Ikke Hüftgold und die „Layla“-Macher: Sing Hallelujah!
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DJ Robin und der Partysänger Schürze traten 2022 mit dem umstrittenen Song „Layla“ im „ZDF-Fernsehgarten“ auf.
© Quelle: Hannes P. Albert/dpa
Die Ausgangsfrage: Sie muss den Herren Hüftgold, DJ Robin und Schürze spätestens seit dem 24. Juni 2022 den Kopf zermartert haben: Wie toppt man den größten Erfolg seiner Karriere?
Oder anders gefragt: Was kommt nach „Layla“?
Am 24. Juni erklomm der Song über die gleichnamige Bordellbesitzerin die Spitze der deutschen Charts. Als erster Ballermannhit überhaupt. Auf den ersten Platz spülte den Song eine bundesweite Debatte über sexistische Songzeilen und politische Korrektheit.
Die Junge Union sang auf einer Tagung lauthals: „Sie ist schöner, jünger, geiler.“ Auf der Düsseldorfer Kirmes und anderen Stadtfesten durfte der Song nicht gespielt werden. Justizminister Buschmann urteilte, Schlagertexte behördlich zu verbieten, das sei „eins zu viel“.
Der „Ballermann“, die spanische Enklave des deutschen Partytourismus, war plötzlich in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Und mit ihnen die „Layla“-Protagonisten: DJ Robin kündigte im „Spiegel“ vorsorglich „geschlechtsneutrale Songs“ an. Ikke Hüftgold trat sogar beim ESC-Vorentscheid an und scheiterte nur knapp. Vor einigen Jahren hatte er am Strand von Palma noch 4000 Gratispilsdosen verteilt und für Bierschlachten gesorgt.
Doch mit der Aufmerksamkeit kommt der Erfolgsdruck: Layla holte dreimal Gold, bekam den offiziellen Titel „Sommerhit des Jahres“ verliehen, auf Spotify wurde der Song fast 120 Millionen Mal gestreamt.
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Ballermann 2.0: „Die Idee von Mallorca steht auf dem Spiel“
Mallorca boomt: 2023 kommen wohl so viele Urlauber wie noch nie. Und mit ihnen die feierfreudigen Deutschen. Doch die spanische Politik bekämpft die Partytouristen mit Alkoholverboten, ein Unternehmer will aus der Playa de Palma ein zweites Miami Beach machen. Ein Besuch.
Und jetzt, wo die Malle-Saison wieder startet, fragt sich die Partyschlagerwelt: Kann man so einen Skandalsong noch mal machen? Wie reitet man die Welle am besten weiter? Was kommt nach „Layla“?
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Ikke Hüftgold verpasste den Sieg beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2023 nur knapp.
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Die Ingredienzen eines Ballermannhits
Die Antwort: Sind sechs Nonnen, die im Chor singen: „Heute sind wir wieder bumsbar – geile Mädels, geile Jungs da.“ Sie stehen vor einem Kirchenaltar, hinter ihnen hängt Hüftgold am Kreuz. Ein Priester schiebt sich Kondom statt Hostie in den Mund, gegenüber des Altars ist eine Bar aufgebaut, dazwischen sitzen Schürze und Robin als verkleidete alte Männer.
Der Ballermannbeat von „Bumsbar“, so heißt der am Freitag veröffentlichte Song, ist gewohnt stampfig, die letzten Refrainsilben werden mit grölbaren Vokalen aufgefüllt („bumsbaaar“ – „daaa“). Inhaltlich dominieren die beliebten Motive Strand, eiskaltes Bier, Wochenende. Motto: „Wir feiern heut‘ die ganze Nacht zusamm‘“.
Also wird die heilige Messe im Video zur Partymesse, der Priester verteilt Kondome, am Ende ist trotzdem eine Nonne schwanger. Halleluja!
Der Skandal: Ist quasi nicht vorhanden. Schon der Songtitel mutet vergleichsweise harmlos an. DJ Robin hat seine Vision wahr gemacht und einen – zumindest nach seinem Gusto – geschlechtsneutralen Song für „Mädels“ und „Jungs“ produziert. Da war „Layla“ ein anderes Kaliber, „kalkuliert hochgradig sexistisch“, wie etwa der Musikwissenschaftler Markus Henrik befand.
Stattdessen versucht Hüftgolds Plattenfirma Summerfield Records – non woke content prangt auf dem Singlecover –, allein visuell zu provozieren. Ein dornenbekranzter Hüftgold als Jesus. Ein kondomesegnender Priester. Eine schwangere Nonne.
Das ist zu viel und zu kalkuliert. Denn mit dem Lied an sich hat der Partyaltar eben nichts zu tun, die Kirche kommt im Song nicht vor. Auch der Drehort, eine Kirche in Hüftgolds Heimatstadt Limburg, ist offiziell entweiht und religiös deshalb nicht unmittelbar ehrverletzend. Ein Boulevardsender hat vorsichtshalber bei den Bistümern Limburg und Fulda nachgefragt, aber: kein Kommentar zu „Bumsbar“. Auch der ehemalige Limburger Bischofsfürst Tebartz van-Elst hat sich noch nicht aus seinem römischen Exil gemeldet.
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DJ Robin und Schürze lieferten mit „Layla“ den Sommerhit des Jahres 2022.
© Quelle: Hannes P. Albert/dpa
Hüftgold wettert gegen die Kirche
Die zweite Ebene: Caelibatus tandem mori debet, schreibt Ikke Hüftgold auf seinem Instagram-Kanal zum „Bumsbar“-Video. Der Zölibat muss endlich sterben. Hüftgold, der Mallorca-Meister der Doppeldeutigkeit – „Ich überleg, mit dem Saufen aufzuhören, ooh, aber ich schwanke noch“ – keilt gegen die katholische Kirche. Der „Bild“ sagt er, der Umgang der Kirche mit der Sexualität ihrer Bediensteten habe „katastrophale Folgen“ für die ganze Gesellschaft. Religiöse Gefühle wolle man mit dem Musikvideo nicht verletzen, „aber man muss Missstände nun mal ansprechen dürfen, das tun wir, nicht mehr und nicht weniger.“
Doch wenn es Hüftgold ernst gewesen wäre, dann hätte er die Kritik auch in die Songzeilen packen müssen. So richtet sich das Video zwar gegen die Enthaltsamkeitspflicht, nicht aber der Liedtext. Und der ist wichter. Von Radiosendern und auf Stadtfesten können die Songzeilen ohne Bedenken gespielt werden – anders als bei „Layla“.
Neuer Favorit für den Inselhit des Jahres
Und jetzt? Geht der Song am Ballermann durch die Decke. „Bumsbar“ wird nachts in der Schinkenstraße bereits a cappella angestimmt. Auf Mallorca ein stabiler Indikator, wo das Publikum zwar häufig betrunken, aber nicht unkritisch ist, wie Oliver Pocher vergangenes Jahr leidvoll erfuhr. „Bumsbar“ ist nun der erste Anwärter für den Mallorca-Hit des Jahres.
Und dass, obwohl der designierte „Layla“-Nachfolger schon feststand: „Peter Pan“, ein Duett der Szenestars Julian Sommer und Mia Julia, erschien bereits im März. In der ersten Woche wurde das Lied so oft gestreamt wie kein anderer Partyschlager zuvor. „Das ist einfach ein Hit, der Spaß macht und es ganz ohne Skandale geschafft hat“, kommentierte Julian Sommer. Moralisch einwandfrei also.
Ikke Hüftgold, DJ Robin und Schürze ließen sich mit ihrem Nachfolger Zeit. Und rollen die Playa mit „Bumsbar“ jetzt von hinten auf. Selbst wenn der große Skandal in Deutschland dieses Jahr ausbleiben wird.