Fünf Schüsse töteten einen 16-Jährigen in Dortmund: Wann dürfen Polizisten schießen?
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Wann darf ein Polizist auf eine Person schießen? Nach der Tötung eines 16-Jährigen durch ein Maschinengewehr eines Beamten in Dortmund gibt es offene Fragen (Symbolbild).
© Quelle: dpa
Fünf Treffer aus der Dienstwaffe eines Polizisten – in den Bauch, in den Kiefer, in den Unterarm und zweimal in die Schulter – töteten einen 16-Jährigen am Montagabend in Dortmund. Der Jugendliche, der womöglich Suizid begehen wollte, soll die Beamten zuvor mit einem Messer angegriffen haben. Nach den Schüssen aus einer Maschinenpistole vom Typ MP5 wird das Opfer noch ins Krankenhaus gebracht. Bei einer Notoperation stirbt er aber an den Schussverletzungen.
Einen Tag nach dem blutigen Einsatz liefen bei der Staatsanwaltschaft weiter die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat. Der Polizist, der schoss, werde – wie in solchen Fällen üblich – als Beschuldigter geführt, sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Dienstag. Es gehe um den Anfangsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge.
Wann dürfen Polizisten schießen?
Doch wie kann es sein, dass eine Drohung oder ein Angriff mit einem Messer mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole erwidert wird? Wann darf ein Polizist auf eine Person schießen?
Das Recht des Schusswaffengebrauchs bei Polizeibeamten ist komplex. Polizisten dürfen ihre Schusswaffe einsetzen, wenn sie sich selbst damit schützen, beispielsweise vor einem Angriff, also aus Notwehr. In besonderen Situationen, wie einer Amoklage, darf eine Schusswaffe auch eingesetzt werden, um den Täter fluchtunfähig zu machen. Ein gezielter Todesschuss ist nicht vorgesehen. Zudem muss der Polizeibeamte den Schusswaffengebrauch ankündigen.
„Rein rechtlich betrachtet ist es bei einem Messerangriff rechtskonform, den Schusswaffengebrauch anzudrohen und im Notfall auch durchzuführen.“
Ein Sprecher der Bundespolizei Dortmund gegenüber dem RND
„Grundsätzlich ist ein Messer eine sehr gefährliche Waffe, die bei näherer Distanz mit einer Schusswaffe gleichzustellen ist“, erklärte ein Sprecher der Bundespolizei Dortmund gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Rein rechtlich betrachtet ist es bei einem Messerangriff rechtskonform, den Schusswaffengebrauch anzudrohen und im Notfall auch durchzuführen“, erläuterte der Sprecher weiter. Einfach auf den Fall in Dortmund übertragen lasse sich das aber nicht. Dafür gebe es noch nicht genügend Ermittlungsdetails. Ob ein Schusswaffengebrauch gerechtfertigt war, müsse immer im Einzelfall betrachtet werden.
Frank Schniedermeier aus dem Vorstand der Gewerkschaft der Polizei NRW, fügte hinzu: „Wenn Arterien getroffen werden, verblutet man innerhalb weniger Minuten.“ Laut LKA gab es allein in NRW im Jahr 2020 mehr als 50 Angriffe mit Messern auf Polizisten.
Sekundenbruchteile für eine Entscheidung
Gefahrensituationen entwickelten sich oft innerhalb von Sekunden, sagte Schniedermeier. Rückzug und den Rücken zudrehen ist demnach meist nicht möglich – schließlich hätte man dann den Straftäter nicht mehr unter Kontrolle. Messerangriffe müsse man auf Distanz abwehren. Wenn ein Täter erst einmal neben einem stehe, habe man keine Chance mehr, sagte der Polizeigewerkschafter.
In der Ausbildung werde gelehrt, mit Messer Bewaffnete sollten erst angesprochen und aufgefordert werden, die Waffe wegzulegen. Bei einem Angriff habe man nur Sekundenbruchteile für eine Entscheidung. Bleibt noch Zeit, soll ein Warnschuss in die Luft abgegeben werden – ansonsten müsse man so schießen, dass das Gegenüber „angriffsunfähig“ sei, erklärte Schniedermeier.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verwendet Maschinenpistolen vom Typ MP5 von Heckler und Koch. Schniedermeier sagte, es gebe regelmäßig Schießtrainings mit allen bei der Polizei eingesetzten Waffen.
RND/nis/hof mit dpa
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Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste:
(0800) 111 0 111 (ev.)
(0800) 111 0 222 (rk.)
(0800) 111 0 333 (für Kinder / Jugendliche)
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