Mindestens neun Tote in Italien

„Apokalyptische Szene“: Nach der Rekord-Dürre kam die Sintflut

Diese von der italienischen Feuerwehr veröffentlichte Luftaufnahme zeigt die Küste von Senigallia nach den Überschwemmungen in der Region.

Diese von der italienischen Feuerwehr veröffentlichte Luftaufnahme zeigt die Küste von Senigallia nach den Überschwemmungen in der Region.

Rom. „Die Situation ist dramatisch, zahlreiche Menschen hier haben alles verloren“, erklärte Alberto Agarbati, Gemeinderat in der mit sechs Todesopfern besonders schwer von verheerende Regenschauern und Überschwemmungen betroffenen Kleinstadt Ostra in der Region Marken in Italien. Überall lägen Schlamm, Geröll und Baumstämme. Weggeschwemmte Autos seien auf allen Straßen verteilt – „eine apokalyptische Szene“. Das Wasser des Flusses Misa, der den Ort durchquert, sei plötzlich hoch wie eine Mauer über Ostra hereingebrochen, immer höher geworden und habe alles mitgerissen, was sich in seinen Weg gestellt habe.

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Von der Misa verwüstet wurde auch der Badeort Senigallia an der Adriaküste: Dort stieg der Pegelstand des vorher fast ausgetrockneten Flusses nach Angaben der Behörden zwischen 21 und 23 Uhr von 21 Zentimetern auf fünfeinhalb Meter.

Insgesamt haben die Überschwemmungen in den Marken mindestens neun Todesopfer gefordert. Vier Menschen wurden am Freitagnachmittag noch vermisst, darunter zwei Kinder. 50 Personen wurden mit Knochenbrüchen oder wegen Unterkühlung ins Krankenhaus von Senigallia eingeliefert. Die Schäden in den prächtigen historischen Zentren der betroffenen Städte konnten zunächst noch nicht beziffert werden, doch sie dürften Hunderte von Millionen Euro betragen.

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420 Liter Regen in nur siebeneinhalb Stunden

„Senigallia ist ein Trümmerhaufen, mein Restaurant ist zerstört“, erklärte die Wirtin des Piccolo Bistrot gegenüber dem staatlichen Radio. „In unserem Lokal steht das Wasser drei Meter tief, unsere ganzen Opfer waren umsonst. Ich weiß nicht, ob wir je wieder öffnen werden.“

Menschen in Senigallia gehen durch Schlamm und Geröll eine Straße entlang.

Menschen in Senigallia gehen durch Schlamm und Geröll eine Straße entlang.

Verursacht wurden die Überschwemmungen von extremem Starkregen – einer „Wasserbombe“, wie die Italiener das immer häufiger werdende Phänomen bezeichnen. In dem Ort Cantiano sind laut den Behörden innerhalb von nur siebeneinhalb Stunden 420 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen. Das entspricht fast der Hälfte des gesamten Niederschlags des vergangenen Jahres. Zum Vergleich: Bei der Jahrhundertflut im rheinland-pfälzischen Ahrtal im Juli 2021 waren innerhalb von 24 Stunden 115,3 Liter pro Quadratmeter gemessen worden. Begünstigt wurden die Extremniederschläge in den Marken von einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit, einer Lufttemperatur von 30 Grad und von an Ort und Stelle kreisenden Gewitterzellen.

Menschen entfernen Schlamm und Schutt von einer Straße in Senigallia.

Menschen entfernen Schlamm und Schutt von einer Straße in Senigallia.

Italien als Hotspot des Klimawandels

Italien erweist sich immer mehr als Hotspot des Klimawandels: Wurden in Italien im Jahr 2009 noch rund 300 Extremwetterphänomene gezählt, waren es im Jahr 2019 laut der European Severe Weather Database mehr als 1600 – eine Verfünffachung innerhalb von zehn Jahren. Die Flut in den Marken folgte auf den schlimmsten Hitze- und Dürresommer seit 500 Jahren mit landwirtschaftlichen Schäden in der Höhe von 6 Milliarden Euro. Anfang Juli stürzte wegen der zu hohen Temperaturen in den Alpen ein Teil des Marmolada-Gletschers in den Dolomiten in die Tiefe und riss elf Bergsteiger in den Tod. Letzten Sommer wurde auf Sizilien mit 48,8 Grad Celsius die höchste je in Europa gemessene Temperatur registriert; in Städten wie Rom und Perugia sind die Durchschnittstemperaturen seit dem Jahr 2000 um zwei Grad angestiegen.

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„Zuerst die Toten der Marmolada, jetzt diejenigen der Marken: Wir sind es leid, in immer kürzeren Abständen Opfer der Klimakrise beklagen zu müssen“, erklärte am Freitag der Chef der italienischen Grünen, Angelo Bonelli. In Italien, so Bonelli, lebten acht Millionen Menschen in Gebieten, die von Überschwemmungen und Erdrutschen bedroht seien. Getan werde aber chronisch zu wenig. Und wenn dann ein absehbares Desaster eintrete, dann heuchle die Politik Bestürzung – „um schon am nächsten Tag zur Tagesordnung überzugehen und der Zerstörung der Umwelt und des Territoriums weiterhin untätig zuzusehen“, betonte Bonelli.

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