – und was nicht
Nach der verheerenden Explosion in einem Ratinger Hochhaus befinden sich fünf der Einsatzkräfte in einem künstlichen Koma. Laut aktuellem Ermittlungsstand gibt es zwei Todesopfer. Viele Fragen sind noch offen. Wie kam es zu der Detonation? Und wer ist die Frau, deren Leiche in der Wohnung lag? Was wir wissen und was nicht – ein Überblick.
Wegen eines nicht gezahlten Geldbetrags habe ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn vorgelegen, sagte Laura Neumann, Sprecherin der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Zudem gab es Ermittlungen aufgrund von gegenseitigen Körperverletzungen. Er habe auch Voreintragungen, „aber nichts Einschlägiges, nichts Vergleichbares“, sagte sie.
Was wird dem Verdächtigen vorgeworfen?
Einsatzkräfte waren am Donnerstag in das Ratinger Wohngebiet gerufen worden, weil es Meldungen zu einer hilflosen Person in der Wohnung gab. Die Vermieterin hatte den Notruf getätigt, weil der Briefkasten nicht mehr geleert wurde und überquoll.
Als sie die Wohnung betraten, griff der mutmaßliche Täter sie den Angaben zufolge mit einem Feuerball an und verletzte einige Einsatzkräfte schwer. Anschließend habe er einen Brand gelegt, der den Zugang der Wohnung erschwerte. Spezialkräfte nahmen den Mann später fest.
Einsatzkräfte in Ratingen verließen „selbst brennend“ das Haus
Bei einem Hilferuf in Ratingen am Donnerstag wurden Einsatzkräfte selbst zu Opfern. Acht Personen wurden schwer oder lebensgefährlich verletzt.
© Quelle: Reuters
Der Angriff auf die Einsatzkräfte war nach Einschätzung der Polizei Düsseldorf längerfristig geplant. „Ich gehe davon aus, dass der seit mindestens mehreren Tagen durchdacht war“, sagte Polizeieinsatzleiterin Heike Schultz auf einer Pressekonferenz zu der Explosion in Ratingen am Freitag. „Das macht man nicht mal eben so spontan.“
Die Staatsanwaltschaft hat gegen den 57‑jährigen Mann einen Untersuchungshaftbefehl wegen Mordes in neun tateinheitlichen Fällen ausgestellt. Er wurde einem Haftrichter vorgeführt. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden. Beides seien Mordmerkmale, sagte Staatsanwältin Laura Neumann.
Wo war der Verdächtige wohnhaft?
Der mutmaßliche Täter soll in der Wohnung gemeinsam mit seiner 90 Jahre alten Mutter gelebt haben. Das Todesopfer, hinter dem die Mutter des Tatverdächtigen vermutet wird, soll bereits „seit mehreren Wochen“ tot gewesen sein. Nachbarn zufolge sei die Frau an Demenz erkrankt. Eine Fremdeinwirkung konnte bei der Todesursache nicht festgestellt werden.
Wie ist der Gesundheitszustand des Mannes?
Der Verdächtige selbst soll entgegen früherer Angaben nicht schwer, sondern nur leicht verletzt worden sein. Ein Psychiater hat ihn als schuldfähig eingestuft, er muss also nicht in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden.
Was könnte sein Motiv gewesen sein?
Diese Frage ist weiter offen. In einer Befragung habe er sich noch nicht zu den Tatvorwürfen geäußert, sagte Heike Schultz von der Polizei Düsseldorf am Freitag. Ebenso habe der Mann auf anwaltlichen Beistand verzichtet. Ihm sei ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt worden.
RND/dpa/ar/lhen